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Warum Rechtspopulisten so viel Anklang in den Massenmedien finden

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Verfolgt man die aktuellen politischen Debatten in den deutschen Massenmedien, fällt auf, dass sich die Diskussion häufig um Rechtspopulisten oder um ihre Sprüche dreht. In den USA sieht es nicht anders aus, Donald Trump scheint die gesamte Aufmerksamkeit der Massenmedien zu absorbieren, wenn er rassistische, xenophobe oder sexistische Sprüche von sich gibt. Wie erklärt es sich, dass der Rechtspopulismus so viel Aufmerksamkeit in den Massenmedien bekommt, und welche Konsequenzen hat das für die Demokratie? Die Gründe für den Erfolg des Rechtspopulismus sind vielfältig. Dazu gehören Politikverdrossenheit, soziale Ungleichheiten und postdemokratische Verhältnisse, wie sie von Colin Crouch1 beschrieben wurden. Doch ein wichtiger und weniger beachteter Faktor liegt in seiner Medienkompatibilität.

In der Tat enthält der Populismus viele Komponenten, die die Aufmerksamkeitskriterien der Massenmedien erfüllen: Populisten sind schrille Gestalten, sie brechen gerne mit Tabus und produzieren Skandale, wecken Emotionen und dramatisieren Zusammenhänge, die sie zugleich in eine manichäische Struktur bringen. Der Populismus konstruiert ein konfliktträchtiges Narrativ, in dem das Volk von den Eliten – dazu gehören ökonomische Eliten, die Presse sowie etablierte Politikerinnen und Politiker – betrogen wurde. Wie in einem Märchen wird das Volk durch den charismatischen Leader geweckt und kann sich von den „Mächtigen“ befreien.2 Angesichts dieser Dramatisierung scheinen komplexe Argumentationen oder die Berücksichtigung mehrerer Standpunkte überflüssig. Populisten glauben, den Willen des Volkes zu kennen, und dieser Wille ist für sie immer homogen und eindeutig. Meinungspluralismus bedeutet für sie Zerstreuung des Volkswillens, während eine interpretative Auseinandersetzung mit politischen Problemen zur Verzerrung der Wahrheit führe. Stattdessen stehen die Unmittelbarkeit und der enge Kontakt zwischen Volk und charismatischem Führer im Vordergrund. Der populistische Führer dient hier als Personalisierung des Volkswillens und kommuniziert ihn direkt. Denn, so die populistische Logik3, gerade weil der Populist, anders als Politiker der etablierten Parteien, einer aus dem Volke ist, kann er wissen, was das Volk eigentlich will. Populismus lehnt jegliche Art der Mediation ab, sei es durch etablierte Parteien, Politiker oder Journalisten. Sie erscheinen in diesem Lichte als überflüssige und gefährliche Verzerrer des Volkswillens und sind dem Vorwurf der Verfälschung und des Verrats ausgesetzt. Weil die Kommunikation ohne Mediation erfolgen soll, verpflichtet die populistische Logik zur Vereinfachung und Komplexitätsreduktion und appelliert an den Common Sense. Dieser muss nicht erklärt werden, sondern ist jedem „ersichtlich“ und fühlbar. Populistische Akteure geben vor, die Stimme des Volkes wiederzugeben, und können dadurch mit Tabus brechen, ohne dafür haftbar gemacht zu werden. Denn vox populi, vox Dei.4

 

Mehr Partizipation, weniger Vielfalt

Das Verhältnis des Populismus zur Demokratie ist ambivalent. Positiv ist zu unterstreichen, dass der Populismus die Bürgerinnen und Bürger zu mehr Partizipation und Kontrolle der politischen Repräsentanten animiert, wenn an die Volkssouveränität appelliert wird. Der Populismus macht die Schwachstellen der Demokratie sichtbar, indem er auf die fehlende Umsetzung des Volkssouveränitätsprinzips in der Praxis aufmerksam macht. Rhetorisch drückt sich dieser Anspruch zum einen durch die Kritik an Machtmissbrauch und Korruption und zum anderen durch die Forderung nach politischer Veränderung aus.5 Indem Populismus auf konkrete Defizite der Demokratie verweist, kann er zu deren Korrektur beitragen. Zur negativen Seite gehört, dass durch Komplexitätsreduktion, manichäische Struktur und Ausblendung des Pluralismus die politische Debatte verzerrt wird. Die populistische Logik hält sich zwar an den demokratischen diskursiven Rahmen. Sie geht von der Meinungsfreiheit, von der Gleichheit zwischen den Individuen und von der Macht des Volkes aus. Aber sie verzerrt diesen Rahmen, denn sie arbeitet mit Kurzschlüssen. Die große Gefahr des Populismus liegt in der Verschiebung des politischen Diskurses. Die populistische Kommunikation wird so vereinfacht, dass wichtige Komplexitäten ausgeblendet werden und die Welt in manichäischer Gestalt auftritt: Es gibt nur Gut oder Böse, Entweder, Oder. Für die demokratische Debatte bedeutet dies vor allem einen Verlust an Pluralität der Meinungen und das Verschwinden von Kompromissen.

 

Aufmerksamkeitsregeln der Massenmedien

Vergleicht man die Komponente des Populismus mit den Aufmerksamkeitsregeln der Massenmedien, wird die Kompatibilität zwischen beiden deutlich. Massenmedien bilden ein Forum für den öffentlichen Diskurs. Doch ihre Rolle ist keineswegs unschuldig, denn sie entscheiden schließlich darüber, was gesendet wird und was nicht. Ferner geben sie auch den veröffentlichten Bildern und Botschaften eine ästhetische Form und bestimmen die Art und Weise, wie Politik diskutiert und präsentiert wird. Kommunikationswissenschaftler haben die Selektionskriterien der Massenmedien untersucht. Dazu zählen „Personifikation, mythisierender Heldenkonflikt, Drama, archetypische Erzählung, Wortgefecht, Sozialrollendrama, symbolische Handlung, Unterhaltungsartistik, sozialintegratives Nachrichtenritual“.6 Privilegiert werden Inszenierungen und Kommunikationsstile, die Personalisierung, Komplexitätsreduktion, Appell zum Außergewöhnlichen, Emotionalisierung, Dramatisierung und eine Konfliktstruktur aufweisen.

Stellt man diese Kriterien neben die Elemente des Populismus, sind die Ergebnisse verblüffend:7 Es wird klar, dass es sich um eine systemische Übereinstimmung zwischen massenmedialen Aufmerksamkeitsregeln und populistischer Logik handelt. Politische Akteure, die sich des Populismus bedienen, haben daher höhere Chancen, Medienaufmerksamkeit zu erzeugen. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Massenmedien solchen Akteuren, und dazu gehören Rechtspopulisten, besondere Aufmerksamkeit schenken.

 

Spielarten des Populismus und rechtsextremistische Gefahr

Rechtspopulismus ist nicht gleich Populismus, sondern eine besondere Populismus-Variante. In der Tat gibt es unterschiedliche Formen des Populismus, die je nach ideologischer Richtung als Agrarpopulismus, Linkspopulismus, Rechtspopulismus oder Mainstream-Populismus bezeichnet werden. Im Rechtspopulismus ist die populistische Logik mit rechtsextremistischen Ideologemen kombiniert. Als Ideologeme bezeichnet man Versatzteile von Ideologien; sie sind Vorstellungen und Gedanken, die keine umfassenden Erklärungsmuster bieten, aber punktuelle Einstellungsmuster zu bestimmten Themen wiedergeben. Die Vorstellung, dass Ausländer nicht zur Gesellschaft gehören, dass sie ihr fremd sind, ist ein solches rechtsextremistisches Ideologem. Die Kombination von Populismus und Rechtsextremismus ist möglich, weil der Populismus ideologisch unterbestimmt ist, nicht umsonst wird er auch als „dünne Ideologie“8 definiert. Der Populismus preist zwar das Volk als moralische Instanz an und stellt es ins Zentrum seines Narrativs, doch wer zum Volke gehört, bleibt zunächst offen. Erst in der Kombination mit anderen, „konsistenteren“ Ideologien kann der Populismus das Volk definieren. Im Linkspopulismus wird das Volk aus der Arbeiterklasse, ausgebeuteten und diskriminierten Gruppen gebildet, für den neo-liberalen Populismus ist das Volk die Summe der Unternehmer und Einzelkämpfer, die sich dem Aufstieg in der kapitalistischen Gesellschaft verpflichtet fühlen.

Der Rechtspopulismus wiederum definiert das Volk durch die Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder sogar „rassischen“ Gruppe und rekurriert auf rechtsextremistische Ideologeme. Typisch für den Rechtsextremismus sind „übersteigerter Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, ein autoritär-konservatives, hierarchisches Familien- und Gesellschaftsbild und die Ablehnung der Demokratie“.9 Dazu gehören auch die Vorstellung einer ethnisch homogenen Gesellschaft, die Überzeugung, dass ihre Mitglieder einen höheren Wert als Nicht-Zugehörige haben, und somit auch die Negierung der demokratischen Gleichheit und die Ablehnung des Wertepluralismus. Das Volk wird als eine Art Körper gedacht, der durch Fremde „infiziert“ und „verdorben“ werden kann. Daher gehört die Angst vor Ausländern zu den Topoi rechtsextremistischer Ideologien.

Rechtspopulismus ist eine regelrechte Kombination aus populistischer Logik und rechtsextremistischen Ideologemen. Er schreibt die diskriminierende Auffassung des Volkes in das Narrativ des betrogenen Volkes ein. Die Elite und die Mediatoren sind zwar weiterhin Verräter, doch sie werden so porträtiert, dass sie entweder aus eigenem Interesse oder aus Missachtung des Volkes eine Allianz mit Ausländern, Muslimen, Juden oder „Fremden“ eingehen beziehungsweise die Feinde des Volkes tolerieren und sogar privilegieren. Dieses Argumentationsmuster wird in der deutschen Migrationsdebatte deutlich.

 

Auswirkung auf die Demokratie

Im Rechtspopulismus dient der Populismus als Brücke zwischen der demokratisch konstituierten Öffentlichkeit und rechtsextremistischen Positionen. Standen rechtsextremistische Ideologeme außerhalb der demokratisch konstituierten Öffentlichkeit, werden sie mithilfe der populistischen Logik dorthin transportiert. Rechtspopulismus dient somit als Eintrittstor für rechtsextreme Ideologien in die demokratische Öffentlichkeit. Denn die systemische Begünstigung des Populismus in den Massenmedien führt dazu, dass rechtsextremistische Ideologeme immer öfter transportiert werden.

Die Auswirkungen dieses Prozesses auf die Demokratie können verheerend sei. Durch die Privilegierung rechtspopulistischer Akteure aufgrund ihrer Affinität zu den Aufmerksamkeitsregeln der Massenmedien kommt es zur Wiederholung ihrer Botschaften. So entsteht ein Gewöhnungseffekt an antidemokratische Botschaften, rechtsextremistisches Gedankengut kann in der Folge salonfähig werden.

Besonders problematisch ist es, wenn Politikerinnen und Politiker etablierter Parteien nicht nur auf die populistische Logik, sondern auch auf rechtspopulistische Ideologeme zugreifen, um den Wettbewerb gegen die Rechtspopulisten zu gewinnen. Dann kann eine Situation entstehen, in der der demokratische diskursive Rahmen so verschoben wird, dass er demokratischen Maßstäben nicht mehr entspricht. Damit es dazu nicht kommt, müssen sowohl politische als auch Medienakteure selbstkritisch mit ihrer eigenen Rolle umgehe, um nicht zum Teil der rechtspopulistischen Strategie zu werden.


Paula Diehl, geboren 1970 in Porto Alegre (Brasilien), Projektleiterin „Symbolik der Demokratie“, Institut für Sozialwissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin.

 

1 Colin Crouch: Postdemokratie, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008.
2 Zum Narrativ des betrogenen Volkes siehe Paula Diehl: „Die Komplexität des Populismus. Ein Plädoyer für ein mehrdimensionales und graduelles Konzept“; in: Populismus: Konzepte und Theorien, Totalitarismus und Demokratie, Heft 2, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, S. 273–291.
3 Zur Definition des Populismus als Logik siehe Ernesto Laclau: On Populist Reason, Verso, New York 2005; Jan-Werner Müller: Was ist Populismus?, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2016.
4 Zu einer zusammenfassenden Auseinandersetzung mit der Logik des Populismus siehe Paula Diehl: „Die Komplexität des Populismus“, in: Totalitarismus und Demokratie, Heft 2, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, S. 273–291.
5 Yves Mény / Yves Surel: Par le peuple, pour le peuple. Le populisme et les démocraties, Fayard, Paris 2000.
6 Thomas Meyer: „Populismus und Medien“, in: Frank Decker (Hrsg.): Populismus. Gefahr für die Demokratie oder nützliches Korrektiv?, Springer VS, Wiesbaden 2006, S. 81–96, hier S. 83.
7 Zur Affinität des Populismus zu den Massenmedien siehe Paula Diehl: „Populismus und Massenmedien“, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 5–6, 2012, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2012, S. 16–22.
8 Cas Mudde: „The Populist Zeitgeist”, in: Government & Opposition, 39, Cambridge University Press, Cambridge 2004, S. 541–563.
9 Hans-Gerd Jaschke: „Rechtsextremismus“, in: Dossier Rechtsextremismus, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2006.

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