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Der Oberbürgermeister der Stadt Hamm: "Wir brauchen mehr Mitbestimmung"

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Das Verhältnis zwischen Land und Kommune ist in etwa wie in einer guten Ehe: Manchmal gibt es Streit, manchmal ist man mit dem Partner unzufrieden. Aber irgendwie rauft man sich wieder zusammen; zumal die gemeinsamen Jahre verbinden und Trennung in diesem speziellen Fall ohnehin ausgeschlossen ist.

Einige Punkte fallen mir dennoch ein, um das Miteinander zwischen Land und Kommunen für die Zukunft besser zu gestalten: Insbesondere im Zuge der aktuellen Flüchtlingssituation wird deutlich, dass die Probleme vor Ort auflaufen – und dass es an den Kommunen ist, diese Probleme zu lösen. Die Kommunen sind bereit, Verantwortung für sich selbst und auch für andere zu übernehmen: Als die Not am größten war und vonseiten des Landes händeringend Plätze für die Unterbringung gesucht wurden, haben wir in Hamm die Alfred-Fischer-Halle – eine beeindruckende ehemalige Industriehalle, in der in normalen Zeiten große Kongresse und Kulturevents stattfinden – als Notunterkunft für bis zu 500 Flüchtlinge bereitgestellt. Gemeinsam mit dem Land haben wir die Pläne für eine zentrale Unterbringungseinrichtung erarbeitet und mit unserer städtischen Baugesellschaft dafür gesorgt, dass der Umbau einer ehemaligen Bundeswehrkaserne innerhalb kürzester Zeit vonstattengehen konnte.

 

Mitsprache und finanzielle Ausstattung

Wir haben gezeigt, dass man sich auf die Städte verlassen kann – und ich spreche an dieser Stelle nicht nur für Hamm, sondern auch für alle anderen Kommunen. Gleichzeitig steht es für uns außer Frage, dass die Kommunen mit an den Tischen sitzen müssen, wenn die Entscheidungen fallen; zumindest sollten wir frühzeitig in die Entscheidungswege eingebunden werden, damit wir unsere Erfahrungen aus der Praxis einbringen können. Das Wichtigste aber ist, dass wir mit den nötigen Mitteln ausgestattet werden, damit wir die Dinge leisten können, die von uns gefordert sind. Ich möchte deutlich sagen, dass es sich dabei größtenteils um Maßnahmen handelt, die über die Köpfe der Kommunen hinweg entschieden worden sind.

Dabei erkenne ich durchaus an, dass die finanziellen Zuwendungen in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen sind: nicht nur durch das Land, sondern auch durch den Bund. Ich will nicht unterschlagen, dass es Konjunkturpakete und Förderprogramme gegeben hat, die uns bei vielen Projekten nachhaltig nach vorn gebracht haben. Gerade als Kommune im Stärkungspakt profitieren wir von der finanziellen Unterstützung durch das Land. Zudem konnten wir in der Vergangenheit dank der entsprechenden Fördermittel vielfach Pionierarbeit leisten, um den Herausforderungen durch den Strukturwandel zu begegnen. Ein herzliches Dankeschön ist deshalb an alle Landesregierungen zu richten, die uns auf unserem Weg in die Zukunft unterstützt und mit denen wir vielfach eng zusammengearbeitet haben, unabhängig von den politischen Farben.

 

Pionierarbeit auch mithilfe des Landes

Mein Blick reicht zurück bis in das Jahr 1984, als wir mit unseren Konzepten zur ersten Landesgartenschau in Nordrhein-Westfalen das Gelände der ehemaligen Zeche „Maximilian“ zu einem Natur- und Landschaftspark umgestaltet haben. Bis heute gehört der „Maximilianpark“ mit dem berühmten Glaselefanten zu den beliebtesten Freizeiteinrichtungen in Hamm. Das eigene Erfolgsmodell haben wir Jahrzehnte später auf ehemaligen Bergbauflächen im Westen unserer Stadt umsetzen können – und auch diesmal mit starker Unterstützung durch das Land.

Das Projekt „Im Westen was Neues“, in dem wir vier Halden zu einem zusammenhängenden Landschaftspark verknüpfen konnten, ist mit über vierzig Millionen Euro durch das Land gefördert worden. Pionierarbeit haben wir auch im Herzen unserer Innenstadt geleistet, um die Entwicklung unserer Fußgängerzone zu forcieren: Das ehemalige Horten-Gebäude konnte die Kommune – ebenfalls mithilfe des Landes Nordrhein-Westfalen – nach einem langjährigen Leerstand in zentraler Lage aufkaufen und anschließend beseitigen. An dieser exponierten Stelle gegenüber dem Bahnhof ist ein hochmodernes Gebäude entstanden, in dem neben der privaten Hochschule für Logistik und Wirtschaft (SRH) auch die Volkshochschule und die Zentralbibliothek untergebracht sind. Das gleiche Modell haben wir in der Folge auch bei weiteren Projekten angewendet. Zu diesem Zweck haben wir eigens eine Stadtentwicklungsgesellschaft gegründet, die die Entstehung von sozialen Brennpunkten verhindern und neue Entwicklungen in besonderen Bereichen unserer Stadt vorantreiben soll. Alle diese Punkte berücksichtige ich, wenn ich für mich das Verhältnis von Land und Kommune bewerte.

 

Jedes zweite Kind mit Migrationshintergrund

Auf der anderen Seite aber dürfen die Belastungen für die Kommunen nicht stetig weiter zunehmen: Zumal Hamm zu den Städten in Nordrhein-Westfalen gehört, die wegen ihrer Bergbaugeschichte große Integrationsleistungen vollbracht haben – und bis heute im Bereich der Bildungs- und Sozialpolitik vor großen Herausforderungen stehen. Dafür nur ein Beispiel: Jedes zweite Kind, das in Hamm geboren wird, entstammt einer Familie mit Migrationsgeschichte. Vielfach braucht es besondere Unterstützung beim Erlernen der deutschen Sprache und zusätzliche Förderangebote, damit diese Kinder überhaupt eine Chance haben, ihre Zukunft eigenständig zu gestalten.

Vielfach stellen wir fest, dass die Sprachkenntnisse bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr viel schlechter ausgeprägt sind als bei ihren Eltern und Großeltern, die ehemals als Gastarbeiter nach Hamm gekommen waren. Dieser Negativentwicklung haben wir bereits vor etlichen Jahren mit viel Geld und vielfältigen Angeboten entgegengesteuert. Unsere Anstrengungen wurden dabei von externen Gutachtern begleitet. Auch mit deren Hilfe ist über die Jahre ein dichtes Netz von sozialen Einrichtungen und entsprechenden Hilfsangeboten gewachsen. Damit wollten wir so weit wie möglich verhindern, dass in unserer Stadt Kinder und Jugendliche ohne Perspektive aufwachsen.

Beim Landesprojekt „Kein Kind zurücklassen“ konnten die jeweiligen Maßnahmen an vielen Stellen auf bestehende Angebote aufbauen. Gleichzeitig hat uns das Projekt dazu ermuntert, sämtliche Maßnahmen auf den Prüfstand zu stellen, um zwischen „gut“ und „gut gemeint“ deutlich zu unterscheiden. Für Hamm war das Land im Zuge dieses Projekts Impulsgeber und Klammer zugleich. Umgekehrt hatte das Land in Hamm ein gutes Beispiel dafür, wie vielfältige Einzelmaßnahmen ineinandergreifen und Förderangebote aufeinander aufbauen.

 

Sparbemühungen können Lücken nicht schließen

Gegenwärtig erleben wir bei der Inklusion an den Schulen, dass die Kosten für die Integrationshelfer ins Unermessliche steigen. Diese Lücke im Haushalt ist auch durch Sparbemühungen in sämtlichen anderen Bereichen kaum zu schließen. Ich gebe offen zu, dass diese Situation vielfach frustrierend ist; zumal ich innerhalb der Städte selbst unter den hilfsbedürftigen Gruppen zunehmend einen Wettbewerb feststelle, der für die Kommunen nicht gut ist – und der mittelfristig zu Spannungen führen wird. Diese Entwicklung geht in die falsche Richtung und kann nicht in unserem Sinne sein.

Die Zahlen für das erste Halbjahr 2016 verdeutlichen das Ungleichgewicht: Allein die Sozialausgaben der Kommunen sind in den ersten sechs Monaten des Jahres 2016 um 12,2 Prozent gestiegen. Bundesweit verzeichnen die Städte, Gemeinden und Kreise ein Defizit von mehr als drei Milliarden Euro – während sich die finanzielle Situation von Bund und Ländern im gleichen Zeitraum deutlich entspannt hat. Ich denke, dass dieses Ungleichgewicht so schnell wie möglich beseitigt werden muss, um sicherzustellen, dass es auch in Zukunft lebendige Städte, Gemeinden und Landkreise gibt, die ihre Herausforderungen und Probleme selbst bewältigen.

Spöttische Zungen behaupten, dass jede gute Beziehung dabei hilft, Probleme zu bewältigen, die man ohne den jeweils anderen nicht hätte. Für das Verhältnis zwischen Land und Kommunen trifft das so natürlich nicht zu. Nur ein bisschen vielleicht. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, dass wir es auch künftig weiter gut miteinander aushalten – unabhängig davon, welches Ergebnis die Landtagswahlen 2017 bringen.

Thomas Hunsteger-Petermann, geboren 1953 in Heessen, Oberbürgermeister der Stadt Hamm und Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU NRW.

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