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Vom – doch nicht unaufhaltsamen – Aufstieg der FPÖ

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(Rechts-)Populismus ist – auch – ein Phänomen der österreichischen Politik. Die Erfolge der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) seit dem Beginn der Obmannschaft Jörg Haiders 1986 schienen sich in den 1990er-Jahren unaufhaltsam zu steigern. Dann aber ließ derselbe Haider durch seine Querschüsse gegen die Regierungsmannschaft der FPÖ die Partei 2002 wieder auf dem Boden der politischen Realität aufprallen, und die Wahlen zwischen 2000 und 2004 endeten mit teils katastrophalen Ergebnissen für die FPÖ. So holte sie etwa bei der Wahl zum Europäischen Parlament 2004 nur 6,3 Prozent, während sie 1999 noch 23,4 Prozent erreicht hatte.

2005 begann der neuerliche Aufstieg unter Obmann Heinz-Christian Strache, dessen Höhepunkt die – letztlich doch knapp verlorene – Bundespräsidentschaftswahl 2016 werden sollte: Alexander Van der Bellen lag mit 50,3 Prozent der Stimmen im Endergebnis aber vor seinem FPÖ-Kontrahenten Norbert Hofer. Welchen Ausgang die am 1. Juli 2016 beschlossene Wiederholung der Stichwahl des Bundespräsidenten nehmen wird, steht noch völlig offen.

Die Erfolge des österreichischen Rechtspopulismus lassen sich zunächst zahlenmäßig festhalten: Trotz einiger Rückschläge ging es seit 1986 bergauf. Ein erster Höhepunkt und gleichzeitig ein vorläufiges Ende dieser Entwicklung war die Nationalratswahl 1999 und die darauf folgende Regierungsbeteiligung zwischen 2000 und 2007. Auf Bundesländerebene war Kärnten das Paradebeispiel – bevor durch das Desaster der Verstrickungen der in Kärnten ansässigen und verstaatlichten Bank Hypo-Alpe-Adria in umfängliche Finanz- und Korruptionsaffären die ganze Misere und Unfähigkeit einer selbstherrlichen FPÖ-Clique ans Tageslicht kam: Mit einem Verlust von 28 Prozentpunkten wurde der Kärntner FPÖ-Ableger bei der Landtagswahl 2013 auf 16,5 Prozent zurückgeworfen.

 

Agitation mit Ängsten

Die Erfolge des österreichischen Rechtspopulismus lassen sich auch inhaltlich festmachen: Rechtspopulisten verbreiten Angst, überzeugen Teile der Bevölkerung davon, dass sie Angst und wovor sie Angst haben müssten, und erklären sich anschließend zu den Heilsbringern, die diese Angst wieder beseitigen könnten. Dass Ängste vor der (individuellen) Zukunft, vor Flüchtlingen (generell vor Ausländerinnen und Ausländern) oder vor der Europäischen Union bei Umfragen verbreitet benannt werden, liegt auch an der permanenten negativen Agitation von Rechtspopulisten. Dass mögliche Missstände nicht gelöst werden, ist wiederum ein wesentliches Anliegen rechtspopulistischer Argumentation: Sie würde sonst ihre Legitimation verlieren. Werden aber Problembereiche konstruktiv gelöst, ist die Suche nach neuen Feindbildern rasch erfolgreich.

Wenn das gesellschaftliche Klima in Österreich zunehmend polarisiert erscheint, so ist dies auch eine Folge jahrelanger beharrlicher negativer Emotionalisierung seitens der FPÖ. Dazu kommt eine dauerhafte Schwäche der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ), die lange Zeit entweder wie ein Kaninchen vor der Schlange verharrten oder aber versuchten, mit einem Ruck nach rechts der FPÖ nachzueifern. Ob diese Hilflosigkeit durch den Kanzlerwechsel von Werner Faymann zu Christian Kern im Mai 2016 gelöst werden kann, bleibt abzuwarten.

Übernahm die FPÖ Regierungsverantwortung – im Bund oder in Kärnten –, so blieb als Resümee ein finanzielles Debakel oder eine Unmenge fragwürdiger Verstrickungen und Machenschaften, die nach wie vor österreichische Gerichte beschäftigen. 2016 sollten sich dennoch mit der Wahl Norbert Hofers zum Bundespräsidenten Anerkennung und Erfolg endgültig etablieren. Aber es kam anders: Am 22. Mai 2016 ging der ehemalige Parteichef der Grünen, Alexander Van der Bellen, knapp, aber zunächst doch als Sieger hervor.

 

„Seufzer der Erleichterung“

Das Wahlergebnis hat auch unmittelbare Auswirkungen auf das politische Leben in Deutschland und Italien. In Rom machten Staatspräsident Sergio Mattarella und Regierungschef Matteo Renzi keinen Hehl aus ihrer Genugtuung über die Wahl Van der Bellens. Außenminister Paolo Gentiloni sprach gar von einem „Seufzer der Erleichterung“. Erleichterung deshalb, da es für Italien nach der Wahl Van der Bellens leichter sein wird, wie bislang mit Österreich gut nachbarliche Beziehungen zu pflegen und damit gemeinsame Lösungen für die Flüchtlingsproblematik zu finden – jenseits von harten Worten und Kraftakten, die in der Brennergrenze ihre Metapher gefunden haben. Der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hatte die Schließung der Brennergrenze, wie von der Regierung Faymann im Zuge der Wahlkampfhysterie angedroht, mit Überzeugung unterstützt, um nicht existente Flüchtlingsströme von Italien nach Österreich aufzuhalten. Dabei hatte er die Unterstützung der rechtspopulistischen Lega Nord erhalten, die sich vom Sieg Hofers und der FPÖ einen Sympathieschub zu ihren Gunsten erwartete.

Für Deutschland hat die Niederlage Hofers eine zweifache, realpolitische wie symbolische Auswirkung. Zum einen war es mittelbar ein Punktesieg für Kanzlerin Angela Merkel in der Auseinandersetzung mit der bayerischen CSU, die offenbar von einem Sieg Hofers ausgegangen war und die sich möglicherweise von einem FPÖ-Bundespräsidenten Rückendeckung in ihrer restriktiven Flüchtlingspolitik erwartet hatte. Ein Sieg Hofers hätte auch den antieuropäischen Trend in Deutschland gestärkt, der von der Alternative für Deutschland (AfD) verkörpert wird.

 

Weg von der populistischen Ansteckungsgefahr?

Im Gegensatz dazu kann die Wahl Van der Bellens – sollte sie sich wiederholen – optimistisch betrachtet als Beginn eines pro-europäischen Neustarts angesehen werden, der von Wien ausgehend gleichermaßen nach Berlin wie nach Rom ausstrahlt. Zugleich weist die Wahl Van der Bellens auf eine schon länger andauernde Entwicklung im Parteiensystem Österreichs und Deutschlands hin, die in den Worten Ralf Dahrendorfs als „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ gelesen werden kann. Angesichts der sozialdemokratischen Krise in den beiden Ländern (aber nicht nur dort, auch Renzis Demokratische Partei ist von internen Konflikten und Konsensverlust gekennzeichnet) scheinen die Grünen deren Erbe angetreten zu haben. Wie in Österreich scheint auch in Deutschland die progressive öffentliche Meinung den Lockrufen des Populismus nicht zu erliegen.

Wer die politische Landkarte Europas und die Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien Revue passieren lässt, kann die politische Ansteckungsgefahr, denen die Mainstreamparteien ausgesetzt sind, nicht leugnen. Es wäre anmaßend, im vorläufigen Wahlsieg Alexander Van der Bellens eine definitive Trendwende zu sehen, aber ein wichtiges Signal war er allemal.


Reinhold Gärtner, geboren 1955 in Steyr (Österreich), Professor am Institut für Politikwissenschaft, Universität Innsbruck (Österreich).
Günther Pallaver, geboren 1955 in Bozen (Südtirol), Professor am Institut für Politikwissenschaft, Universität Innsbruck (Österreich).

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