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Amerika aus der Rechtsaußenperspektive

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Als am 6. November 2024 Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt wurde, gratulierte Alice Weidel, Bundessprecherin der Alternative für Deutschland (AfD), noch vor dessen eigener Siegesrede. Schon bei Trumps erster erfolgreicher Präsidentschaftswahl 2016 frohlockte der Berliner Landesverband der AfD mit dem Tweet „Wir sind Präsident!“[1] – in offensichtlicher Anspielung auf die berühmte Bild-Schlagzeile „Wir sind Papst!“. Im Erfolg Trumps mit seiner Anti-Establishment-Rhetorik, seiner Agenda geschlossener Grenzen und einer an nationalen Interessen ausgerichteten Außenpolitik wurde ein Signal gesehen: „Next stop: Germany“[2] lautete damals ein weiterer AfD-Tweet. Nach dem Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 schrieb der Bundestagsabgeordnete Martin Renner: „Trump führt den gleichen politischen Kampf – den man schon Kulturkampf nennen muss – wie wir als ‚Alternative für Deutschland‘ in der Opposition“.[3] Seit 2022 findet Trumps Slogan „America First“ seine deutsche Entsprechung in dem AfD-Motto „Unser Land zuerst!“.

Diesem eher positiven Bild von Trump steht dennoch eine weitverbreitete Amerika-Distanz in der AfD gegenüber, die den Kommunikationswissenschaftler Tobias Jaecker zu folgendem Urteil kommen lässt: „Die AfD ist eine antiamerikanisch geprägte Partei.“[4] Aus der offiziellen Programmatik der Bundespartei ist dies allerdings nur begrenzt ableitbar. Im Grundsatzprogramm von 2016 wird lediglich mittelbar auf den NATO-Bündnispartner USA Bezug genommen, wenn sich die AfD „für den Abzug aller auf deutschem Boden stationierten alliierten Truppen und insbesondere ihrer Atomwaffen“[5] ausspricht. Das Programm zur Europawahl 2024 konstatiert, dass sich die „geopolitischen und ökonomischen Interessen der USA […] in zunehmendem Maße von denen Deutschlands“[6] unterscheiden. Deutschland dürfe sich „nicht durch weichenstellende Entscheidungen der USA gegenüber anderen Mächten in Konflikte hineinziehen lassen“.[7] Im jüngsten Wahlprogramm von 2025 wird in der neuen Trump-Administration, die „das Ende der Klimaideologie und der Wokeness einläutet“, ein starker „Partner in unserem Einsatz für die Meinungsfreiheit und gegen die Internet-Zensur“[8] gesehen.

Wie so oft bei der in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei ist jenseits der verschriftlichten Programmatik ein Blick auf die Äußerungen exponierter AfD-Vertreter notwendig, um ihre Haltung zu den USA zu verstehen. Zwar gibt es nicht das eine Amerikabild, dennoch lassen sich bestimmte Linien feststellen – insbesondere, seitdem gemäßigtere Stimmen die Partei verlassen haben. Inzwischen prägen die amerikakritischen Positionen zunehmend das Außenbild der Partei.

Den Vereinigten Staaten wird dabei die Hauptschuld an den gegenwärtigen Krisen gegeben. Ihre kriegerischen Interventionen im Nahen Osten hätten maßgeblich zu den Flüchtlingswellen geführt, deren Folgen besonders Europa treffen würden. So trage die Politik der USA „einen gehörigen Anteil an der Entstehung der Fluchtgründe“,[9] wie AfD-Gründungsmitglied Alexander Gauland erklärte. Bereits 2003 schrieb er, mit „dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist die westliche Interessenidentität zerbrochen“[10] und Amerika „die Macht geworden, deren militärische, wirtschaftliche und kulturelle Dominanz sich wie ein Alb auf die Welt legt“.[11]

 

Vier Säulen des Amerikabilds

Insgesamt lässt sich das Amerikabild des äußersten rechten Randes mit wenigen wesentlichen Begriffen erfassen.

Souveränität. Deutschland verfüge nicht über die volle Souveränität, sondern sei letztlich vasallenhaft an amerikanische Vorgaben gebunden. Weidel bedient diese Sichtweise, die ebenfalls bei sogenannten Reichsbürgern verbreitet ist, wenn sie Begriffe wie „Sklaven“, „Kolonie“ und „besiegtes Volk“ in einen deutsch-amerikanischen Kontext stellt, wie Anfang Januar 2024 im Interview mit einem US-Magazin.[12] Auch eine außenpolitische Resolution der AfD Thüringen, die auf deren Landesparteitag am 14. Dezember 2024 verabschiedet wurde, verdeutlicht diese Sicht: „Aber unsere Nation ist außenpolitisch nicht souverän. […] Unsere Partei setzt sich für eine Rückgewinnung der Souveränität Deutschlands ein. Sie muß bei unserer Verteidigungsfähigkeit beginnen und sich darin zeigen, daß unser Land in jeder Lage seine Interessen vertreten kann und keine fremden mehr vertreten muß.“[13] Der thüringische AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke argumentiert ähnlich: „Unsere einst geachtete Armee ist von einem Instrument der Landesverteidigung zu einer durchgegenderten multikulturalisierten Eingreiftruppe im Dienste der USA verkommen.“[14]

Multikulturalismus. Die USA als traditionelles Einwanderungsland stehen als Sinnbild für eine abzulehnende multikulturelle Gesellschaft. Die amerikanische Kultur wird als Bedrohung wahrgenommen. So äußerte Höcke die Befürchtung, dass „unsere einst hoch geschätzte Kultur […] nach einer umfassenden Amerikanisierung nun in einer multikulturellen Beliebigkeit unterzugehen“[15] drohe. Es gebe ein „Regenbogenimperium mit den USA als Kernland und der Bundesrepublik Deutschland als wichtigstem Brückenkopf in Europa […], das die Zerstörung der Nation durch Masseneinwanderung forciert, das Mann und Frau den Kampf angesagt hat, dem nichts mehr heilig ist“.[16]

Multipolarität. Weiteres Merkmal ist die Vorstellung einer multipolaren Weltordnung mit mehreren Machtzentren und eigenen Rechtsordnungen. „Multipolarität bedeutet: Nicht mehr eine einzige Weltmacht beherrscht die Welt mit ihren Werten, sondern mehrere gleichberechtigte Mächte setzen in ihren Regionen ihre Vorstellungen von Recht und Ordnung durch“,[17 so die Definition von AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla. Offenbar in Anlehnung an den Staatsrechtler Carl Schmitt, der wegen seines staatsrechtlichen Einsatzes für den Nationalsozialismus als Kronjurist des Dritten Reiches gilt, wird dabei auf die Vorstellung von „Großräumen“ zurückgegriffen, die von einer beherrschenden Macht dominiert werden.[18] Verbunden mit dieser Idee von Großräumen sah er ein Nichtinterventionsprinzip vor, sodass die Welt am Ende von einem Pluriversum der Großräume gekennzeichnet ist. Die Ideen Schmitts finden nicht nur bei AfD-Vertretern, sondern auch in Autokratien wie Russland und China Anklang, da dieses Konzept letztlich auch die Ablehnung gemeinsamer Werte und universeller Menschenrechte bedeutet. Die USA werden dementsprechend als „raumfremde Macht“ in Europa wahrgenommen. In den Worten Höckes: „Es war und ist US-amerikanische Strategie, als raumfremde Macht auf unserem Kontinent Keile zu treiben, Keile zu treiben zwischen Völker und zwischen Nationen, die eigentlich sehr gut miteinander arbeiten könnten.“[19]

Eurasismus. In der Vorstellung führender AfD-Vertreter wie Höcke sollten sich die USA als außereuropäische Macht daher aus Europa zurückziehen, da „der natürliche Partner unserer Arbeits- und Lebensweise […] Rußland, ein Land mit schier unerschöpflichen Rohstoffen“,[20] wäre. Inhaltlich korrespondieren derartige Vorstellungen von einer eurasischen Welt mit den Ideen des russischen Ultranationalisten Alexander Dugin. Dessen Ideologie eines Neo-Eurasismus geht von hierarchisch organisierten eurasischen Landmächten und einem Konflikt zwischen einer „eurasischen“ und einer „atlantischen“ Kultur aus.[21] Eine solche Auseinandersetzung zwischen „Transatlantikern“ und „Eurasiern“ sieht auch der stellvertretende Landesvorsitzende der AfD Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider. Im Oktober 2022 schrieb er: „Transatlantiker gegen Eurasier. Tertium non datur. Auf der einen Seite stehen die USA, die einzig verbliebene Weltmacht, die verhindern will, daß in Europa eine Kontinentalmacht entsteht, die ihre eigene Macht einschränken könnte. […] Der strategische Gegenentwurf zum US-Konzept der Spaltung und Niederhaltung Europas ist das Konzept Eurasien: ein großer Wirtschaftsraum von Paris bis Wladiwostok, dem die deutsch-russische Komplementarität zugrunde liegt (russische Energieträger und Rohstoffe gegen deutsche Industrieprodukte). Während das Konzept der USA über Ozeane hinweg ein Eingreifen in allen Weltregionen vorsieht, bleibt das eurasische Konzept beschränkt auf den je eigenen Boden. Es ist verbunden mit dem Konzept einer multipolaren Weltordnung, die neben Eurasien weitere gleichrangige Weltregionen entlang kontinentaler und kultureller Einteilungen vorsieht.“[22]

 

Russophile Einstellungen

Der Antiamerikanismus der AfD lässt sich somit nicht ohne die Russophilie ausgedehnter Parteikreise verstehen. Beides sind zwei Seiten derselben Medaille. Der ehemalige Berliner Landesvorsitzende Georg Pazderski, der im Mai 2024 aus der AfD austrat, konstatierte bereits 2017 „bei manchen Parteimitgliedern einen latenten Antiamerikanismus, der aber nicht explizit ausgesprochen, sondern in eine übergroße Russland-Liebe gekleidet wird“.[23]

Während die USA – abseits von Donald Trump und seiner Anhängerschaft – als Sinnbild eines woken Liberalismus gelten, steht das Putin’sche Russland als Gegenentwurf für traditionelle Werte wie Familie, Heimat, Vaterland, Religion. Der russische Angriff auf die Ukraine wird als Folge einer sicherheitspolitischen Expansion der von den USA dominierten NATO nach Osteuropa und antirussischer Politik eines globalistischen Westens angesehen. Profiteur des Krieges sei Amerika mit seinen Rüstungskonzernen. Drastisch formuliert es Höcke mit Blick auf US-amerikanische Flüssiggaslieferungen nach Einstellung der russischen Gaslieferungen: „Die US-amerikanische Regierung hat der deutschen Regierung den wirtschaftlichen Selbstmord befohlen und Scholz & Co. führen diesen Befehl aus!“[24]

Wie sehr antiamerikanische und prorussische Positionen das außenpolitische Bild der AfD prägen, wird abermals in der bereits erwähnten Resolution der AfD Thüringen deutlich: „Dieser Krieg, in dem die Ukraine stellvertretend für den ,Westen‘ kämpft, hat Europa gespalten. Die politische, wirtschaftliche und kulturelle Abspaltung Rußlands von Europa folgt US-amerikanischem Kalkül: Amerika möchte seine Vormachtstellung in Europa nicht aufgeben und zwingt seine ,Verbündeten‘ zu einer Parteinahme […]. Rußland versteht sich als Gegenentwurf zur universalistischen Hegemonie der nichteuropäischen Weltmacht USA. Dieser Gegenentwurf lehnt die Auflösung aller historischen, kulturellen und gesellschaftlichen Bindungen und Traditionen ab.“[25]

 

Gemeinsame Wertebasis wird infrage gestellt

Die Lücken in diesem gesellschafts- und außenpolitischen Schwarz-Weiß-Bild sind offensichtlich. Statt fundierte Kritik und berechtigte Sorgen über die innenpolitischen Entwicklungen zu artikulieren, werden die USA schlicht als Ursache weltweiten Übels erachtet, während das autoritäre Russland entsprechend überhöht wird. Unberücksichtigt bleibt Russlands eigene Vergangenheit als kontinental geprägtes Kolonialreich, seine imperiale Politik gegen unabhängige Nachbarstaaten, die Unterstützung von Diktatoren wie in Syrien und die zahlreichen Angriffe auf die dortige Zivilbevölkerung, die mitursächlich für die Flüchtlingsbewegungen der vergangenen Jahre gewesen sind. Durch den Antiamerikanismus der AfD entlarvt sich auch ihr Anspruch, als vermeintlich konservative politische Kraft die Unionsparteien ablösen zu wollen. Tatsächlich ist es eine völlige Abkehr von den Werten der politischen Westbindung Konrad Adenauers und Helmut Kohls, die immer mehr war als nur die Ausrichtung auf einen politischen Hegemonen.

Für die AfD sind es allein Räume, in welche die Welt aufgeteilt wird. Das internationale Recht spielt keine Rolle. Zu meinen, autoritäre Systeme wie China oder Russland hätten keine globalen Ambitionen, erscheint naiv. Auch wenn die Welt multipolarer wird, ist es im grundlegenden deutschen Interesse, dass diese Pole möglichst demokratisch und rechtsstaatlich orientiert sind. In diesem Sinne ist die Westbindung der Bundesrepublik nie eine geografische Entscheidung zwischen Ost oder West, zwischen Eurasien oder Atlantik gewesen, sondern – im Adenauer’schen Sinne – eine Wahl für die Freiheit. Neu ist heutzutage lediglich, dass diese gemeinsame Wertebasis nicht mehr nur wie im Kalten Krieg von außen, sondern zunehmend auch von innen infrage gestellt wird – sei es in den USA durch Donald Trump oder in Deutschland durch die AfD.
 

Tim B. Peters, geboren 1976 in Iserlohn, Referent für Medien und Demokratie, Hauptabteilung Analyse und Beratung, Konrad-Adenauer-Stiftung.


[1] Philipp Neumann: „Einen Wahlkampf wie in den USA darf es hier nicht geben“, in: Berliner Morgenpost, 11.11.2016, Nr. 310, S. 4.
[2] „Von ‚Tragisch‘ bis ‚Wir sind Präsident!‘“, in: Berliner Zeitung (online), 15.12.2016.
[3] Henrik Merker / Tilman Steffen: „Trumps Statthalter“, in: Zeit online, 12.01.2021, Nr. 1.
[4] Kevin Culina / Frederik Schindler: „Die AfD ist eine antiamerikanisch geprägte Partei“, in: Die Welt, 03.04.2024.
[5] Programm für Deutschland. Das Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland, beschlossen auf dem Bundesparteitag in Stuttgart am 30.04./01.05.2016, S. 31.
[6] Programm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum 10. Europäischen Parlament, beschlossen auf der Europawahlversammlung der AfD in Magdeburg, 29. bis 30. Juli und 4. bis 6. August 2023, S. 29.
[7] Ebd.
[8] WP-44.1 Sachantrag – Äußere Sicherheit USA, beschlossen auf dem 16. Bundesparteitag der AfD in Riesa, 11./12. Januar 2025.
[9] Günter Lachmann: „Lafontaine und Gauland wettern gegen die USA“, in: Die Welt, 07.09.2015, Nr. 208, S. 6.
[10] Alexander Gauland: „Europas Uhren gehen anders – Wann erkennen Politiker der rechten Mitte die Zeichen der Zeit? Konservative Skepsis gegen Amerika“, in: Die Welt, 20.01.2003, Nr. 16, S. 9.
[11] Alexander Gauland: „Der amerikanische Alb“, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16.03.2003, Nr. 11, S. 11.
[12] Vgl. Sumantra Maitra: „‚Slaves don’t fight‘: AfD’s Weidel Speaks Exclusively to The American Conservative“, in: The American Conservative, 06.01.2025.
[13] Friede und Souveränität. Ein deutscher Standpunkt. Resolution, verabschiedet auf dem Landesparteitag der AfD Thüringen am 14.12.2024.
[14] „Höcke-Rede im Wortlaut: ‚Gemütszustand eines total besiegten Volkes‘“, in: Der Tagesspiegel, 19.01.2017.
[15] Ebd.
[16] Rede von Björn Höcke am 03.10.2022 in Gera, Transkript in: VVN-BdA Bundesvereinigung [Formatierung an mündlichen Wortlaut angepasst].
[17] Cornelius Janzen: „‚Multipolare Weltordnung‘: Gefährliche Vision“, in: zdf heute, 14.07.2024.
[18] Vgl. hierzu Matthias Oppermann: „Verloren im Großraum. Carl Schmitt und die Zukunft der liberalen Weltordnung“, in: Geschichtsbewusst. Das Public-History-Portal der Konrad-Adenauer-Stiftung, 28.02.2024.
[19] Rede von Björn Höcke, a. a. O., siehe En. 16.
[20] Ebd.
[21] Vgl. Andreas Umland: „Alexander Dugin, die Faschismusfrage und der russische politische Diskurs“, in: russlandanalysen 105/06, S. 2–5.
[22] Hans-Thomas Tillschneider, in: Facebook, 07.10.2022.
[23] Matthias Kamann: „Anti-Amerikanismus, in übergroße Russland-Liebe gekleidet“, in: Welt plus, 13.12.2017.
[24] Rede von Björn Höcke, a. a. O., siehe En. 16.
[25] Friede und Souveränität. Ein deutscher Standpunkt, a. a. O., siehe En. 13.

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