Erst in den letzten Jahren, in denen der Klimawandel deutlich spürbarer wurde, ist die breite Öffentlichkeit auf das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), den sogenannten Weltklimarat, aufmerksam geworden. Dabei ist das IPCC als Einrichtung der Vereinten Nationen bereits seit seiner Gründung Ende der 1980erJahre eine Institution von besonderer Bedeutung für die gesamte Debatte zum Umwelt und Klimaschutz. Im Weltklimarat kommen Fachleute aus der ganzen Welt zusammen, um über alle Grenzen hinweg – ob nun sprachlich, kulturell oder politisch – den aktuellen Stand der Klimaforschung zusammenzutragen und zu bewerten.
Die Auswirkungen des Klimawandels in der Landwirtschaft sind schon lange vor den Schlagzeilen rund um die Fridays for Future-Demonstrationen spürbar geworden. Bereits seit Jahren hat sich der Bayerische Bauernverband mit den anderen deutschen Landesbauernverbänden zusammengeschlossen und eine eigene Klimastrategie erarbeitet. Am Anfang stand eine sachliche Aufarbeitung im Mittelpunkt. Wir bemerkten jedoch schnell, dass die Landwirtschaft nicht nur die Folgen betrachten, sondern auch einen Weg zur Bekämpfung der Erderwärmung und zur Anpassung an den Klimawandel finden muss. Vor diesem Hintergrund machten wir uns an die Erarbeitung der Klimastrategie 2.0 des Deutschen Bauernverbandes, die Anfang 2018 veröffentlicht wurde. Sie gibt nicht nur einen Überblick über die Folgen des Klimawandels für die deutsche Landwirtschaft, sondern zeigt darüber hinaus auf, was in der Landwirtschaft beim Klimaschutz erreicht werden konnte und welche weiteren Handlungsmöglichkeiten für den Kampf gegen den Klimawandel bestehen. Dies geschah in dem Bewusstsein, dass die deutsche Landwirtschaft nicht nur von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Klimaschutzfragen leisten muss.
Schwerwiegende Zielkonflikte
Eine grundlegende Regel besteht darin, dass jeder Einzelne zum Handeln aufgerufen ist und im Klimaschutz nachhaltige Wirkungen nur dann erzielt werden können, wenn global gehandelt wird und jede Person und jeder Sektor im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Beitrag leistet. Insofern sind die IPCC-Berichte ein gut geeignetes Werkzeug, um Potenziale aufzuzeigen und einen Dialog auf internationaler Ebene anzustoßen. Deshalb gibt es kein Deuteln: Die IPCC-Berichte haben eine überaus wichtige Funktion für die künftige Klimapolitik auf der Welt.
Im August 2019 wurde der IPCC-Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme (Special Report on Climate Change and Land, SRCCL) veröffentlicht. Ihm zufolge beträgt der Anteil der Land und Forstwirtschaft an den Treibhausgasemissionen – inklusive Emissionen aus der Landnutzung sowie Landnutzungsänderungen – weltweit 23 Prozent. Bei den unterschiedlichen Sektoren in der Bundesrepublik, wie Energiewirtschaft, Verkehr und Wohnen, sind es zwölf Prozent der weltweiten Emissionen. Allein dieser Unterschied macht deutlich, dass nicht alle Aussagen und Schlussfolgerungen eins zu eins auf einzelne Länder und Regionen übertragen werden können, sondern immer im Kontext zu sehen sind – insbesondere, weil der Bericht die positiven Klimaleistungen der genannten Sektoren nicht berücksichtigt. Schließlich wird durch die Landnutzung und das Pflanzenwachstum weltweit genauso viel CO2 gebunden, wie später wieder emittiert wird.
Zu Recht verweist der Bericht darauf, dass viele Klimaschutzmaßnahmen mit positiven Wirkungen auf andere gesellschaftliche Bereiche verbunden sind, wodurch WinwinSituationen entstehen. Dagegen übergeht der Bericht, dass Klimaschutz auch erhebliche Einschnitte nach sich zieht und schwerwiegende Zielkonflikte entstehen. Eine sinnvolle Beurteilung von Maßnahmen setzt daher voraus, dass ihre Auswirkungen in einem Spektrum von drei gleichberechtigten Kriterien betrachtet werden. So müssen Maßnahmen zum Klimaschutz – zusätzlich zu den ökologischen Aspekten – ökonomisch darstellbar und sozial verträglich sein. Denn was nutzt die beste Idee zur Reduzierung der Treibhausgase, wenn sie in der Gesellschaft weder akzeptiert wird noch leistbar ist?
Im Detail befasst sich der Bericht mit Treibhausgasemissionen in landbasierten Ökosystemen, der Landnutzung und der nachhaltigen Landbewirtschaftung vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Frage, wie sie eingedämmt werden können. Wie kann die Bildung von Wüsten verhindert, die Bodenfruchtbarkeit erhalten und die Ernährung sichergestellt werden? Die grundlegenden Aussagen sind eingängig und logisch, jedoch besteht die Schwierigkeit darin, die Aussagen auf die regionalen Verhältnisse eines einzelnen Landes oder einer Region zu übertragen.
Weil der Bericht auf internationaler Ebene entstanden ist, ist es not wendig, die Grundaussagen sowie die enthaltenen Szenarien und Modelle auf jede einzelne Region anzuwenden und zu überprüfen. Die Handlungsfelder, die sich für die Land und Forstwirtschaft ergeben, sind in dem Bericht klar beschrieben und grundsätzlich richtig – zumindest, wenn man sie lediglich durch die globale Brille betrachtet. Beim Wechsel von der globalen zur regionalen oder lokalen Betrachtung stellt sich die Angelegenheit ungleich schwieriger dar.
So können mit Sicherheit in vielen Teilen der Welt durch eine nachhaltige Intensivierung in der Pflanzenproduktion – das heißt höhere Erträge in Verbindung mit einer deutlich gesteigerten Nährstoffeffizienz – positive Effekte für den Klimaschutz und die Ernährungssicherheit erzielt werden. Die Auswirkungen in Deutschland sind jedoch weit geringer einzuschätzen, da man sich bereits auf einem deutlich höheren Ausgangsniveau befindet. Gleichzeitig ist die Bedeutung des Bodens als Kohlenstoffsenke durch Humusanreicherung weltweit von großer Bedeutung.
Gefahr für die Böden
Ein weiteres Beispiel für die unterschiedlichen regionalen Voraussetzungen ist das Thema Trockenheit: Während in Deutschland auf absehbare Zeit keinerlei Wüstenbildung droht, ist der Verlust von Bodenfruchtbarkeit durchaus ein Thema. Die größte Gefahr stellen laut IPCC Extremwetterlagen und -ereignisse dar. So erhöhen Dürre und Trockenheit auch in Deutschland die Gefahr von Wind und Wassererosionen. Der Klimawandel kann also zum Verlust von fruchtbaren Böden führen.
Andere Aussagen belegen noch deutlicher, dass eine Eins-zu-eins-Übertragung verschiedener Aussagen auf deutsche Verhältnisse nicht möglich ist. Beispielsweise ist die Grundaussage, dass sich eine verbesserte Gesundheitspolitik positiv auf die Ernährungssicherung auswirkt, allgemein richtig; in Deutschland stellt sie jedoch keinen Handlungsansatz dar, weil ein Gesundheitssystem auf höchstem Niveau vorhanden ist.
Kontrovers wird man in Deutschland diskutieren müssen, wie Zielkonflikte beim Klima und Umweltschutz aufgelöst werden können. So zeigt das IPCC verschiedene Wege auf, wie die Landnutzung von morgen aussehen sollte. Auffällig dabei ist, dass der Anteil von naturbelassenen Flächen oder Biotopen in keinem Szenario steigt. In den meisten Szenarien geht ihr Anteil sogar zurück. Das jedoch widerspricht den derzeitigen Forderungen vieler Umweltverbände zur Landnutzung.
„Schützen durch nützen“
Der IPCC-Bericht zeigt ferner auf, dass stillgelegte landwirtschaftliche Flächen und ungenutzte Wälder sich keineswegs zum Vorteil des Klimaschutzes auswirken. Der Bayerische Bauernverband steht seit jeher für den Grundsatz „Schützen durch Nützen“ und spricht sich für eine nachhaltige Waldnutzung aus.
Weiterhin fordert der Bericht eine radikale Umsteuerung bei der Bewirtschaftung von Landflächen. Hier steckt der Teufel im Detail – und zwar, was die Bezugsebene anbetrifft. Verschiedene Studien bescheinigen der deutschen Land- und Forstwirtschaft, dass ihre Wirtschaftsweise bereits heute zu den nachhaltigsten weltweit gehört. Ein radikaler Umbau der Landnutzung in Deutschland hätte deshalb womöglich sogar negative Folgen; zumindest zeichnet diese Forderung aus dem IPCC-Bericht ein falsches Bild der Landbewirtschaftung in Deutschland.
Die Erkenntnisse des Weltklimarates müssen deshalb immer auf regionaler Ebene und mit regionalem Bezug bewertet und entsprechend angepasst werden. Diese Herangehensweise fordern wir als Verband beim Umwelt und Naturschutz bereits seit Jahren ein: Maßnahmen müssen auf Grundlage von vorhandenem Wissen und vorhandenen Erkenntnissen – und da ist der IPCC-Bericht eine wichtige und wertvolle Quelle – regional angepasst und weiter entwickelt werden, damit eine möglichst große Wirkung erzielt werden kann.
Stefan Köhler, geboren 1967 in Aschaffenburg, Vorsitzender des Landesfachausschusses für Umweltfragen, Bayerischer Bauernverband, München.