„Heimat – Vaterland – Europa“, dieser Dreiklang charakterisiert wohl am besten Lebenslauf und Lebensleistung von Hans-Gert Pöttering. Am 15. September 1945 in Bersenbrück bei Osnabrück in Niedersachsen geboren, hat der Sohn seinen Vater, der in den letzten Kriegstagen an der Ostfront gefallen war, nie gekannt. Das Schicksal seines Vaters wurde für den Sohn zur Richtschnur seines Lebens.
„Mein europäisches Leben“, so hat er selbst einmal seinen Lebenslauf in einem Satz zusammengefasst. Und in der Tat: In der konsequenten Ausrichtung auf Europa nimmt Hans-Gert Pöttering wohl einen einzigartigen Platz unter den deutschen Politikern ein.
Nach Abitur und Wehrdienst schreibt er sich in Bonn für Politische Wissenschaft und Geschichte ein, fügt aber noch im ersten Semester die Juristerei hinzu. Bei Hans-Adolf Jacobsen promoviert er mit einer Arbeit über Konrad Adenauers Sicherheitspolitik und legt auch die beiden juristischen Staatsexamen ab.
12.775 Tage für Europa
Seine Berufung zum europapolitischen Sprecher der Jungen Union Niedersachsens wurde für ihn zum Beginn einer ungewöhnlichen europäischen Karriere. 1979 wird Hans-Gert Pöttering zur ersten Direktwahl des Europäischen Parlamentes nominiert und vertritt dort die Region Osnabrück und das Emsland. Er straft mit seiner Wahl als jüngster deutscher Abgeordneter mit 34 Jahren den damals populären Spottvers: „Hast Du einen Opa, dann schick ihn nach Europa“ Lügen. Als er 2014 nach 35 Jahren ausscheidet, ist er der dienstälteste Abgeordnete des Europäischen Parlaments. 2004 und 2009 war er der Spitzenkandidat der CDU Deutschlands für die Wahlen zum Europäischen Parlament. Er hat die europäische Politik maßgeblich beeinflusst. Fast vier Jahrzehnte war er an vorderster Front am Prozess der europäischen Einigung in all seinen Höhen und Tiefen beteiligt. Besonderen Anteil hat er am Zusammenwachsen der christlich-demokratischen und konservativen Schwesterparteien zur Europäischen Volkspartei (EVP). Er war zunächst stellvertretender und schließlich seit 1999 für nahezu acht Jahre Vorsitzender der EVP-Fraktion, der stärksten Fraktion des Europäischen Parlamentes. Zum Höhepunkt seiner Karriere sollte seine Amtszeit als 12. Präsident des Europäischen Parlamentes von 2007 bis 2009 werden.
Er selbst hat sein Leben für die Einigung Europas in einer bemerkenswerten Autobiografie zusammengefasst. Sie trägt den Titel: „Wir sind zu unserem Glück vereint“. Damit nimmt er Bezug auf die „Berliner Erklärung zur Zukunft Europas“ von März 2007, für die er sich zusammen mit Angela Merkel und José Manuel Durão Barroso wie kein Zweiter eingesetzt hat. Ein Herzensanliegen war Hans-Gert Pöttering seine Initiative für das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel, dessen Kuratorium er jetzt vorsitzt und das in Bälde eingeweiht wird.
In Niedersachsen verwurzelt, in Europa zu Hause
Sein Engagement für Europa wurzelt in seiner Liebe zu seiner niedersächsischen Heimat und zu seinem deutschen Vaterland. Nicht von ungefähr entstammt er dem katholischen Teil Niedersachsens, wo einst Ludwig Windthorst zu Hause war, der Mitbegründer und jahrzehntelange Führer der Zentrumspartei, der große Widersacher Bismarcks. Wie Windthorst ist Hans Gert Pöttering in seiner Kirche tief verwurzelt, ohne sich als Laie je in klerikale Abhängigkeit begeben zu haben. Bis heute ist er ein treuer Sohn seiner Heimat. In Bad Iburg ist er zu Hause. Dort präsent zu sein, die Sorgen und Nöte vor Ort zu teilen und zu helfen, wo immer er kann, ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. Allein die Tatsache, dass er trotz aller Brüsseler Verpflichtungen über zwanzig Jahre (1990 bis 2010) den CDU-Kreisvorsitz im Landkreis Osnabrück geführt hat, beweist das.
Er war Mitglied im niedersächsischen Landesvorstand sowie im Bun desvorstand der CDU und gehört ihm auch heute noch an. Und er versteht es darum auch, die deutschen Interessen aktiv in Europa zu vertreten.
Hans-Gert Pöttering ist für sein „europäisches Leben“ im In und Ausland vielfach geehrt worden. Mit Orden und Ehrenzeichen, mit Ehrendoktoraten und einer Honorarprofessur. Zu seinem 70. Geburtstag hat ihn die Konrad-Adenauer-Stiftung mit einer Festschrift geehrt, um ihm eine Freude zu bereiten und als Dank dafür, dass er die Konrad-Adenauer-Stiftung seit 2010 mit Engagement und Hingabeleitet und dass er durch sein leidenschaftliches, unermüdliches Eintreten für die Vollendung der Einheit Europas in ihrer internationalen Arbeit neue Akzente setzt. Hans-Gert Pöttering gibt außerdem seit 2012 zusammen mit Wolfgang Bergsdorf und mir für die Stiftung die Zeitschrift Die Politische Meinung heraus.
Ich verdanke ihm, dass ich heute als Ehrenvorsitzender, wo gewünscht, weiter mit Rat und Tat und gelegentlich auch mit einem kritischen Zwischen ruf zur Verfügung stehen darf. Möge unsere freundschaftliche Zusammenarbeit noch langefortbestehen.
Wir wünschen uns, dass Hans-Gert Pöttering auch in seinem achten Lebensjahrzehnt mit seiner bemerkenswerten geistigen Frische und körperlichen Gesundheit die Stiftung voller Optimismus und stets mit einem Lächeln im Gesicht weiter in die Zukunft führt. Wir danken ihm und wir wünschen ihm Gottes Segen für viele Jahre fruchtbarer Arbeit.
Bernhard Vogel, geboren 1932 in Göttingen, von 1976 bis 1988 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, von 1992 bis 2003 Thüringer Ministerpräsident, Ehrenvorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Aus Anlass des 70. Geburtstages von Hans-Gert Pöttering hat der Autor eine Festschrift mit dem Titel „Heimat – Vaterland – Europa“ herausgegeben (Böhlau Verlag, Köln 2015).
Außerdem erschien kürzlich: Hans-Gert Pöttering: Mein Europa. Werte – Überzeugungen – Ziele, Verlag Herder, Freiburg 2015.