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Ende der 1980er-Jahre legte der in der DDR lehrende Historiker Ernst Engelberg eine zweibändige Otto-von-Bismarck-Biographie vor. Das Erscheinen des ersten Bandes geriet zur Sensation, weil er neue Perspektiven auf die „deutsche Frage“ versprach. Als im Herbst 1990 der zweite Band vorgestellt wurde, waren die DDR wie auch die „deutsche Frage“ passé. Unvermeidlich lenkte die monumentale Schrift nun den Blick vom ersten auf den zweiten Einheitskanzler. Von „Kohlmarck“ war in zugeneigter Ironie die Rede. Würde man dereinst, wie ehedem für Bismarck, dem zweiten Einheitskanzler „Kohlsäulen für nächtliche Illuminationen“ und „trotzige Kohltürme auf Höhen und Hügeln“ errichten?

Vor einem Jahr, am 16. Juni 2017, ist Helmut Kohl gestorben. Der Trauerakt im Europäischen Parlament in Straßburg und das Pontifikalrequiem im Dom zu Speyer würdigten die herausragende Bedeutung seiner Verdienste um Deutschland und Europa, um Versöhnung und Frieden. Doch kein Übermensch, kein Monolith, nicht einmal ein unfehlbar und unumstritten erscheinender Staatsmann oder Politiker ist zu Grabe getragen worden: „Wir nehmen Abschied von einem Menschen mit allem, was Menschsein in Kraft und in Schwäche bedeutet“ (Bischof Karl-Heinz Wiesemann).

Helmut Kohl gehört zu den Deutschen, die Geschichte geschrieben haben. Trotz aller Schwächen gäbe es genügend Gründe, vor seinem Andenken ehrfürchtig zu erstarren. Doch gründlicher könnte man „einen der großen Beweger der europäischen Nachkriegsgeschichte“, wie der SPD-nahe Politikwissenschaftler Karl Kaiser ihn beschrieb, nicht missverstehen. Helmut Kohls Lebensweg war, bei aller Grundsatztreue, von dem Willen und der Bereitschaft geprägt, versteinerte Verhältnisse aufzubrechen und zu verändern. Mehr noch als das großartig Erworbene macht das aufspürend und erstrebend Künftige sein Vermächtnis aus. Weniger die beeindruckende Erfolgsbilanz als vielmehr die offenen Anfänge und lange nicht eingelösten Ziele, die Wagnisse und aufzehrenden Kämpfe setzen auch heute noch Maßstäbe.

Zu seinem ersten Todestag hat „Die Politische Meinung“ vor allem Weggefährten und nahestehende Beobachter befragt, für die Helmut Kohl längst nicht Geschichte geworden ist. Ihnen stehen seine „Lebendigkeit und Mission“ (Martin Walser) vor Augen. Sie neu zu entdecken, kann in einer Zeit, in der erneut vieles in Bewegung gerät, nur hilfreich sein – für Deutschland, für Europa!

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Bernd Löhmann, Chefredakteur

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