Die Beziehungen zwischen Russland und der radikalen Rechten in Europa sind kein neues Phänomen, aber sie haben in den letzten Jahren beträchtlich an Bedeutung gewonnen. Das gilt insbesondere für die Zeit nach der Annexion der Krim durch Russland.
Selbst in Zeiten des Kalten Krieges und ungeachtet der Schrecken des Zweiten Weltkrieges sowie der offiziellen Verurteilung des Faschismus durch die Sowjetunion war die taktische Zusammenarbeit mit der extremen Rechten in Europa – vor allem in Deutschland – ein Charakteristikum russischer Politik. Ein Beispiel für diese Kooperation ist die finanzielle Unterstützung der rechtsextremen neutralistischen Bewegung in Westdeutschland Anfang der 1950er-Jahre. In ihrem Kampf gegen den Westen setzten die Sowjets eine große Bandbreite sogenannter „aktiver Maßnahmen“ ein. Hierzu gehörte der Aufbau von Spionageringen in westlichen Gesellschaften ebenso wie die Verbreitung von Desinformation in der westlichen Öffentlichkeit, Bestechung, die Unterstützung sozialistischer und kommunistischer Parteien und die Infiltration westlicher Friedensbewegungen. Anfang der 1950er-Jahre debattierte die politische Elite Westdeutschlands über einen Beitritt ihres Landes zur NATO. Die Sowjets lehnten eine solche Entwicklung ab und unterstützten nicht nur linke Organisationen in der Bundesrepublik, sondern auch rechtsextreme nationalistische Bewegungen, die eine NATO-Mitgliedschaft ebenfalls ablehnten.
Postsowjetischer Rechtsradikalismus
Während die Kollaboration der Sowjets mit der radikalen Rechten in Europa verdeckt ablief und für einen normalen Beobachter unsichtbar blieb, spielten sich die russischen Aktionen in der postsowjetischen Ära großenteils öffentlich und in drei Phasen ab. Die bislang längste Phase war der Zeitraum von 1991 bis 2004. Damals knüpften russische Ultra-Nationalisten wie Alexander Dugin, Wladimir Schirinowski und Sergei Glasjew Kontakte zu rechtsradikalen Politikern in Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland, Belgien, den USA und anderen westlichen Ländern. Dugin war damals eine politische Randfigur, aber auch ein einflussreicher Ideologe des Neo-Eurasianismus und des nationalen Bolschewismus, der die liberale Demokratie eher auf kultureller als auf politischer Ebene bekämpfte. Schirinowski war der Führer einer rechtsradikalen Vereinigung mit dem irreführenden Namen Liberal-Demokratische Partei Russlands (LDPR) – einer Partei, die aus den Parlamentswahlen von 1993 als stärkste und aus den Parlamentswahlen von 1995 als zweitstärkste politische Kraft hervorging. Glasjew war für kurze Zeit Russlands Minister für außenwirtschaftliche Beziehungen, danach gehörte er dem Parlament an und leitete später die Analyse-Abteilung des russischen Föderationsrats.
Zwar waren Dugin, Schirinowski und Glasjew offenbar daran interessiert, einige der Ideen ihrer rechtsradikalen westlichen Verbündeten in Russland umzusetzen; zugleich waren sie sich aber scheinbar im Klaren darüber, dass diese Vorstellungen zu den politischen Auffassungen des Regimes Boris Jeltsins zu sehr im Widerspruch standen und eigene Machtoptionen zu fern lagen, als dass sie sich mit dem Staat verbünden oder in seinem Namen hätten handeln können. Für Dugin, Schirinowski und Glasjew stand der unmittelbare Feind innerhalb Russlands. Folglich nutzten sie zu dieser Zeit ihre rechtsradikalen Kontakte im Westen lediglich dazu, ihre eigene Position im Land zu stärken, vermochten es aber nicht, ihre westlichen Ansprechpartner gegen die vermeintlichen äußeren Gegner des russischen Staates zu instrumentalisieren. In dieser Phase der Zusammenarbeit zwischen russischen Akteuren und der europäischen radikalen Rechten hatte Moskau offiziell keinerlei Interesse an derartigen Kontakten – der Kreml arbeitete aktiv am Aufbau von Beziehungen zu etablierten Politikern und Vertretern des Westens, die glaubten, Russland würde ein Teil des liberal-demokratischen Westens werden.
Wahlbeobachtung nach Maßgabe russischer Außenpolitik
Die zweite Phase erstreckt sich über den Zeitraum von 2005 bis 2012. Am Anfang dieser Periode stehen die Reaktionen des Kreml auf die Serie von „Farbrevolutionen“ in Georgien (2003), der Ukraine (2004) und Kirgisistan (2005). Diese „Revolutionen“, bei denen es sich im Kern um Massenproteste gegen Wahlbetrug handelte, wurden in Moskau offiziell als Versuche des Westens im Allgemeinen und der USA im Besonderen ausgelegt, den politischen und wirtschaftlichen Einfluss Russlands im postsowjetischen Raum zu unterminieren. Die Rhetorik des Kreml wurde immer antiwestlicher und antiamerikanischer. Verschiedene Initiativen wurden ergriffen, um die imaginäre Bedrohung einer „Farbrevolution“ in Russland abzuwenden. Da unabhängige Wahlbeobachter und ihre Erkenntnisse für die Mobilisierung des Protestes gegen gefälschte Wahlergebnisse eine zentrale Rolle spielten, begann Moskau außerdem, nach Alternativen für eine internationale Wahlbeobachtungsmission zu suchen, die entweder selbst pro-Kreml eingestellt sein oder von dem Kreml nahestehenden politischen Kreisen kontrolliert werden sollte. Die von Alexei Kotschetkow, einem früheren faschistischen Aktivisten, geleitete, formal unabhängige Wahlbeobachtungsorganisation CIS-EMO bot eine solche Alternative. Die CIS-EMO begann, mit zwei in der EU beheimateten Organisationen zusammenzuarbeiten, nämlich dem belgischen Eurasian Observatory for Democracy and Elections und dem polnischen European Centre for Geopolitical Analysis, beide geleitet von rechtsradikalen Aktivisten, nämlich Luc Michel und Mateusz Piskorski. Die drei Organisationen luden links- und rechtsextreme Politiker und Aktivisten zu internationalen Wahlbeobachtungsmissionen ein und legitimieren seit den Jahren 2005, 2006 autoritäre Wahlpraktiken im postsowjetischen Raum. Dabei verhielten sie sich stets loyal zu den Zielen der russischen Außenpolitik, bei der sich alles um den Erhalt der vermeintlichen Einflusssphäre Russlands dreht.
Die zweite für diese Phase charakteristische Entwicklung war der Beginn der aktiven Zusammenarbeit zwischen den staatlich kontrollierten Medien Russlands und rechtsradikalen Politikern in Europa 2008 bis 2009. Diese Entwicklung setzte im August 2008 nach dem Ende des russisch-georgischen Krieges ein. Der Kreml war sich bewusst, dass er zwar den Krieg leicht gewinnen, jedoch die westlichen Gesellschaften nicht von der vorgeblichen Berechtigung der Aggression gegen Georgien überzeugen konnte. Angesichts der Kritik aus dem Westen änderten die staatlich kontrollierten Medien Russlands ihre Taktik: Hatten sie anfangs noch auf das Argument gesetzt, Moskau ließe sich bei seinen in- und ausländischen Aktivitäten von guten Absichten leiten, so behaupteten die russischen Medien seit 2008, dass der Westen Russlands Handlungen nicht richtig einschätzen könne. Ursache dieser Urteilsschwäche sei die Dekadenz der liberal-demokratischen Gesellschaften des Westens; sie würden unter einer moralischen Krise, unter gleichgeschlechtlichen Ehen, unter dem Versagen des Multikulturalismus und der Missachtung der Rechte der Mehrheit leiden. Um diese Botschaft zu unterstützen, kooperierten die russischen Medien mit Aktivisten und Politikern aus den soziopolitischen Randbereichen im Westen, mit Rechts- und Linksradikalen sowie mit Verschwörungstheoretikern und Isolationisten.
Gezielte Mobilisierung im Westen
Die dritte Entwicklung bestand in der Mobilisierung rechtsradikaler Organisationen und Parteien in Italien, Österreich und Frankreich, die sich etwa seit 2006 und verstärkt seit 2009 als Frontorganisationen Russlands betätigen. In Italien wurden die ersten prorussischen Anstrengungen von dem Eurasien-Koordinationsprojekt unter der Führung von Stefano Vernole und Alberto Ascari sowie von dem von Tiberio Graziani und Daniele Scalea geführten Istituto di Alti Studi in Geopolitica e Scienze Ausiliarie unternommen. In Österreich führte die Firma Austrian Technologies GmbH die ersten prorussischen Aktivitäten durch; sie ist mit der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) eng verbunden und wird von Barbara Kappel geleitet. In Frankreich waren es die von André Chanclu geführte Frankreich-Russland-Kollektive und die von Fabrice Sorlin geleitete Alliance France-Europe-Russie.
In der ersten Phase der Zusammenarbeit mit europäischen rechtsradikalen Aktivisten und Politikern bestand das russische Element ausschließlich aus russischen Ultranationalisten. Die zweite Phase jedoch war gekennzeichnet durch die wachsende Beteiligung russischer Vertreter mit höherem Status. Dazu gehörten auch Vertreter russischer Institutionen, die die öffentliche Meinung außerhalb Russlands beeinflussen wollten und mit der russischsprachigen Diaspora zusammenarbeiteten: Rossotrudnitschestwo (eine Föderalagentur für Angelegenheiten der GUS, für Fragen der im Ausland lebenden Mitbürger und für internationale humanitäre Zusammenarbeit im Außenministerium der Russischen Föderation), die Stiftung Russische Welt und das in Paris beheimatete Institut für Demokratie und Zusammenarbeit. Zudem knüpften nun Vertreter russischer Botschaften und Konsulate in einigen europäischen Ländern Kontakte zu rechtsradikalen Organisationen, um ihren Aufbau mithilfe russischer Funktionäre zu unterstützen.
„Konservative Werte“ maskieren eine weltpolitische Strategie
Die dritte – und aktuelle – Phase in der Zusammenarbeit zwischen russischen Akteuren und der radikalen Rechten in Europa begann in den Jahren 2012, 2013; nun setzt das Engagement hochrangiger Politiker und Funktionäre auf der russischen Seite ein. Sie antworten damit auf verschiedene, sich überlappende Entwicklungen: Die erste war die fortschreitende anti-westliche und anti-amerikanische Radikalisierung des Putin-Regimes, die bereits 2004 begonnen hatte. Vertieft wurde sie durch Moskaus negative Reaktion auf den „Arabischen Frühling“ (2010 bis 2012) als eine Welle von Protesten, Ausschreitungen und Regimewechseln in der arabischen Welt, gefolgt von den Protesten gegen Putin in den Jahren 2012 und 2013. Hinzu kam die wachsende Kritik etablierter westlicher Politiker und Staatsvertreter an der Innen- und Außenpolitik Putins. Diese Kritik entzündete sich insbesondere an der Tatsache, dass der Tod des Firmenanwalts Sergei Magnitski in einem Moskauer Gefängnis im Jahr 2009 von den russischen Behörden nicht untersucht wurde – 2012 reagierten die USA und die EU mit Sanktionen. Das scharfe Vorgehen des Kreml gegen die Anti-Putin-Proteste und die polarisierenden Maßnahmen, mit denen der Kreml die Opposition spalten wollte (hauptsächlich im Rahmen der Schauprozesse gegen Pussy Riot und das „Anti-LGBT [steht für lesbische, schwule und bisexuelle Personen sowie Transgender]-Propagandagesetz“), verschärfte die westliche Kritik. Als ebenso empörend empfand der Westen Putins Unterstützung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad; dessen Niederschlagung der gegen seine Regierung gerichteten Proteste 2011 führte zum Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges. Diese entfremdenden, einen neuen Ost-West-Antagonismus befördernden Entwicklungen wurden durch die russische Annexion der Krim und die Ereignisse in der Ostukraine 2014 weiter gesteigert.
In der Folge gaben viele etablierte Politiker und Volksvertreter der westlichen Länder ihre politische Unterstützung des Putin-Regimes auf. Es begann die Suche nach einem nicht etablierten politischen Verbündeten in Europa beziehungsweise im Westen. Hochrangige Mitglieder der regierenden Partei „Vereintes Russland“, russische Diplomaten und Staatsvertreter wie der russische Parlamentspräsident Sergei Naryschkin oder der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des russischen Parlamentes, Alexei Puschkow, sowie nicht zuletzt Präsident Wladimir Putin selbst bauten Kontakte zu den radikalen Rechten auf, insbesondere zum französischen Front National, der Lega Nord in Italien und der Partei Ataka in Bulgarien.
Im April 2014 erklärte Putin, der Wahlsieg der „illiberal-demokratischen“ Fidesz von Viktor Orbán sowie die Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien wie der ungarischen Jobbik und des Front National deuteten auf ein „Überdenken der Werte in den europäischen Ländern“ nach den Vorgaben aus Moskau („konservative Werte“) hin, eine Begründung für eine angeblich ideologisch motivierte Öffnung Moskaus gegenüber der radikalen Rechten. 2014 wurde ein niedrigverzinslicher Millionenkredit dem Front National von einer russischen Bank gewährt – diese Bank befindet sich im Besitz eines engen Vertrauten Putins. Dieser Fall beweist, dass Moskau zumindest in einigen Fällen bereit war, die radikale Rechte bei ihren Anstrengungen zu unterstützen, die liberalen Demokratien des Westens zu untergraben, die EU zu unterminieren und die transatlantische Zusammenarbeit zu schwächen. So versucht Moskau, seinem weltpolitischen Ziel einer „neuen Jalta-Vereinbarung“ näher zu kommen, mit der eine russische Einflusssphäre definiert und die Herrschaft eines autoritären Regimes in Russland auf unbestimmte Zeit legitimiert werden könnte.
Anton Shekhovtsov, geboren 1978 in Sewastopol (Ukraine), Visiting Fellow am Institut für die Wissenschaft vom Menschen (IWM), Wien (Österreich), und Legatum Fellow, The Legatum Institute, London (Großbritannien).
Übersetzung aus dem Englischen: Wilfried Becker, Germersheim