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Spotlights: Innovation global - Teil II

Indien

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Indien: Im Global Innovation Index 2019 liegt Indien auf Platz 52; seit 2015 ist das Land um 29 Plätze aufgestiegen. Es verzeichnet damit den schnellsten Aufstieg einer großen Volkswirtschaft. Der Index misst die Innovationsfähigkeit unter anderem anhand der Faktoren Humankapital und Forschung, Institutionen und Infrastruktur sowie der Marktentwicklung. Die Produktivitätssteigerung und der Export von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Informations- und Kommunikationstechnologie, qualitativ hochwertigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Universitäten und die rasche Entwicklung weltbekannter Wissenschafts- und Technologieregionen wie Bengaluru, Delhi und Mumbai haben maßgeblich zum jährlichen Innovationswachstum Indiens beigetragen.

Insbesondere seit 2014 legt die indische Regierung unter der Führung der Bharatiya Janata Party (BJP, „Indische Volkspartei“) großen Wert auf die Entwicklung von Innovationen. Wichtige Ministerien haben mit der Einführung von Programmen und Strategien zur Förderung von Start­ups begonnen, einschließlich der Bereitstellung finanzieller und verfahrenstechnischer Unterstützung, Anreizen für die Aufrüstung von Technologie, physischer Infrastruktur und der Einrichtung von Gründerzentren. So unterstützt etwa das Ministerium für Elektronik und Informationstechnologie mit Beihilfen in Höhe von 34 Millionen Euro Start­ups in den Bereichen Gesundheitswesen, Bildung, Landwirtschaft, Infrastruktur und Verkehr, Umwelt und Energie. Hochschulen sowie renommierte Forschungs­ und Entwicklungsorganisationen im ganzen Land sind für die Umsetzung dieser Programme und die Bereitstellung der Bildungsgrundlagen für die Entwicklung von Technologie-Start-ups von Bedeutung.

2016 veröffentlichte die Regierung eine umfassende nationale Richtlinie zum Schutz des geistigen Eigentums (intellectual property, IP), die sich mit Fragen der Regulierung und des IP im Allgemeinen befasst und darauf abzielt, Verwaltungskapazitäten aufzubauen. Da Regulierung und Schutz des geistigen Eigentums für die Entwicklung von Innovationen von grundlegender Bedeutung sind, ist dies ein entscheidender Schritt, um Investitionen in Indien auch für ausländische Unternehmen attraktiver zu machen. Ergänzend wurde ein indisches Patentamt eingerichtet. Die Patent­ und Markenregeln wurden 2017 überarbeitet, um die technologische Entwicklung zu erleichtern. Ebenfalls 2016 wurde die erste Einrichtung zur Bekämpfung von Gesetzesverstößen im Zusammenhang mit geistigem Eigentum in Form der Telangana IP Crime Unit gegründet, die im folgenden Jahr von der Maharashtra Cyber Digital Crime Unit (MCDCU) und in einer ähnlichen Einrichtung in Mizoram im Jahr 2018 weitergeführt wurde. Solche Initiativen können Websites mit rechtsverletzendem Inhalt blockieren und eine Schlüsselrolle bei der Förderung innovativer Entwicklungen spielen, indem ihnen eine Rechtsgrundlage zum Schutz von Innovationen zur Verfügung gestellt wird.

Das Robotics-Start-up GreyOrange wurde 2011 in Gurgaon, einem der wichtigsten Technologiezentren in Indien, mit dem Ziel eingeführt, Lagerverwaltung und Logistik, einen der unterentwickeltsten Sektoren Indiens, mittels Robotersystemen zu organisieren. GreyOrange bietet zwei Roboterdienste an: einen „Butler“, der große Gewichte tragen kann, und einen „Sorter“, der Pakete und Materialien einsortiert. Das Technologie­ Start­up Rivigo, das ein zuverlässigeres und sichereres Logistiknetzwerk aufbauen möchte, dient als Beispiel für eine Innovation, die an die indischen Bedürfnisse angepasst ist. Sie wurde 2014 implementiert, um die Logistik der Lastkraftwagen in Indien zu revolutionieren, eine Domäne, die traditionell sehr ineffizient arbeitet. Durch die Technologieplattform kann der Wechsel der Lkw-Fahrer nach einer Fahrtstrecke von 250 Kilometern und einer technischen Überprüfung des Fahrzeugs koordiniert und effizient erfolgen. Dies verbessert sowohl die Straßentauglichkeit des Fahrzeugs als auch die Lebensqualität der Fahrer, die nicht mehr Tage und Wochen auf der Straße verbringen müssen.

Auf globaler Ebene ist Indien für bahnbrechende Erfindungen nicht bekannt, da sich viele Innovationen an ältere Ideen anlehnen. Dennoch werden sie dem indischen Kontext angepasst und führen zu indischen Lösungen für indische Probleme. Innovative Techniken und die Aufgeschlossenheit der Bevölkerung, die Verfügbarkeit von Ressourcen und das Wachstum der Mittelschicht sowie ein höherer wirtschaftlicher Wohlstand ermöglichen es, dass die Bevölkerung in Indien durchaus innovativ ist. Da jedoch auch ein großer Teil der Bevölkerung nicht über ausreichende Ressourcen verfügt, greift dieser auf traditionellere und erfinderische Methoden zurück. In solchen sozialen Milieus wird die Bewältigung grundlegender gesellschaftlicher Probleme häufig stark von der indischen Tradition beeinflusst. Ein Aspekt davon ist „Jugaad“, was in etwa „Einfallsreichtum“ bedeutet und durch Improvisation mit einem Minimum an Ressourcen auskommt.

Trotz des großen Potenzials für innovative Entwicklungen und der Fortschritte, die Indien bisher gemacht hat, bestehen auch heute noch erhebliche Hürden für die weitere Entwicklung. Diese liegen vor allem auf administrativer Ebene. Komplexe, zeitaufwendige und kostspielige Regulierungsverfahren sind Haupthindernisse der Innovationsentwicklung. Ein Großteil Indiens verfügt nicht über eine geeignete Internetkonnektivität, um wesentliche innovative Entwicklungen zu fördern. Tatsächlich ist die Gesamtkonnektivität Indiens in der gesamten asiatisch-pazifischen Region eine der niedrigsten.

Indien hat zwar grundsätzlich ein geeignetes Umfeld für innovative Entwicklungen. Das Land verfügt über eine große und weitgehend jugendliche Bevölkerung, zielgerichtete Regierungspolitiken sowie andere institutionelle und regulatorische Rahmenbedingungen, die innovative Entwicklungen fördern können. In der Praxis ist die Innovationsentwicklung jedoch aufgrund ineffizienter Umsetzung und eines hohen Korrup­ tionsgrads weitaus geringer als möglich wäre. Das Land könnte zu einem weltweiten Innovationsmotor werden, falls Prozesse und Systeme transparenter und effizienter werden und sich nicht auf rhetorische Ankündigungen beschränken. Es gibt daher – ungeachtet aller Fortschritte im globalen Innovationsindex – für Indien viel Raum für Verbesserungen.

 

Peter Rimmele, Auslandsbüro Indien der Konrad-Adenauer-Stiftung

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