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Reaktionen in der arabischen Welt

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Der Nahe Osten und Nordafrika befinden sich seit den barbarischen Massakern der Terrororganisation Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 und den darauf folgenden Kriegen erneut in einer tiefen Krise. Über 1.200 Menschen wurden an jenem Tag in Israel ermordet, über 250 in die Tunnel der Hamas im Gazastreifen verschleppt. Der 7. Oktober 2023 wird als Zäsur in die jüngste Geschichte der Region eingehen. Niemals seit der Shoa wurden an einem einzigen Tag so viele Jüdinnen und Juden ermordet – und das in dem Land, das als Gründungsversprechen den Schutz jüdischen Lebens verkörpert.

Die Taten der Hamas lösten Kriege im Gazastreifen und gegen die Terrororganisation Hisbollah im Libanon aus. Seither sind im Gazastreifen und im Libanon Zehntausende Tote und Millionen von Flüchtlingen zu beklagen. Israelis und Araber befinden sich in einem anhaltenden Trauma. Der Nahe Osten blickte auch aus diesem Grund gespannt auf die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten von Amerika. In den Reaktionen auf die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten ist er gespalten.

Bereits während der Wahlkampagne Trumps wurde deutlich, welche Prioritäten der neue Präsident in seiner Nahostpolitik verfolgen würde. Wiederkehrendes Thema waren die Rolle Irans im Nahen Osten und die Frage, wie der iranische Einfluss bei Finanzierung und Unterstützung terroristischer Organisationen in der Region zurückgedrängt werden könnte. Iran gilt seit der Islamischen Revolution 1979 als wesentlicher ideologischer und finanzieller Unterstützer der Feinde Israels und baute in der Vergangenheit neben der Hisbollah im Libanon ein breites Netzwerk schiitischer Terrororganisationen auf, die die Auslöschung Israels zum Ziel haben.

Dazu zählen neben schiitischen Milizen in Syrien und im Irak auch die Huthi-Milizen im Jemen und Gruppierungen wie die Hamas. Im Wahlkampf behauptete Trump mehrfach, dass die erstmaligen direkten Angriffe Irans auf Israel im April und Oktober 2024 mit ihm als Präsidenten nicht stattgefunden hätten.

 

„Frieden durch Stärke“

Trump ist gegen die nukleare Bewaffnung Irans und plädiert für eine Politik des maximalen Drucks auf das Land. Seine Devise in der Nahostpolitik scheint genau wie in seiner ersten Amtszeit „Frieden durch Stärke“ zu lauten. Stärke wiederum wird in der arabischen Welt hoch geachtet, und die Machthaber der Region lassen sich von einem selbstbewussten und kraftvollen Auftreten durchaus beeindrucken.

Auch im Hinblick auf das zweite dominierende Thema seiner Nahostpolitik, den israelisch-palästinensischen Konflikt, scheint Trump auf Stärke zu setzen. Trump verdeutlichte frühzeitig, dass Israel den Krieg gegen die Hamas gewinnen müsse, und ließ seit dem 7. Oktober 2023 auch keinen Zweifel an seiner Unterstützung für Israel. In Anbetracht dieser Positionierungen Trumps während des US-Präsidentschaftswahlkampfs und eingedenk der Entscheidung seiner Administration während seiner ersten Präsidentschaft, die Abraham-Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Marokko, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain mit Israel zu initiieren, sind in der Region durchaus positive Erwartungen mit der kommenden Amtszeit Trumps verbunden.

 

Besorgnis im Westjordanland

Die Reaktionen in der arabischen Welt reichen insgesamt allerdings von großer Sorge über eine weitere Eskalation mit Iran bis hin zu der Hoffnung, dass mit dem auf „Deals“ ausgerichteten Unternehmer im Weißen Haus auch in der Nahostpolitik Abkommen zu besiegeln sein könnten, die zu einem dauerhaften Frieden in der krisengeschüttelten Region beitragen. Die größten Erwartungen sind auf ein Ende der Kriege und eine Perspektive für einen palästinensischen Staat gerichtet.

In den Palästinensischen Gebieten und im Libanon, den vom Krieg gezeichneten Nachbarregionen Israels, ist man vom Wahlausgang für Trump wenig überrascht. Im Westjordanland herrscht Besorgnis und Ungewissheit darüber, wie sich Trump zur Siedlungspolitik und zu den Plänen ultrarechter israelischer Politiker stellen wird, die offen von einer Annexion der Westbank sprechen. Auch ein Ende der Zwei-Staaten-Lösung wird befürchtet, zumal Trump sehr gute Beziehungen zum israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu unterhält. Im Gazastreifen hingegen verbinden viele Menschen mit Trumps Wahl die Hoffnung, dass ein baldiges Kriegsende durch einen „Deal“ erwirkt werden könnte. Sie wollen vor allem ein Ende von Leid und Zerstörung.

Im Libanon wird erwartungsvoll in die USA geblickt, zumal dort eine starke libanesische Diaspora lebt. Die Hoffnungen konzentrieren sich darauf, dass der neue US-Präsident mehr Druck zur Entwaffnung der Hisbollah ausüben und gleichzeitig weitere Hilfen für den Wiederaufbau des Landes bereitstellen wird. In dem seit Jahren durch multiple Krisen geschwächten Land hofft man besonders auf eine Unterstützung bei der Wiederherstellung der libanesischen Souveränität, nicht zuletzt durch die Schwächung des iranischen Einflusses durch die Hisbollah.

Während die Wahl Donald Trumps in Tunesien und Libyen vergleichsweise desinteressiert zur Kenntnis genommen wurde, blickt Algerien angespannt in die Zukunft. Zwar gratulierte Präsident Abdelmadjid Tebboune dem amerikanischen Wahlsieger, doch werden im Hinblick auf den Gazastreifen und die Westsahara-Frage negative Auswirkungen befürchtet. Zu gut erinnert man sich in Algerien an die amerikanische Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara 2020 im Zuge der marokkanischen Normalisierung der Beziehungen zu Israel.

Mehrheitlich positiv blickt man in den Golfstaaten, Ägypten und Marokko auf den Wahlausgang und erhofft sich dort eine weitere Verbesserung der bilateralen Beziehungen zu den USA. Ägypten ist traditionell ein enger US-Verbündeter in der Region, vor allem mit Blick auf Wirtschafts- und Militärkooperationen. Auf der Sinai-Halbinsel sind die USA zudem ein wichtiger Partner bei der Terrorismusbekämpfung. In Marokko gilt Trump seit der ersten Amtszeit als enger Freund, und man verspricht sich ebenso wie in den Golfstaaten eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Am Golf sind verschiedene Erwartungshaltungen erkennbar: Während die Vereinigten Arabischen Emirate, die seit 2020 Teil der von Trump vermittelten Abraham-Abkommen sind, auf neue Impulse bei der Wirtschaftskooperation setzen, legen Katar und Saudi-Arabien vor allem Wert auf Sicherheit und Stabilität als gemeinsame Ziele mit den USA in der Region.

Jordanien erachtet die USA zwar als wichtigsten Verbündeten, blickt jedoch mit Ernüchterung auf die erste Amtszeit Trumps zurück, in der das Land praktisch keine Rolle spielte. Das eine große palästinensische Bevölkerungsgruppe aufweisende Jordanien ist um regionale und nationale Stabilität bemüht und unterstreicht daher die strategische Partnerschaft mit den USA.

Während die arabische Welt also mit gemischten Erwartungen auf die erneute Trump-Präsidentschaft blickt, dürfte die US-Politik gegenüber den beiden nicht-arabischen Staaten der Region, Israel und Iran, mehr als alles andere das Bild der USA im Nahen Osten prägen.

 

Thomas Volk, geboren 1986 in Waldkirch, promovierter Nahostwissenschaftler, Altstipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, Leiter der Abteilung Naher Osten und Nordafrika, Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung.