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Wie der neue Direktor des Stadtmuseums die Berliner Geschichte erzählen will

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„Alle wollen nach Berlin. Ich auch!“, sollen Sie, Herr Spies, gesagt haben. Wieso so viel Berlinbegeisterung?

Paul Spies: Das hätte ich bis zum letzten Jahr auch nicht gedacht. Fünf Tage lang bin ich damals durch die Stadt gefahren und habe etwas gespürt, was ich nicht richtig deuten kann. Viele Leute sagen: Berlin, das ist eine Stadt von Freiheit und Toleranz. Und das Interessante daran ist, dass Amsterdam historisch diesen Ruf besitzt und wir davon im Amsterdam-Museum erzählt haben. Aber Amsterdam kam mir plötzlich klein vor, und Berlin bietet unwahrscheinlich viel Raum – auch wegen bestimmter „Geschichten“, die nicht schön sind. Jetzt gibt es in diesem Raum eine Energie und Vitalität – eine Art Selffulfilling Prophecy: Wenn alle wegen dieser Energie kommen, kommen sie alle mit Energie, und so wird es immer mehr Energie. Die Luft ist sozusagen voll davon.

 

Wie schaut man von den Niederlanden aus auf Berlin und Deutschland? Historisch gibt es doch viele Vorbehalte …

Paul Spies: Ich bin 56 Jahre alt und habe „Deutschlandhass“ noch sehr nah miterlebt. Meine Mutter war ursprünglich Österreicherin und hat ihr Leben lang Niederländisch mit deutschem Akzent gesprochen. Wenn es mal eine Auseinandersetzung gab, wurde sie sofort mit „SS“ oder „Gestapo“ beschimpft. Ich kenne noch lebende Personen, die auf dem Weg nach Italien nicht über Hitlers Autobahnen durch Deutschland fahren wollten. 1974, als unser Team mit Johan Cruyff das Finale der Fußballweltmeisterschaft gegen Deutschland verlor, war der Hass noch einmal sehr groß. Da hat man nur noch unschöne Witze über die Deutschen gemacht. Das alles hat sich um ungefähr 180 Grad gedreht. Heute gibt es in Holland ein Buch, das der Frage nachgeht: „Warum wir die Deutschen auf einmal lieben“. Üble Deutschenwitze würde man inzwischen total altmodisch finden.

Ungefähr 1995, fünfzig Jahre nach Kriegsende, kam der Umschwung. Die Leute fingen an zu sagen: „Vielleicht müssen wir mal aufhören, dieses Deutschland immer nur mit seiner Vergangenheit zu quälen, denn die Bundesrepublik beweist, dass sie eines der verlässlichsten demokratischen Länder überhaupt ist.“ Später starben die „deutschen Prinzen“, Claus und Bernhard, denen man nachsagte, sie hätten der Hitlerjugend angehört. Damit war das Thema vorbei. Heute geht es um Máxima, die unwahrscheinlich populär ist, deren Vater aber als Regierungsmitglied während der argentinischen Militärdiktatur unerwünscht ist.

 

Sie haben betont, wie gut Sie in Berlin aufgenommen worden seien. Zuletzt kam aber Kritik: Es sei „unglaublich veramtlicht“ hier. Haben sich auch negative Erwartungen bestätigt?

Paul Spies: Ja! Ich wusste, dass vor allem Behörden total hierarchisch gegliedert sind. Ich finde aber, wenn eine Stadt offen und tolerant ist, dann gehört ein anderer Arbeitsstil dazu. Den gibt es wahrscheinlich in jüngeren Betrieben, auch in manchen Organisationen. Man spricht von „agile management“. Das heißt, es gibt eine Gliederung und Struktur, vor allem aber werden Aufgaben als Mandate vergeben. Von dem Moment an liegt die Verantwortung bei den jeweiligen Mitarbeitern, und es heißt: „See you at the opening!“, ohne dass in der Zwischenzeit immer wieder von oben kontrolliert wird.

In der Verwaltung ist es offensichtlich noch nicht so weit. Für das Märkische Museum und das benachbarte Marinehaus sind 65 Millionen Euro bewilligt, und der Bedarfsplan liegt vor. Aber wenn ich sage: „Also fangen wir nächstes Jahr an“, ist die Antwort: „Wieso nächstes Jahr? Nein, frühestens 2019!“ Bei der Bauvorbereitung geht es von Behörde zu Behörde, und alle prüfen drei Monate! Am Tag, als ich das erfuhr, wurde ich interviewt. Und wirklich, da fühlte ich mich bestätigt: Es ist hier alles sehr veramtlicht!

 

Haben Sie trotz aller Verwaltungshürden bereits ein Grundgefühl für das Verhältnis der Berlinerinnen und Berliner zu ihrer Stadt und Geschichte entwickeln können?

Paul Spies: Das ist nicht so leicht. Berlin ist eine enorm heterogene Stadt, in der die Menschen unter sehr unterschiedlichen Bedingungen leben. Das fängt damit an, dass „Ost“ und „West“ immer noch eine große Rolle spielen und sich etwa die Gehälter weiterhin danach bestimmen – was mir 25 Jahre nach der Wiedervereinigung der Stadt völlig unverständlich erscheint. Ich habe Osttarif, und mein Kollege in der Berlinischen Galerie im ehemaligen West-Berlin bekommt Westtarif. Auf dem Weg vom Flughafen Schönefeld spreche ich oft mit Taxifahrern aus dem „Osten“, und dann geht es auch immer um die DDR-Zeit. Da spürt man, wie kritisch ihre Sicht auf die heutige Situation ist. Ob es berechtigte Gründe dafür gibt, kann ich nicht beurteilen, aber es besteht das Gefühl, nicht genügend einbezogen zu sein, zu wenig Zugang zu haben. Der Eindruck ist: Alles um mich herum bewegt sich, aber nicht für mich.

Selbst wer bestimmt kein „DDR-Freund“ ist, fragt sich, wie eine solche ganze Gruppe entstehen kann. Im Stadtmuseum Berlin spüre ich es auch: West spricht über Ost, anstatt dass man Ost fragt: Wie war es denn eigentlich?

 

Welche Bedeutung hat die Geschichte für die Berliner?

Paul Spies: Geschichte ist in Berlin allgegenwärtig – das habe ich noch nirgendwo in der Welt so verspürt. In einer mexikanischen Ruinenstadt bekommt man einen Eindruck von Geschichte. Aber das ist etwas anderes. In Berlin wird man am Morgen quasi von der Geschichte „geweckt“. Man lebt damit, dass überall so viele unterschiedliche, so schwere Geschichten anwesend sind – geht etwas essen und trinken, geht schlafen, ohne ständig über Geschichte nachzudenken.

Trotzdem wird man dauernd mit ihr konfrontiert: Auf einmal wird ein Bauvorhaben gestoppt, weil wieder etwas gefunden wurde – eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg oder etwas Archäologisches aus dem Mittelalter. Dann hört für einen Moment lang alles auf – aufgrund der Geschichte!

 

Glauben Sie, dass Sie als Nicht-Deutscher einen unbefangeneren Umgang mit der belasteten Geschichte Berlins haben?

Paul Spies: Einen unbefangeneren Umgang vielleicht nicht, aber bestimmt einen anderen. Um ein Beispiel zu geben: Man hat versucht, mich vom geplanten Einheitsdenkmal, der sogenannten Wippe auf der Schlossfreiheit, zu überzeugen. Als Skulptur und an einem anderen Ort – etwa am Checkpoint Charlie oder am Bahnhof Friedrichstraße, wo es um die Teilung und den Mauerfall geht – würde ich es gar nicht schlecht finden, aber am Humboldt Forum, wo wir die ganze Welt zum Mitmachen einladen wollen, da erscheint mir die Aussage missverständlich. Also habe ich gesagt: Hören Sie mal, ich bin aus Holland. Wenn das deutsche Volk, in welcher Wortkombination auch immer, sagt: „Wir sind ein Volk“, dann kann ich das nicht unterstützen. Denn das passt nicht zum Humboldt Forum. Die Aussage mag für Deutsche sehr verständlich sein. Aber ausländische Gäste werden erschreckt fragen: Hat das nicht etwas mit Nationalismus zu tun? Ist das vielleicht sogar ein Pegida-Denkmal? Das heißt, von außen kommend ist man auch von der Geschichte belastet, aber anders belastet. Deshalb ist es so wichtig, wie und an welchen Orten man Geschichte erzählt. Wird etwas falsch erzählt, kann es sehr schnell eine peinliche Angelegenheit werden.

 

Heute ist die „Wippe“ im Bundestag „gekippt“ worden. Es wird sie so und am vorgesehenen Ort nicht geben.

Paul Spies: Macht ja nichts! Ich fand sie da wirklich nicht an der rechten Stelle.

 

Das Märkische Museum, das Stammhaus Ihrer Stiftung, geht auf eine Bürgerinitiative zurück. Was waren damals, was sind heute die Motive, die Geschichte der eigenen Stadt museal zu präsentieren?

Paul Spies: Sehr viel hat sich am Grundgedanken nicht geändert. Es geht weiterhin um Bürgerschaft – nur dass das Stadtmuseum heute kein Institut ausschließlich reicher, hoch gebildeter Bürger mehr ist. Wenn man es richtig macht, nehmen heute alle Anteil daran. Je mehr mitmachen, desto besser. Ausgehend von diesem Partizipationsgedanken heißt das, dass man die Leute mitdenken lässt, dass man Fragen an sie stellt und sie Fragen stellen. Geschichte lehrt das Nachdenken über Gesellschaft. So erzählt ein gutes Stadtmuseum Geschichte nicht, um Nostalgie zu betreiben. Sondern es geht darum, die Geschichte als Spiegel der Gegenwart zu nutzen und durch sie vielleicht sogar einen Blick in die Zukunft zu wagen. So haben wir es in Amsterdam versucht, und so werden wir es auch in Berlin versuchen.

Kürzlich haben wir eine Ausstellung über Berlin in den 1920er-Jahren gemacht: „Tanz auf dem Vulkan“ hieß sie. Eine Frage an die Besucher hätte sein können: Glauben Sie, dass jetzt wieder eine Zeit ist, in der wir auf einem Vulkan tanzen? Glauben Sie, dass eine Gesellschaft wieder „kippen“ könnte?

 

Welche Rolle spielt die Selbstvergewisserung?

Paul Spies: Sie meinen die Identitätsfrage! Ich habe nichts dagegen, wenn Menschen sagen: Ich bin so und so und meine Wurzeln sind so und so. Das ist in Ordnung, weil es um eine persönliche Identität geht. Gefährlich wird es aber, wenn man sagt: Wir als Volk sind so und so. Das geht nicht mehr, weil die Gesellschaft total heterogen ist und sie immer vielfältiger wird. Man kann nicht mehr von einer „Monokultur“ reden. Berlin allein hat Tausende Identitäten. Zwar gibt es schöne Gelegenheiten, wie etwa bei Fußballweltmeisterschaften, einmal bestimmte Dinge gemeinsam zu tun. Aber alles ist im Übrigen total unnationalistisch – bis zu dem Moment, wo das holländische Fußballteam spielt und alle sich orange kleiden.

 

Man könnte auch der Meinung sein, dass die Entwicklung in eine andere Richtung geht. Von Rekulturalisierung ist die Rede, für die es ja auch in Europa Anzeichen gibt: Schottland, Katalonien …

Paul Spies: Aber warum passiert das? Weil die Welt manchen Leuten zu groß wird und die Einflüsse, die man spürt, als so chaotisch empfunden werden, dass sie manche unangenehm berühren. Genau vor diesem Hintergrund ist Geschichte wichtig: Fragt man nämlich etwa in einem Bezirk von Amsterdam, wie es früher war, dann kommen die allerschönsten Geschichten – vor allem vom wunderbaren Zusammenhalt damals. Bohrt man aber weiter, dann kommt heraus: Wir waren arm, haben gefroren, hatten Hunger, es gab oft Streit und der Vater war aggressiv und so weiter. Vorbei ist es mit der Nostalgie!

Da gibt es so etwas wie einen Pawlow’schen Reflex, dass Menschen über alles, was auf sie zukommt, erst einmal denken: Wo bin ich und wo bleibt das Meine? Was wird aus meinen Sicherheiten gegen Armut, Hunger und Aggressivität? Wenn man aber die richtigen Verbindungslinien offenlegt, wird deutlich, dass es andere Gründe waren, die dazu geführt haben, dass wir arm und hungrig waren und unter Aggressionen zu leiden hatten.

 

Welche Berechtigung hat das Wort Heimat für Sie?

Paul Spies: Den Begriff Heimat kennen wir in Holland so nicht. „Heemkunde“ ist eine Art Denkmalschutz. Heimat ist ein nostalgischer Begriff, der bestehen darf, weil Nostalgie nichts Verbotenes ist. Schöne alte Schwarz-Weiß-Fotos anzusehen, darf einen berühren. Man kann auch mal ins Schwärmen geraten. Es hilft vielleicht, auf die Fernsehserie „Heimat“ zu verweisen. Da haben wir Holländer verstanden, dass „Heimat“ ein typisch deutscher Begriff ist, der etwas über Wurzeln, Zuhause und das Miteinander aussagt. Gemeint ist er als ein „warmes Bad“, aber wenn man die Serie weiterverfolgt, gibt es auch immer wieder Ärger und Streit und Gewalt. Heimat ist auch keine Garantie für Glück.

 

Welchen Stellenwert haben die Interessen ausländischer Gäste bei Ihren Überlegungen? Geht es darum, Gemeinsamkeiten aufzuzeigen oder das Spezifische an Berlin herauszustreichen?

Paul Spies: Das ist eine sehr gute Frage. Selbst wenn sich das nicht scharf voneinander trennen lässt, neige ich dazu, zu sagen, dass das typisch Berlinerische eher im Märkischen Museum stattfinden wird und die internationalisierte Kultur mehr im Humboldt Forum, wo die „Welt“ mit der ethnologischen und asiatischen Kunst ohnehin schon anwesend sein wird. Es ist nur logisch, die Brücke zwischen Stadt und Welt zu schlagen.

Im Märkischen Museum ist es vielleicht richtig, dieses Verlangen nach Identität und Eigenheit, über das wir eben gesprochen haben, aufzugreifen und zu thematisieren – nur bitte nicht so, dass ein Besucher aus Neukölln oder eine Flüchtlingsgruppe sich nicht wohlfühlen kann, weil sie nicht beteiligt sind. Jeder muss sich willkommen fühlen.

 

Das Stadtmuseum bekommt im ersten Stock des Humboldt Forums 4.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Können Sie bereits etwas genauer skizzieren, worum es dort gehen soll?

Paul Spies: Es geht um das Verhältnis der Welt zur Stadt und umgekehrt, also um Internationalismus. Große Städte werden überall auf der Welt wichtiger und wachsen – und das ist, vor allem im Westen, nicht wegen der Geburtenrate vor Ort der Fall, sondern wegen der Migration. Insofern werden Migranten bestimmen, wie die nächste Generation von Stadt aussehen wird. Es ist aufschlussreich, dass es diesen Internationalismus immer gegeben hat: in Berlin Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Da gab es einen Boom, und Menschen kamen von überallher. In der Weimarer Republik war man begeistert von diesem Internationalismus: Nicht New York, sondern Berlin zog die Menschen an. Jetzt ist Berlin wieder so international, wie es nur irgend denkbar ist, und es wird noch internationaler werden. Man sollte sich bewusst sein, dass man dabei selbst eine Rolle spielt: Was machen wir in der Stadt? Und fraglich hat das auch einen Effekt. Es gehört zu der Berliner Geschichte, dass die ganze Welt hat mitmachen müssen, was in Berlin losgetreten wurde: im Zweiten Weltkrieg, vielleicht schon im Ersten Weltkrieg. Im Kalten Krieg stand Berlin im Zentrum des Konflikts, der Mauerfall hatte weltweite Auswirkungen. Jetzt ist es ziemlich ruhig, aber die Leute kommen nun alle hierher und bringen eine neue Form von Internationalismus hierher: „creative industry“. Ich finde das interessant und möchte darauf unseren Fokus richten: Was waren die Aspekte des Internationalismus dieser Stadt? Was ist davon noch zu sehen, und was wirkt fort?

 

Wie ließe sich die Internationalität Berlins anhand von Objekten darstellen?

Paul Spies: Beispielsweise könnte man den Einfluss auf Hollywood zeigen. Ursprünglich war die Weltfilmproduktion fünfzig Prozent Hollywood, fünfzig Prozent Babelsberg. Bevor die Nazis Regisseure und Schauspieler vertrieben, war die Welt von Hollywood aus gesehen berlinisch.

Letztlich geht es um die Verbindung der Stadt und ihrer Bürger mit der Welt und um das Bewusstsein, dass jeder Bürger, so „klein“ er auch sein mag, etwas mitbestimmt und mitverantwortet. Insofern verstehe ich die Museumsarbeit am Humboldt Forum als eine demokratische Institution. Sie versucht, klarzumachen, dass – wie Alexander von Humboldt es in seinem Werk „Kosmos“ beschrieben hat – alles, was ich mache, Auswirkungen hat und eine Kettenreaktion auslöst: Die Welt ist rund, und alles, was ich tue, kommt in meinem Rücken wieder zu mir zurück.

Weil die Zusammenhänge in der Globalisierung immer unüberschaubarer werden und man sich wie ein sehr unbedeutender Bestandteil vorkommt, gewinnt man den Eindruck, nichts selbst zu bestimmen. Aber das ist eben nicht wahr. Und da ist die Geschichte der Stadt ein Passepartout, das davon erzählt, dass Bürgerschaft, eine städtische Gemeinschaft in der Welt etwas ausrichten kann.

 

Das ähnelt dem Konzept von Neil MacGregor, das Sie als „toll“ bezeichnet haben. In der letzten Pressekonferenz kam das wohl nicht so gut rüber?

Paul Spies: Unabhängig voneinander sind wir auf den gleichen Gedanken gekommen, und wir haben beide gedacht, warum gibt es das noch nicht. Aber Sie haben recht mit der Pressekonferenz, die eigentlich einem anderen Zweck galt. Die war vage, das war zu früh. Ich habe gedacht: Mein Gott, jetzt muss MacGregor wieder vor! Weil er doch hinter den Kulissen versucht, alle locker zu machen, und also noch nichts sagen sollte. Er hat viele gute Ideen, aber wenn er sie jetzt öffentlich macht, sind sie alle kompromittiert. „Sie haben aber mit uns nicht darüber gesprochen!“, wäre die Reaktion. Also braucht er Zeit, dann hat er auch die Sympathie und Unterstützung seiner Kollegen. Dann sollte man an die Öffentlichkeit gehen – und zwar zusammen. Die Vorstellung kann doch nicht sein: MacGregor kommt und bestimmt, was geschieht. So kann es nicht funktionieren. Er muss mit jedem Kurator reden: Was hältst du davon? Wie schaffen wir das?

Ich verteidige ihn nicht nur, weil ich an ihn glaube, sondern weil ich in einer ähnlichen Situation bin und Ideen, die andere betreffen, auch mit ihnen besprechen muss, bevor sie öffentlich werden. Als Erstes geht es jetzt um eine gemeinsame Botschaft, die verständlich macht, was der Nutzen, die Relevanz und die Strategie sein sollen. Und erst dann um die Frage, wie man das konkret mit Inhalten füllen kann.

Es wäre schön, wenn das Humboldt Forum eigentlich kein Museum wäre, sondern ein Forum im alten Sinne, wo die Leute nicht nur aus intellektuellen Gründen hinkommen, wo es angenehm ist, zu verweilen, und wo man manchmal hineingeht, um etwas Interessantes zu erfahren. Das kann Musik, Kunst, Film oder etwas anderes sein, aber es muss ein Ort sein, der eine Botschaft „atmet“, die mit Freiheit, Humanität und Weltbürgertum zu tun hat: Wir wohnen jetzt hier, bleiben oder gehen demnächst wieder woanders hin. Aber was wir tun, bestimmt das Ganze und verbindet uns. Das ist ein aktivierender Gedanke: Man muss nicht schwermütig sein, sondern ich habe hier etwas mitbestimmt. Und dabei auch ein bisschen mehr Verständnis dafür, wie wirklich wichtig es ist, dass man die Ideen darüber miteinander teilt und sich nicht immer aufregt oder politisiert – intermenschlich sozusagen, „human“. Humanität, das wäre eigentlich ein Kernbegriff für Home-World.

 

Paul Spies, geboren 1960 in Amsterdam (Niederlande), seit 2009 Direktor der Amsterdam Museum Foundation, seit 2016 Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin – Landesmuseum für Kultur und Geschichte Berlins. In dieser Funktion ist er einer der Gründungskuratoren des Humboldt Forums.

Das Gespräch führte Bernd Löhmann am 13. April 2016.

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