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Gott und der Welt in Offenheit verbunden

In memoriam Karl Kardinal Lehmann

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Kardinal Lehmann kannte nahezu jeder. Rastlos war er im Land unterwegs, wurde eingeladen, hat referiert, gesprochen, vorgetragen, argumentiert. Er war ein Meister der Kommunikation, des Gesprächs, der Begegnung. Viele erinnern sich an sein erfrischendes Lachen, an sein phänomenales Personengedächtnis, an Gespräche mit einem stets offenen und zugewandten Partner, an einen wichtigen Ratgeber.

Als junger Theologieprofessor wurde Karl Lehmann 1971 Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Erst mit seiner Berufung zum Bischof von Mainz 1983 endete diese Mitgliedschaft. Aus den revolutionären Aufbrüchen des Essener Katholikentags 1968 heraus war er für das ZdK an der „Würzburger Synode“ beteiligt, wo die Beschlüsse des Konzils auf die deutsche Situation angewandt wurden. Auch nach seinem Ausscheiden blieb die Verbindung eng. Vierzig Jahre lang war Lehmann, zunächst auf ZdK-Seite, dann als Bischof und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Mitglied der „Gemeinsamen Konferenz“ von Bischofskonferenz und Zentralkomitee. Seit 1978 hat er auf allen Katholikentagen, Ökumenischen Kirchentagen und anderen Großveranstaltungen des ZdK mitgewirkt, zuletzt beim 100. Katholikentag 2016 in Leipzig. 1998 war Bischof Lehmann selbst Gastgeber des Jubiläumskatholikentags in Mainz, 150 Jahre nach dem ersten. Dessen damaliges Leitwort war signifikant auch für Karl Lehmann selbst. Es lautete: „Gebt Zeugnis von Eurer Hoffnung!“ Dieses Zeugnis hat Kardinal Lehmann ein Leben lang gegeben: überzeugend, einladend, dialogfähig, gewinnend auch dort, wo er unbequeme und streitbare Positionen vertrat.

Mit Karl Kardinal Lehmann verliert die katholische Kirche einen herausragenden Kirchenführer der letzten Jahrzehnte, einen beliebten und umsichtigen Bischof, einen hoch anerkannten Wissenschaftler und nicht zuletzt einen großen Menschenfreund.

Er war in seiner freundlich-fröhlichen und herzlichen Art ein authentischer Zeuge der Freude am Evangelium. Für seine Lebensleistung, mit der Lehmann wie kein anderer die Kirche und dadurch auch die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten geprägt hat, gelten ihm größter Dank und Respekt.

Karl Lehmann hat sein Leben als Priester und Wissenschaftler, als Bischof und Kardinal mit seiner ganzen Person stets als einen Dienst im biblischen Sinne verstanden. „Communio“, Leitbegriff des Zweiten Vatikanischen Konzils, das er als junger Theologe in Begleitung Karl Rahners erleben und mitgestalten konnte, wurde sein theologisches und kirchenpolitisches Programm. In diesem Geiste suchte er immer den Konsens im fairen Dialog. Wir haben ihn als einen Menschen erlebt, der mit Freude und großer Aufmerksamkeit auf Menschen zugehen konnte, der allen, denen er begegnete, mit einem tiefen, aus dem Glauben gewachsenen Respekt und einer entwaffnenden Freundlichkeit entgegentrat. Wir haben ihn aber auch als einen umfassend gebildeten Theologen und Wissenschaftler erfahren, dessen Wort mit Aufmerksamkeit und Respekt gehört wurde. Er war außerordentlich belesen, sein Bücher- und Lesehunger war legendär.

Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz hat Karl Lehmann die katholische Kirche in Deutschland durch eine Zeit großer Spannungen und Konflikte geführt. Er konnte auch unbequem sein und den Menschen ins Gewissen reden. Mit seiner Offenheit und auf Verständigung zielenden Persönlichkeit ist es ihm gelungen, im gesellschaftlichen Dialog eine starke und glaubwürdige Stimme zu sein – und ein gesuchter Gesprächspartner. Innerkirchlich hat er die deutschen Katholiken in schweren Zeiten zusammenzuhalten gesucht und auch problematische römische Entscheidungen für die Gläubigen verstehbar gemacht.

Seine Gegner in der Bischofskonferenz waren ihm theologisch nicht gewachsen. Leider kam es auch zu Blockaden und Intrigen, nicht zuletzt im Umfeld der Diffamierungen der deutschen Beratungsregelung für Frauen in Schwangerschaftskonflikten. Das Pontifikat von Papst Franziskus zeigt, dass er in vielen Fragestellungen vorausdachte. Es wird ihm eine große Freude gewesen sein, gerade in den letzten Jahren einige Früchte des Fortschritts, für den er sich jahrzehntelang eingesetzt hatte, wachsen zu sehen. Ganz sicher gehört dazu auch das Erleben der Ökumene, wie sie im Jahr des Reformationsjubiläums zum Ausdruck kam.

In seinem Dienst hat er sich nicht geschont und ging bis an die Grenze seiner physischen Kräfte. Wenn Bernhard Vogel schreibt, Kardinal Lehmann sei „die Gabe gegeben, bei längeren Vorträgen anderer einzuschlafen“, dann ist das untertrieben; die nächtliche Schreibtischarbeit forderte ihren Tribut. Lehmann hat sich über alle Maßen angestrengt, manchmal auch verausgabt.

Der Bedeutung der Person und des Lebenswerks von Kardinal Lehmann wird man nicht gerecht, wenn man den Blick ausschließlich auf sein Wirken in der Kirche reduziert. Lehmann war ein „homo politicus“, dem es darum ging, die Welt aus seinem Glauben an den Gott, der in Jesus Christus, seinem Sohn, in die Welt gekommen ist und sich den Menschen zugewandt hat, mitzugestalten. Die Anpassung theologischer und moralischer Positionen auf aktuelle Erkenntnisse der Natur- und Humanwissenschaften war für ihn eine Selbstverständlichkeit.

Wie nur wenige Vertreter der Kirche war er ein hoch angesehener Gesprächspartner in Politik und Gesellschaft. Vertreter von Gewerkschaften, Unternehmern, Universitäten und vielen anderen Institutionen und Organisationen suchten seinen Rat. Wann immer er angefragt wurde und es irgendwie möglich war: Lehmann sagte sein Kommen und einen grundlegenden Vortrag zu.

Seine Verbindungen in die Landes- und Bundespolitik hat er mit großer Sorgfalt und stets sehr persönlich gepflegt. Das galt zum Beispiel für seine enge Verbindung zu Helmut Kohl – aber weit darüber hinaus und überparteilich pflegte er vertrauensvolle Beziehungen.

Der Tod von Karl Lehmann reißt eine Lücke in die katholische Kirche und in unser Land, die wir als Auftrag verstehen sollten, sein Werk fortzusetzen. Beim Requiem für Bischof Klaus Hemmerle 1994 sagte der damalige Bischof Karl Lehmann Worte, die auch für ihn gelten sollten: „Unser entschiedenes Zeugnis wäre der größte Dank an ihn.“ Was heißt das für politisch engagierte Christen?

Das meint vor allem, seinen Glauben nicht zu verstecken, Zeugnis zu geben mit der ehrlichen Bereitschaft zum Dialog. Die wichtigsten Aufgaben stellen sich sicher im Schutz des menschlichen Lebens vom Anfang bis zum Ende. Aber auch in der sozialen Gerechtigkeit weltweit, in Familie, Bildung, Kultur, Wissenschaft und nicht zuletzt im Dialog der Religionen. Und es meint, aktiv in der Kirche mitzuarbeiten und sich nicht bequem zurückzulehnen. Das heißt „Communio“ mit einer neuen Rolle der Frau, hin zu einer synodalen Verfassung und Praxis.

Mit Karl Kardinal Lehmann verlieren wir einen wichtigen Gestalter, Brückenbauer und Wegweiser. Er hat die katholische Kirche über Deutschland hinaus in großen Veränderungsprozessen wesentlich mitgestaltet. Wir danken ihm für vertrauensvolle Verbundenheit, für Ermunterung und Zuspruch, für seinen Rat und seine offene Freundlichkeit. Wir werden nicht zuletzt beim Katholikentag in Münster an ihn in unseren Gebeten denken.

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Thomas Sternberg

Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken,

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