Die gesellschaftlichen Auswirkungen sind wohl bei kaum einem wirtschaftshistorischen Phänomen so eindeutig nachvollziehbar wie bei Geldentwertungen, Währungsschnitten und den daraus folgenden massiven politischen Verwerfungen. Kontrafaktische Annahmen sind zwar immer spekulativ, aber viele Historiker würden sich wohl der These anschließen, dass Adolf Hitler 1933 ohne die Hyperinflation 1923 und die daraus resultierende Vernichtung bürgerlicher Vermögen nicht an die Macht gekommen wäre. Dies lässt angesichts der gegenwärtigen brisanten Gemengelage aus kaum gehemmter Geldschöpfung durch die Europäische Zentralbank (EZB), Angebotsverknappung auf dem Weltmarkt durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und künftig notwendiger massiver Staatsausgaben wenig Gutes erahnen. Grund genug, die Auswirkungen solcher Inflationsphasen auf die deutsche Geschichte nachzuzeichnen.
Inflation ist kein Phänomen allein der neuesten Geschichte. Schon in Zeiten der Edelmetallwährungen gab es immer wieder „Münzverschlechterungen“. Der Münzherr verminderte den Edelmetallgehalt der Münzen, um mit dem dadurch erzielten Gewinn Staatsausgaben zu finanzieren. Besonders folgenreich war dies in der „Kipperund Wipperzeit“ (1620–1623), als die Landesherren im Dreißigjährigen Krieg durch eine minderwertigere Zusammensetzung der Münzen ihre Ausgaben finanzierten. Die dadurch ausgelöste Inflation führte in Verbindung mit der Verschleuderung des Grundbesitzes des unterlegenen böhmischen Adels, der wegen seiner Rebellion gegen Habsburg enteignet worden war, zu einem Austausch der dortigen Grundbesitzer und in der Folge zu langanhaltenden Spannungen zwischen Deutschen und Tschechen.
Kriegsfinanzierung und Hyperinflation
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 zog der deutsche Staat angesichts des absehbar großen Finanzbedarfs die Edelmetallvorräte, die in der Umlaufwährung steckten, an sich. Zunächst war auch die Kampagne „Gold gab ich für Eisen“ sehr erfolgreich, als der Appell an den Patriotismus zu einer umfangreichen Ablieferung von thesaurierten Goldmünzen und Goldschmuck aus Privatbesitz führte. Die eigentliche deutsche Kriegsfinanzierung geschah über die Kreditaufnahme im Inneren: Die Bevölkerung zeichnete die attraktiv verzinsten „Kriegsanleihen“, die das Reich ausgab. In Erwartung eines deutschen Sieges, in dessen Folge die Verlierer die Zeche hätten zahlen sollen, verzichtete das innenpolitisch schwache Kaiserreich weitgehend auf Steuererhöhungen. Dass auf diese Weise die Geldmenge vervielfacht wurde, liegt auf der Hand.
Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs 1918 kamen zu den eigenen Kriegskosten die gigantischen Reparationsforderungen der Alliierten hinzu. Als 1923 das Reich in kleinerem Umfang Forderungen nicht erfüllen konnte, nutzte Frankreich dies als Vorwand, um zusammen mit Belgien das Ruhrgebiet zu besetzen. Das Reich entschloss sich zu einem passiven Widerstand, bei dem etwa die Gehälter der von der französischen Besatzungsmacht entlassenen Arbeiter und Beamten von der Reichskasse übernommen wurden. Die dafür notwendigen Mittel wurden über die Notenpresse beschafft. In der Folge brach die deutsche Währung zusammen; es kam zu einer Hyperinflation, in der der Außenwert der Mark bis auf 4,2 Billionen Mark für einen US-Dollar fiel.
Dadurch wurde fast das gesamte private deutsche Geldvermögen vernichtet; grob geschätzt etwa die Hälfte des deutschen Volksvermögens. Neben dem Bargeld und den Spareinlagen wurden vor allem die Kriegsanleihen, in die große Teile der finanziellen Rücklagen der Bevölkerung geflossen waren, wertlos. Dies war die unvermeidliche Folge der Kriegsfinanzierung auf Kredit und somit einer noch im Kaiserreich getroffenen Fehlentscheidung. Das depossedierte Bürgertum sah diese Zusammenhänge aber nicht und machte die ungeliebte Republik für seinen wirtschaftlichen Niedergang verantwortlich. Zwar gelang es den Kabinetten Gustav Stresemann und Wilhelm Marx, durch die Einstellung des Ruhrkampfes und die Einführung der Reichsmark als neuer Währung 1924 die wirtschaftliche Lage wieder zu stabilisieren; der entstandene Schaden jedoch blieb. In den Augen der großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung hatte die Weimarer Republik versagt, ein wesentlicher Faktor, der Hitler 1933 den Weg zur Macht ebnete.
Die neue nationalsozialistische Regierung verfolgte in der Finanz- und Währungspolitik eine erstaunlich erfolgreiche Taktik: Während de facto die Währungspolitik des „Dritten Reiches“ sehr viel unsolider als die der Weimarer Republik war, erschien sie der deutschen Öffentlichkeit jedoch deutlich seriöser. Sogenannte „Mefo-Wechsel“, die nichts weiter als eine Parallelwährung waren, mussten Unternehmen als Zahlungsmittel akzeptieren. Auf diese Weise wurde die Geldmenge aufgebläht und die Aufrüstung zu nicht unwesentlichen Teilen über die Notenpresse finanziert, ohne dass dies dank der zensierten Presse von der Bevölkerung wahrgenommen wurde. Gleichzeitig wurden bei der physischen Form des Bargelds, das sich in Format und Gewicht an den Münzen des Kaiserreiches orientierte, keine Kosten gescheut, um etwa durch die Münzmetalle Nickel und Silber den Eindruck von Solidität zu erwecken: In der Weimarer Republik war hingegen auch Aluminium verwendet worden, was einen verheerenden Eindruck bei der Bevölkerung hinterlassen hatte. Die Kriegsfinanzierung 1939 bis 1945 erfolgte wieder ganz nach dem Muster des Ersten Weltkriegs durch eine Aufblähung der Geldmenge.
Währungsreform und Preisfreigabe
Nach dem erneut verlorenen Krieg folgte unvermeidlich die Quittung: Die Reichsmark war ruiniert. Im Laufe des Krieges waren fast alle Güter des täglichen Gebrauchs einer strengen Bewirtschaftung unterzogen worden, sodass der aufgeblähten Geldmenge nicht genug Waren gegenüberstanden; es herrschte eine gedeckte Inflation. Nach Kriegsende verschlechterte sich die Versorgungslage dramatisch, es entstand ein umfangreicher Schwarzmarkt. Preise von 200 Reichsmark für ein Pfund Butter – was in etwa einem Monatsgehalt einer Verkäuferin entsprach – zeigten den dramatischen Wertverfall der Währung. Das deutsche Volksvermögen halbierte sich grob geschätzt noch einmal. Es erwies sich allerdings als ein Glücksfall für die Deutschen, dass unter den westlichen Besatzungsmächten nicht die Briten, die unter einer neugewählten linken Regierung auch im eigenen Land etliche Wirtschaftszweige sozialisierten, oder die protektionistischen Franzosen den Ton angaben, sondern die marktwirtschaftlich orientierten Amerikaner. Die Wirtschaftsverwaltung der Trizone wurde unter die Leitung des bis dahin weithin unbekannten Ludwig Erhard gestellt, der nach der von der US-Besatzungsmacht vorbereiteten Währungsreform am 20. Juni 1948 unabgesprochen die meisten Konsumentenpreise freigab. Mit drastischen Folgen: Im Gedächtnis geblieben sind die schlagartig gefüllten Schaufenster, als der Handel gehortete Waren in den Verkehr gab, die Zeitgenossen stöhnten allerdings vor allem über eine sprunghaft angestiegene Inflation, die jedoch auf einige Monate beschränkt blieb, sodass sie den Erfolg der Sozialen Marktwirtschaft nicht behinderte. Die zentrale wirtschaftspolitische Leistung der „alten Bundesrepublik“ bis 1990 war es, den rasanten wirtschaftspolitischen Wiederaufstieg Westdeutschlands mit einer soliden Finanzpolitik und einer stabilen Währung zu verbinden. Diese Kombination sorgte mehr als jede staatliche Verteilungspolitik dafür, dass alle Bevölkerungsschichten am wirtschaftlichen Erfolg gleichermaßen teilhatten. Unverzichtbar war dabei eine Bundesbank, die von der Politik weitgehend entkoppelt und nur der Inflationsbekämpfung verpflichtet ihre Entscheidungen traf. Dass die Deutschen, wie die Wahlergebnisse zeigten, nach NS-Diktatur und verlorenem Krieg die Demokratie vorbehaltlos akzeptierten, ist in erster Linie dieser für jeden Bürger fühlbar erfolgreichen Wirtschafts- und Finanzpolitik zu verdanken.
Mittlerweile fast vergessen, zumindest im Westen Deutschlands, ist, dass die Bevölkerung der damals neuen Bundesländer noch einen weiteren Währungsschnitt durchmachen und mit dem Verlust eines Teiles ihres Vermögens die Zeche für die verfehlte Wirtschaftspolitik des „real existierenden Sozialismus“ zahlen musste. Bei der Einführung der D-Mark zum 1. Juli 1990 wurde ein gestaffelter Umtauschkurs angewandt, bei dem abgestuft nach Lebensalter Geldbeträge bis 6.000 DDR-Mark eins zu eins, der Großteil der Beträge aber zum Kurs von eins zu zwei umgestellt wurden. Löhne, Preise und Mieten wurden wie 1948 eins zu eins angepasst. Da in der Folge umfangreiche Transferleistungen in die neuen Bundesländer flossen, die privaten Geldvermögen in der DDR – im Verhältnis zur „alten Bundesrepublik“ – nicht groß waren und außerdem in der Bevölkerung ein klares Verständnis für das Versagen der SED-Wirtschaftspolitik vorhanden war, führte dies nicht zu einem grundlegenden Vertrauensverlust in die Demokratie.
„Quantitative Easing“ im Gefolge der Finanzkrise
Die Einführung des Euro als neuer Währung 2002 (als Buchgeld bereits 1999) war nicht mit einem Währungsschnitt verbunden. Allerdings hatte die blauäugige deutsche Verhandlungsführung bei der Planung der Struktur der neuen Europäischen Zentralbank de facto zur Entmachtung der Bundesbank geführt, da im EZB-Rat selbst ein Staat wie Malta mit weniger als einer Million Einwohner fast das gleiche Gewicht wie Deutschland hat. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass die Stimmenverhältnisse in der Europäischen Zentralbank zu einer wesentlich größeren Nähe zur Politik führen und sich die Bank in ihrer Geldpolitik nicht der eigentlich vorgesehenen Inflationsbekämpfung, sondern eher der Konjunkturförderung verpflichtet fühlt. Der Euro ist heute nicht mehr, wie eigentlich geplant, eine europäische D-Mark, sondern sehr viel eher ein europäisierter Franc oder eine Lira mit den entsprechenden Konsequenzen bei der Inflationsrate.
Als 2008/09 die Finanzmärkte nicht mehr bereit waren, die überbordenden Staatsschulden der südeuropäischen Staaten zu finanzieren, stellte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel durchaus zutreffend fest, dass ein Scheitern des Euro auch ein Scheitern der Europäischen Union (EU) bedeuten würde. In der Folge hatte der damalige EZB-Chef Mario Draghi auch die deutsche Rückendeckung für ein Ankaufprogramm europäischer Staatsanleihen, das die Zinsen im Euroraum drastisch drückte. Dies war – wenn auch nicht de jure, aber de facto – der Einstieg in die monetäre Staatsfinanzierung im Euroraum.
Schon in der Coronakrise traf die durch dieses quantitative easing aufgeschwemmte Geldmenge im Euroraum auf ein durch den Produktionsrückgang im Lockdown vermindertes Warenangebot. Der von Russland 2022 begonnene Angriffskrieg gegen die Ukraine führte dann zu massiven Produktionsausfällen im Agrarbereich und durch die westlichen Sanktionen zu einer Verknappung der auf dem Weltmarkt verfügbaren fossilen Brennstoffe. All dies ließ die Inflation im Euroraum auf annähernd zehn Prozent steigen, da eine notwendige EZB-Zinserhöhung aus Rücksicht auf die schlechte Konjunktur lange unterblieb. Die Konsequenz dieser verschleppten Inflationsbekämpfung war eine deutliche Reduktion der verfügbaren Einkommen und eine fühlbare Radikalisierung der Wählerschaft in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten.
Ausweitung der Staatsverschuldung
In der gegenwärtigen Situation muss die Bundesrepublik ebenso wie die übrigen EU-Mitgliedstaaten etliche neue Aufgaben wie die Erhöhung der Rüstungsausgaben finanzieren, denen strukturell nicht genug Einnahmen im Etat gegenüberstehen. Da in fast allen Staaten der Europäischen Union extremistische Parteien mittlerweile gefährlich stark geworden sind, sind Steuererhöhungen oder harte Ausgabenkürzungen innenpolitisch kaum durchzusetzen. Deshalb spricht viel für eine weitere Aufblähung der Geldmenge durch eine Ausweitung der Staatsverschuldung und vermutlich eine Neuauflage der Ankaufprogramme für Staatsschulden durch die Europäische Zentralbank. In dem schon jetzt inflationären Umfeld wird dies zu einer dauerhaft hohen Geldentwertung und einer entsprechenden Erosion der Privatvermögen in der Eurozone und insbesondere in Deutschland führen, wo traditionell ein sehr hoher Anteil der privaten Vermögen aus Geldvermögen besteht. Die deutsche Bevölkerung wird somit wahrscheinlich im nächsten Jahrzehnt deutlich ärmer werden, und die innenpolitischen Folgen werden, nach den Erfahrungen der deutschen Geschichte zu urteilen, kaum positiv sein.
Wolfgang Tischner, geboren 1967 in Berlin, promovierter Historiker, Abteilungsleiter Publikationen/Bibliothek, Wissenschaftliche Dienste /Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung.