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Wie Arbeitgeber strategisch gegen den Arbeitskräftemangel vorgehen

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Maßnahmen wie die Suche nach neuen Arbeitskräften im Ausland sind aufwendig. Damit sie greifen, sollten Unternehmen sie in eine konsistente Strategie – das „Employer Branding“ – einbinden. „Branding“ bedeutet im Marketing, einem Produkt oder einer Dienstleistung eine Marke zu verschaffen. Beim Employer Branding wird die Qualität des Unternehmens als Arbeitgeber in den Mittelpunkt gerückt. Die Arbeitgebermarke spiegelt die Vorteile wider, die mit einer Beschäftigung gerade in diesem Unternehmen einhergehen. Die Arbeitgebermarke soll glaubwürdig vermitteln, dass es sich um einen guten Arbeitgeber handelt. Was dabei „gut“ bedeutet, hängt von einer Vielzahl von Merkmalen wie etwa dem großzügigen Entgelt, dem sicheren Arbeitsplatz oder dem angenehmen Arbeitsumfeld ab.

Manchen Unternehmen gelingt es trotz der angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt, genügend Arbeitskräfte zu finden und zu halten. Wenn andere Unternehmen dabei weniger erfolgreich sind, kann das an der fehlenden Bekanntheit oder Attraktivität als Arbeitgeber liegen – oder aber daran, dass die Bemühungen, Arbeitskräfte zu gewinnen, nicht stimmig in das Employer Branding eingebunden sind.

Drei Elemente gehören zu einem effektiven Employer Branding. Arbeitgeber müssen sich erstens ein Ziel setzen. Sie können mit dem Employer Branding versuchen, möglichst viele Arbeitskräfte anzuwerben oder aber bestimmte Fachkräfte zu finden, die spezifische Anforderungen erfüllen. Arbeitgeber müssen zweitens erkennen, welche Arbeitgebereigenschaften die gewünschten Zielgruppen ansprechen, und diese fördern. Wenn flexible Arbeitsmodelle eine wichtige Eigenschaft aus Sicht der Zielgruppe sind, sollte das Unternehmen noch vorhandene starre Modelle überwinden. Drittens sollten die wichtigsten Attribute glaubhaft kommuniziert werden, sodass in den Köpfen der potenziellen Bewerber ein ansprechendes Arbeitgeberimage entsteht. Beim Image geht es um die vermutete Wirklichkeit. Tatsächliche Arbeitgebermerkmale wie die tägliche Arbeitsbelastung können interessierte Beschäftigte erst beurteilen, wenn sie im Unternehmen tätig sind. Das Image ist daher wichtig, denn es vermittelt den Arbeitskräften einen Vorgeschmack auf den Arbeitsalltag. Allerdings sind Jobsuchende in der Regel kritisch, wenn es um die Glaubhaftigkeit eines Arbeitgeberimages geht. Daher achten Jobinteressierte auf sogenannte „Signale“: glaubhafte Informationen, die Arbeitgeber nicht einfach so als cheap talk – als „folgenloses Gerede“ – vermitteln können, sondern die vielmehr belastbar erwarten lassen, dass der tatsächliche Arbeitsalltag dem suggerierten Image entspricht. Ein Beispiel für ein Signal ist die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband.

 

Mehr Wahlfreiheit durch mobiles Arbeiten

 

Die Einzelmaßnahmen können über zwei Wege attraktiv auf Jobinteressierte wirken: weil sie zu Eigenschaften führen, die einen direkten Nutzen für Beschäftigte versprechen, oder aber, weil sie ein glaubhaftes Signal für nutzenversprechende Eigenschaften sind. In jedem Fall ist zu bedenken, wie sich die einzelnen Maßnahmen in das Employer Branding einfügen.

Andere Arbeitszeiten und -orte: Unternehmen versuchen zurzeit, für Beschäftigte attraktive Arrangements von Arbeitszeiten und -orten zu finden. Die Viertagewoche „schaufelt“ einen Tag in der Woche frei und ersetzt im Extremfall mit 32 Stunden an vier Tagen die herkömmliche Vierzigstundenwoche von Montag bis Freitag. Andere Ansätze geben den Beschäftigten mehr Möglichkeiten, Zeit und Ort an die persönlichen Bedürfnisse anzupassen – so dürfen Beschäftigte oftmals eine bestimmte Stundenzahl in mobiler Arbeit zu selbst gewählten Zeiten erbringen. Die Vorteile solcher Initiativen liegen auf der Hand: Mehr Wahlfreiheit ermöglicht es den Beschäftigten, die Arbeit mit Kinderbetreuung oder privaten Hobbys besser zu vereinbaren. Mobiles Arbeiten spart Zeit und Kosten des Pendelns ein. Das Unternehmen wird gegenüber Konkurrenten attraktiver und aktiviert Beschäftigte in Elternzeit oder Pensionäre. Je nach Art der Maßnahmen werden andere Jobinteressierte angesprochen, und das ist mit der Zielsetzung abzugleichen.

Mobiles Arbeiten bei frei wählbaren Arbeitszeiten kann Beschäftigte anlocken, die weit weg vom Firmensitz leben und sich weniger mit dem Unternehmen als mit dem flexiblen Arbeitsarrangement verbunden fühlen. Sie neigen schneller dazu, wieder zu kündigen, und wenn länger Beschäftigte es anders sehen, muss der Arbeitgeber für den Zusammenhalt sorgen. Das gilt besonders dann, wenn nur ein privilegierter Teil der Belegschaft zu Hause bleiben kann, andere Arbeitskräfte jedoch weiterhin in der Fabrik oder im Pflegeheim anwesend sein müssen. Auch die Personalentwicklung muss überdacht werden. Nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ laufen Beschäftigte im Homeoffice, wenn sie zudem in Teilzeit arbeiten, unter dem Radar und werden bei Weiterbildung und Beförderung benachteiligt. Neue Arbeitszeiten und -orte sollten insgesamt nicht isoliert eingeführt werden. Zum einen sollte die Art der Maßnahme auf die Zielsetzung abgestimmt sein (welche Arbeitskräfte möchte man gewinnen?). Zum anderen muss beachtet werden, dass neue Arrangements nicht nur die Arbeitgebermerkmale und das Image direkt verändern, sondern auch indirekt leicht zu übersehende und unbeabsichtigte Nebenwirkungen erzeugen können.

 

Sensibilisierung für neue Arbeitsmarktumgebungen

 

Ansprechende Firmenarchitekturen: Ein neues Verständnis davon, wie wir arbeiten, und Veränderungen in den Anforderungen der Arbeitsaufgaben selbst veranlassen viele Unternehmen dazu, die Gestaltung ihrer Arbeitsumgebungen und Gebäude neu auszurichten. Durch die Veränderungen von Arbeitsaufgaben haben sich neue Arbeitssituationen entwickelt, die angemessene Büroumgebungen flexibel ermöglichen müssen. Aktivitätsbasierte Büroumgebungen beispielsweise sehen Desksharing vor und kombinieren verschiedene Räume für unterschiedliche Aktivitäten: offen und transparent gestaltete Plätze für die Einzelarbeit, daneben Begegnungsräume, die Kommunikation, Zusammenarbeit in Projekten und Wissenstransfer fördern, schließlich geschlossene Räumlichkeiten für konzentriertes Nachdenken.

Viele Beschäftigte finden diese Arrangements für flexibles Arbeiten, die sich im Homeoffice oder über virtuelle Meetings nicht abbilden lassen, besonders attraktiv.

Flexible Bürokonzepte funktionieren jedoch nicht von selbst. Sie müssen in sich stimmig sein und von weiteren Maßnahmen flankiert werden. Beschäftigte müssen beispielsweise für die neue Arbeitsumgebung sensibilisiert und für ihre Nutzung geschult werden, damit sie Arbeitsweisen erlernen, die produktiv sind, ohne zu überfordern oder zu stressen. Durch das Desksharing sitzen Beschäftigte oftmals nicht mit ihren Teamkollegen zusammen. Um den Zusammenhalt zu stärken, könnten formelle und informelle Teammeetings (mit den entsprechenden Räumlichkeiten) etabliert werden. Der Arbeitgeber kann einiges tun, damit derart gestaltete Arbeitsumgebungen attraktiv für viele unterschiedliche Zielgruppen sind. Führungskräfte sollten als Vorbilder die entsprechenden Raumangebote selbst wahrnehmen. Zudem sollte die attraktive Wirkung von Architektur im Rahmen des Employer Branding auch in der externen Kommunikation genutzt werden. Eindrücke der Arbeitsumgebung können in Bildern oder Videos auf die Website und in soziale Medien eingebunden werden. Dann wirkt die Arbeitsumgebung als ein Signal dafür, dass ein Arbeitgeber viel Wert auf Zusammenarbeit legt, innovative Arbeitsweisen fördert und die Bedürfnisse der Beschäftigten durch eine adäquate Arbeitsumgebung berücksichtigt.

 

Differenzierung und Integration

 

Neue Beschäftigtengruppen in Deutschland: Menschen im Ruhestand würden vielleicht länger arbeiten, Beschäftigte in Elternzeit vielleicht früher zurückkehren. Solche Beschäftigtengruppen lassen sich reaktivieren, indem man sie anspricht und für sie attraktive Rahmenbedingungen schafft. Diese Beschäftigten wollen nicht mehr oder noch nicht in Vollzeit arbeiten, sie präferieren vielleicht bestimmte Zeiten und Orte. Für Beschäftigte mit Kindern kann die Betriebskindertagesstätte ein entscheidendes Kriterium sein. Arbeitgeber können als Marke besonders erfolgreich sein, wenn sie ihr Produkt in gewisser Weise differenzieren, sodass verschiedene Beschäftigtengruppen angesprochen werden. Gleichwohl stellt sich mit der Differenzierung auch die Integrationsaufgabe. Belegschaften, die in Bezug auf Alter und Lebenssituation vielfältig strukturiert sind, entwickeln vielleicht weniger leicht ein Zugehörigkeitsgefühl. Das kann besonders für Arbeitskräfte aus dem Ausland gelten.

Arbeitskräfte aus dem Ausland: Der Gesetzgeber erleichtert zurzeit den Zuzug von Menschen, die in Deutschland arbeiten möchten, und Arbeitgeber mit besonders hohem Arbeitskräftedefizit werben gezielt Beschäftigte im Ausland an. Um eine Arbeitgebermarke beispielsweise in Mexiko aufzubauen, müssen die meisten Unternehmen ganz von vorn beginnen. Implizit ändern Arbeitgeber zudem die Zielsetzung ihrer Marke, indem sie Abstriche bei der „Passung“ machen. Das gilt weniger für global agierende Unternehmen, etwa in der IT-Branche, in denen bereits heute im Alltag Englisch gesprochen wird. Doch Pflegekräfte aus Mexiko, die in deutschen Krankenhäusern tätig sein sollen, sprechen meist weder Deutsch noch besitzen sie die hiesigen Berufsabschlüsse.

Eine geringere „Passung“ von Beschäftigten hat Auswirkungen auf viele weitere Aspekte des Arbeitens: Aufgaben müssen eventuell anders zugeschnitten oder kommuniziert werden, und Unternehmen müssen für Vielfalt offen sein. Die viel zitierte Willkommenskultur ist nicht nur eine soziale Aufgabe, sondern auch eine für jedes einzelne Unternehmen. So sollten Arbeitgeber bei einer diversen Belegschaft die Einarbeitungsphase strukturierter gestalten und Unterstützung bei der Wohnungssuche und der Integration, auch der Familien, anbieten. Arbeit und Leben sind nicht so strikt zu trennen, sonst wiederholt sich, was Max Frisch in den 1960er-Jahren über das Anwerben von „Gastarbeitern“ sagte: „Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen.“

Viele Bürger in Deutschland haben immer noch Vorbehalte gegen Menschen aus bestimmten anderen nationalen Kulturen. Diese fühlten und fühlen sich hierzulande bisweilen als Menschen zweiter Klasse. Die Deklassierung zeigt sich in Unternehmen oftmals darin, dass Arbeitskräfte mit ausländischen Wurzeln Einfacharbeit übernehmen und sich in prekären Beschäftigungsverhältnissen wie Leiharbeit und befristeten Verträgen wiederfinden. Die Fachkräfte, die heute gesucht werden, sind jedoch auch in anderen Ländern gefragt. Sie sollten von Anfang an gleichberechtigt in den Betrieb integriert werden.

Die Taktiken der Arbeitgeber bei der Gewinnung von Arbeitskräften funktionieren nur dann, wenn sie in eine Employer-Branding-Strategie eingepasst sind. Eine Strategie bedeutet, einen längeren Atem zu haben und die eigenen Maßnahmen mit Blick auf die eigenen Ziele und die Konkurrenten zu entwickeln. Große Unternehmen sind dabei häufig im Vorteil – allein schon deshalb, weil ihr Firmenimage sich oftmals auf das Arbeitgeberimage überträgt. Viele Maßnahmen zielen jedoch auf ein flexibles Entgegenkommen bei Zeit und Ort. Das fällt kleineren und mittleren Unternehmen oft leichter. Auch die Integration vielfältiger Belegschaften gelingt in kleineren Arbeitsstätten meist besser. Zudem fällt auf, dass die neuere Firmenarchitektur soziale Begegnungsräume schaffen möchte, die in kleineren Unternehmen einfacher zu verankern sind.

 

Katharina Radermacher, geboren 1982 in Detmold, promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin, Akademische Rätin, Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalwirtschaft, Universität Paderborn.

Martin Schneider, geboren 1967 in Trier, Inhaber der Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalwirtschaft, Universität Paderborn.

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