Südafrika: Die Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation sind in Südafrika sowohl durch positive Tendenzen als auch durch Hindernisse gekennzeichnet. Im Global Innovation Index (GII) belegte Südafrika 2019 von 129 untersuchten Ländern den 63. Platz. Zwar schnitt das Land im Vorjahr noch etwas besser ab, doch im Vergleich zu anderen Schwellenländern steht Südafrika relativ gut da und gilt der Rangliste zufolge als innovativstes Land auf dem afrikanischen Kontinent. Allerdings hat die Regierung daran nur bedingt einen Anteil. Einerseits gibt es staatliche Flaggschiffprojekte auf internationalem Spitzenniveau, wie das MeerKAT-Radioteleskop, das weltweit modernste Teleskop aus 64 Schüsseln mit je 13,5 Meter Durchmesser in der Halbwüste Karoo, an dem sich auch die deutsche Forschung beteiligt. Andererseits kämpft die südafrikanische Forschungslandschaft mit knappen Mitteln, Bürokratie und der Abwanderung von qualifiziertem Personal. Um Kräfte zu bündeln, hat Präsident Cyril Ramaphosa, der das Land mit seiner Reformpolitik für ausländische Investoren attraktiver machen will, das Ministerium für Wissenschaft und Innovation aufgelöst und mit anderen Ressorts im neu gegründeten Ministerium für Höhere Bildung, Wissenschaft und Technologie zusammengelegt. Dieser drinend gebotene Schritt soll nicht nur die Effizienz im Ministerium steigern, sondern auch für eine bessere Abstimmung zwischen den verschiedenen Bereichen Ausbildung, Forschungsförderung und Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor sorgen. Besonders letzterer bleibt treibende Kraft für Innovationen in Südafrika.
In vielen Bereichen drängen private Unternehmen mit innovativen Ideen auf den Markt. „Wer es in Afrika schafft, schafft es überall“, sagt Start-up-Investor Stafford Masie, der einst Google in Afrika etablierte, für eine Großbank eine weltweit erfolgreiche Zahlungsmethode ent wickelte und nun für das global erfolgreiche Unternehmen WeWork ein Netz von „Co-Working Spaces“ auf dem Kontinent aufbaut.
Die Rahmenbedingungen in Afrika – inklusive Südafrika – bleiben jedoch unter dem Strich mangelhaft. Es fehlt an Risikokapitalgebern, staatlicher Unterstützung, qualifizierten Mitarbeitern und einer soliden Infrastruktur. Doch wer sich davon nicht abschrecken lässt und Ausdauer zeigt, kann erfolgreich sein. Viele Innovationen werden in Südafrika erst durch Not und Mangel auf den Weg gebracht: So sind elektronische Zahlungsmethoden aufgrund der hohen Straßenkriminalität beliebter als Barzahlungen. Für Menschen mit chronischen Krankheiten wurden in Südafrika „Medikamentenautomaten“ erfunden, damit die Patienten nicht die weiten und kostspieligen Wege zu Apotheken und Krankenhäusern zurücklegen müssen.
Auch die Dürre in Kapstadt, über die international ausgiebig berichtet wurde, brachte viele findige Unternehmer auf die Idee, neue erfolgreiche Methoden zu entwickeln, um Wasser zu sparen. Technische Neuerungen und digitale Lösungen werden in der Regel bereitwillig angenommen. Während Deutschland mit Uber und Airbnb hadert, werden beide Anbieter von den Konsumenten in Afrika sehr positiv wahrgenommen. Auch die Analyse menschlichen Konsumverhaltens ist in Südafrika weit vorangeschritten. Beispielsweise werden bei Pilotprojekten Kunden im Einzelhandel unbemerkt nach Merkmalen wie Hautfarbe, Alter, Geschlecht oder emotionalem Ausdruck erfasst und die Daten im Zusammenhang mit dem Produkt verarbeitet – ein laxer Datenschutz macht dies möglich. Neben diesen Speerspitzen innovativer digitaler Entwicklung gibt es auch das andere, von Armut geprägte Südafrika. Vor allem die Bewohner auf dem Land können mit der Entwicklung in den Städten nicht mithalten. Eine unzureichende Grundversorgung und ein katastrophales öffentliches Bildungssystem führen dazu, dass ein Großteil des Landes abgehängt bleibt.
Das von der Dauerregierungspartei, dem African National Congress (ANC), seit jeher verfolgte Wirtschaftsmodell, das große Staatsunternehmen in Kernbereichen der Wirtschaft vorsieht, führt eher zu Korruption und Misswirtschaft, als dass es Wachstum und Fortschritt generiert. Statt in die Zukunft zu investieren, leben die maroden Betriebe von der Substanz und beschäftigen Belegschaften von enormer Größe. Die Sanierung würde zu Arbeitsplatzverlusten führen und ist daher politisch schwer durchsetzbar. Die Besitzstandskämpfe wirken sich auf die gesamte Volkswirtschaft negativ aus und lähmen Innovation und Modernisierung.
In Zeiten der wirtschaftlichen Krise sehnen sich nicht wenige Südafrikaner nach ökonomischer Sicherheit und meiden unternehmerische Risiken. Ob arm oder wohlhabend: Nicht wenige suchen nach Festanstellungen im sicheren öffentlichen Sektor oder in großen Firmen. Der Gedanke, mit kreativen und innovativen Lösungen sowohl die individuelle als auch gesellschaftliche Entwicklung voranzutreiben, bleibt diesem Teil der Bevölkerung fremd.
Henning Suhr, Auslandsbüro Südafrika der Konrad-Adenauer-Stiftung