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Angst ist ein schlechter Ratgeber – dennoch müssen politische Entscheiderinnen und Entscheider die Sorgen und Ängste ihrer Wählerschaften adressieren. Bis zum Jahr 2024 galt für die Bedrohungsgefühle der Deutschen eine feste Regel: Der weltweite Klimawandel löste die größten Ängste aus. Zuletzt überwiegen jedoch andere Sorgen: So zeigt eine neue Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung,1 dass zurzeit die größte Angst der Deutschen vor den Spannungen zwischen Europa und Russland besteht. Auf Platz zwei und drei stehen die Sorge vor Fremdenfeindlichkeit und die vor einer Machtbeteiligung der AfD. Dann „erst“ folgt die Angst vor dem Klimawandel, wenngleich das Ausmaß dieser Sorge weiterhin ein hohes Niveau erreicht.
Bedrohungsgefühle sind ein feiner Sensor für gesellschaftliche Stimmungen. Offensichtlich wird das Problemfeld Klimawandel durch aktuelle außenpolitische Krisen und politische Unzufriedenheit überlagert. Seit rund einem Jahr wird das Thema „Klima/Energie“ als wichtigstes politisches Thema abgelöst.2 Zwar ist es nach wie vor präsent, wird aber von den Bürgern ambivalent betrachtet. So erfährt die Aussage „Im Moment gibt es Wichtigeres als den Klimawandel“ weder eine mehrheitliche Zustimmung noch Ablehnung: 40 Prozent der Befragten stimmen [eher] zu, 31 Prozent lehnen [eher] ab. Die Sorge vor dem Klimawandel zählt jedoch weiterhin zu den größeren Ängsten der Bürger und gerät durch sich häufende Naturkatastrophen in Deutschland immer wieder in den Fokus.
Im DeutschlandTrend vom Februar 2024 stimmten 60 Prozent der Befragten der Aussage zu „Ich mache mir Sorgen, dass der Klimawandel unsere Lebensgrundlagen zerstört.“3 Insgesamt zeigen die demoskopischen Erhebungen zur Angst vor dem weltweiten Klimawandel, dass dieser einerseits seit Jahren (große) Sorgen hervorruft, andererseits aufgrund aktueller sozialer und gesellschaftlicher Herausforderungen aber leicht in den Hintergrund getreten ist.
Blickt man beim Thema Klimawandel auf die Wählerschaften, zeigt sich das Bild einer in Teilen polarisierten Gesellschaft. Während 94 Prozent der Grünen-Wählerschaft Angst vor dem weltweiten Klimawandel durch die globale Erwärmung haben, sind es bei der AfD-Anhängerschaft nur 22 Prozent. Der Kontrast zwischen diesen beiden Gruppen setzt sich bei nahezu allen Fragestellungen fort und hat im Zeitverlauf zugenommen.4 Auch die Sorgen im Zusammenhang mit Zuwanderung und Fremdenfeindlichkeit haben zugenommen (siehe Grafik 1): 36 Prozent der Befragten in Deutschland haben 2024 Angst vor Zuwanderung, 63 Prozent vor Fremdenfeindlichkeit.
Grafik 1: Angst vor Zuwanderung und Fremdenfeindlichkeit im Zeitverlauf Frage: „Geben Sie bitte nun zu den folgenden Dingen an, ob Ihnen diese sehr große, große, nicht so große oder keine Angst machen.“
Hier: sehr große / große Angst
Eigene Darstellung. Quelle: Umfragen 1027, 1032, 1035 und 1052 der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. 2021, 2021/2022, 2022/2023, 2024. Die Angst davor, dass die AfD das Sagen in Deutschland bekommt, wurde nur in den Umfragen 1032 (2021/2022) und 1052 (2024) (siehe Grafik 2) erhoben.
Erwartbar wäre, dass es sich bei den Menschen mit Sorge vor Zuwanderung auf der einen und Sorge vor Fremdenfeindlichkeit auf der anderen Seite um unterschiedliche Gruppen handeln würde. Die Anteile von rund einem Drittel (Angst vor Zuwanderung) einerseits und zwei Dritteln (Angst vor Fremdenfeindlichkeit) andererseits würden eine klare Trennung nahelegen. Tatsächlich ist dies jedoch nicht der Fall. Rund jede/r fünfte Befragte hat sowohl Angst vor Zuwanderung als auch vor Fremdenfeindlichkeit. Ähnlich wie beim Thema Klimawandel zeigt sich hier eine gesellschaftliche Ambivalenz, die keinen Widerspruch darstellen muss. So schließt die Angst vor Zuwanderung nach Deutschland nicht aus, dass dieselben Personen wegen Fremdenfeindlichkeit in Deutschland besorgt sind.
Innerhalb dieser Gruppe, die sich wegen beider Problembereiche Sorgen macht, sind Angstgefühle generell etwas ausgeprägter als im Durchschnitt; so zum Beispiel auch die Angst vor einem Rechtsruck in Deutschland (75 Prozent, Gesamtdurchschnitt: 61 Prozent). Die Wahlabsicht der besagten Gruppe mit Angst vor Fremdenfeindlichkeit und Zuwanderung ist bunt gemischt: Union (27 Prozent), Unentschlossene (17 Prozent), AfD (15 Prozent), Nichtwähler (12 Prozent), SPD (10 Prozent), Grüne und BSW (je 5 Prozent), FDP und Linke (je 2 Prozent). Überdurchschnittlich sind die potenziellen Wähler der Union vertreten (+6 Prozentpunkte), während die Bürger, die die Grünen zu wählen beabsichtigen, hier unterdurchschnittliche Anteile aufweisen (−11 Prozentpunkte).
Neben der Sorge vor Fremdenfeindlichkeit und einem Rechtsruck der Gesellschaft fällt auch die Angst vor einer Machtbeteiligung der AfD hoch aus (61 Prozent, siehe Grafik 1). Noch höher fällt sie allerdings in (fast) allen Parteianhängerschaften aus und hat dort stark zugenommen (etwa in der Unions-Wählerschaft um 20 Prozentpunkte). Lediglich die AfD-Anhängerschaft macht sich – wenig überraschend – keine Sorgen, dass die AfD in Deutschland das Sagen bekommt (3 Prozent haben Angst, siehe Grafik 2).
Grafik 2: Angst, dass die AfD in Deutschland das Sagen bekommt, nach Parteianhängerschaft
Frage: „Geben Sie bitte nun zu den folgenden Dingen an, ob Ihnen diese sehr große, große, nicht so große oder keine Angst machen: dass die AfD in Deutschland das Sagen bekommt.“
Hier: sehr große / große Angst
Eigene Darstellung, Quelle: Umfragen 1032 und 1052 der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. 2021/2022, 2024.
Und die Wählerschaft des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW)? Anders als in allen anderen Parteianhängerschaften fürchtet sich hier nur jede/r Zweite vor einer AfD in der Exekutive. Auch sonst hat die BSW-Anhängerschaft wenig bis gar nichts mit der Wählerschaft der
Ex-Partei ihrer Vorsitzenden gemeinsam: Im Gegenteil, die Anhängerschaft des BSW sortiert sich bei Bedrohungsgefühlen – ganz gleich, ob Zuwanderung, Klimawandel oder Wirtschaftskrise – stringent zwischen Unions- und AfD-Wählerschaft ein.
Bedrohungsgefühle verraten keine Parteipositionen, bilden jedoch Veränderungsprozesse in der Wählerschaft ab. Konkret belegen sie aktuell die spürbaren Polarisierungstendenzen. Dabei stehen Politik und Gesellschaft vor der Herausforderung, nicht weiter in die Polarisierungsfalle zu tappen. Die beschriebenen Ambivalenzen innerhalb der Sorgen und Ängste zeigen, dass es vielfältige Zwischentöne gibt. Diese gilt es bei der Suche nach den richtigen Lösungen eher zu berücksichtigen als die Enden der Skala.
Dominik Hirndorf, Referent Wahl- und Sozialforschung, Hauptabteilung Analyse und Beratung, Konrad-Adenauer-Stiftung.
Weitere detaillierte Befunde lesen Sie in der gesamten Studie „Wovor sich die Deutschen fürchten … Ergebnisse aus repräsentativen Umfragen zu Bedrohungsgefühlen in der deutschen Bevölkerung“, www.kas.de/de/monitor-wahl-und-sozialforschung/detail/-/content/sorgen-und-aengste-der-waehlerschaft-ergebnisse-aus-repraesentativen-umfragen [letzter Zugriff: 16.10.2024].
1 Konrad-Adenauer-Stiftung: Wovor sich die Deutschen fürchten … Ergebnisse aus repräsentativen Umfragen zu Bedrohungsgefühlen in der deutschen Bevölkerung. Monitor Wahl- und Sozialforschung, Berlin 2024, www.kas.de/de/monitor-wahl-und-sozialforschung/detail/-/content/sorgen-und-aengste-der-waehlerschaft-ergebnisse-aus-repraesentativen-umfragen [letzter Zugriff: 16.10.2024].
2 Forschungsgruppe Wahlen: Politbarometer. Politik II – Langzeitentwicklung wichtiger Trends zu politischen Themen, Mannheim 2024, www.forschungsgruppe.de/Umfragen/Politbarometer/Langzeitentwicklung_-_Themen_im_Ueberblick/Politik_II/#Probl1 [letzter Zugriff: 16.10.2024].
3 Infratest dimap: ARD-DeutschlandTREND Februar 2024. Repräsentative Studie im Auftrag der ARD, www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/ard-deutschlandtrend/2024/februar [letzter Zugriff: 16.10.2024].
4 Vgl. weiterführend Jochen Roose: Politische Polarisierung in Deutschland. Repräsentative Studie zu Zusammenhalt in der Gesellschaft, Forum Empirische Sozialforschung, Berlin 2021, www.kas.de/de/einzeltitel/-/content/politische-polarisierung-in-deutschland [letzter Zugriff: 16.10.2024].