Der Weltraum hat die Menschen schon immer fasziniert und zieht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ebenso in den Bann wie Künstlerinnen und Künstler oder Unternehmerinnen und Unternehmer. Der Silicon-Valley-Entrepreneur und SpaceX-Gründer Elon Musk ist mit geradezu kindlicher Begeisterung davon überzeugt, dass der Menschheit eine bessere Zukunft bevorsteht, wenn sie das Weltall und andere Planeten besiedelt, wie er beim International Astronautical Congress im Jahr 2017 sagte: „I think fundamentally the future is vastly more exciting and interesting if we’re a space-faring civilization and a multi-planet species than if we’re not.“1
Ambitionen, die sich mit dem Weltall verbinden, aber auch Ängste, die sich darin wiederfinden, waren von Beginn an Thema der Science-Fiction – seien es US-amerikanische imperiale Heldenträume in den Pulp-Heftchen der 1940er-Jahre wie Flash Gordon, die Verwirklichung der kommunistischen Utopie zur Zeit der Sowjetunion wie in Iwan Jefremows Roman Andromedanebel (1958) oder aber auch die Möglichkeit zur Kritik an den herrschenden gesellschaftlichen Normen wie etwa in dem literarischen Werk von Ursula Le Guin in den 1960er- und 1970er-Jahren. Unvergessen ist natürlich Stanley Kubricks Kultfilm 2001: A Space Odyssey (1968), der, basierend auf der Kurzgeschichte The Sentinel von Arthur C. Clarke, nicht nur die Raumfahrt ganz im Sinne der NASA in einem erhabenen und vom Machbarkeitsglauben gefärbten Licht sowie für die damalige Zeit mit spektakulären Spezialeffekten darstellte, sondern auch über nichts weniger als den Sinn des Lebens philosophierte.
Die Science-Fiction bietet zweierlei: Zum einen lassen sich das wissenschaftlich-technisch Machbare der Raumfahrt sowie die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Menschen ausloten, jedoch auch die Existenz außerirdischen Lebens. Zum anderen ergeben sich Möglichkeiten, anhand der gängigen Weltraumthemen wie fremde Planeten, Raumschiffe oder auch Aliens metaphorisch über die Grundbedingungen des Menschseins, gesellschaftspolitische Konstellationen und unser Verhältnis zum „Anderen“ zu spekulieren. Dabei vertritt Science-Fiction sowohl bewusst als auch unbewusst bestimmte Werte, die sich je nach Perspektive und Zeit verändern können. Im Folgenden wird dies anhand einiger Filmbeispiele erläutert.
„We are world-eaters”
Ein aktuelles Beispiel für die verschiedenen Deutungsebenen zwischen dem Weltraum als Möglichkeit und Projektionsfläche bietet der Film Ad Astra von James Gray aus dem Jahr 2019. In einer näheren Zukunft handelt der Film von der Mission des Astronauten Roy McBride zum Neptun. Roy soll im Auftrag der US Space Command, einer Art Public-Private-Partnership, seinen verschollenen Vater, die Astronautenlegende Clifford McBride, aufspüren, der vor Jahren mit einer Crew zum Neptun aufgebrochen ist, um von dort aus nach außerirdischem Leben zu suchen. Nun steht Clifford im Verdacht, elektromagnetische Stürme zu verursachen, die auf der Erde bereits Tausende Opfer gefordert haben. Der ästhetisch durchaus beeindruckende Film lässt sich einerseits als echte Möglichkeit der Weltraumexploration begreifen, mit regelmäßigen Flügen zu einer Mondbasis und einem Stützpunkt auf dem Mars, wie dies heute auch einige Silicon Valley-Unternehmer imaginieren. Im Gegensatz zur Darstellung in Kubricks 2001 und den Träumen von Elon Musk und Co. wird die Erschließung des Alls jedoch düster dargestellt: Die Raumfahrt ist kommerzialisiert und hat jeden Zauber verloren, der Mond zeigt sich als rechtsfreier Raum, in dem sich internationale Konkurrenz, illegale Aktivitäten und der Kampf um wertvolle Ressourcen zuspitzen. Bei seiner Ankunft auf dem Mond stellt Roy fest, dass alle Hoffnungen, die wir jemals in die Raumfahrt setzten, nun von Getränkekiosken und T-Shirt-Verkäufern zunichte gemacht werden und eine Nachbildung von dem seien, wovor wir auf der Erde fliehen: „We are world-eaters.“ Damit wird das Setting zu einem Spiegel, der aktuelle Zustände auf der Erde wie Kapitalismus, Kommerzialisierung und Ressourcenhunger kritisiert.
Zugleich steht der Hochleistungsberuf des Astronauten als Bild für eine gegenwärtig vom eigenen Ich entkoppelte und technisierte Leistungsgesellschaft: Roy besteht die kontinuierlich geforderten und obendrein maschinell durchgeführten Psychologietests mit Bravour, solange er unfähig ist, seine Gefühle zu zeigen. Sobald er Verletzlichkeit und Trauer zulässt, fällt er durch. Der Film ist also auch eine kritische Reflexion einer Gesellschaft, die keine Schwäche akzeptiert. Die Mission nach „Outer Space“ kann somit entsprechend einer Projektion als metaphorische Reise in den „Inner Space“, in das eigene Seelenleben, interpretiert werden. Der beziehungsunfähige und gefühlskalte Roy, der offensichtlich unter der mangelnden Zuwendung und häufigen Abwesenheit seines Vaters gelitten hat, taucht immer tiefer in seine Psyche ein, je weiter er ins All vorstößt. Am Rand des Sonnensystems wird er schließlich mit den Geistern der Vergangenheit konfrontiert. Ad Astra vertritt eine kritische Sicht auf die Raumfahrt und nutzt diese zugleich, um über die kranke Seele eines Mannes mit Vaterkomplex, die Leistungsgesellschaft, über Unmenschlichkeit und Einsamkeit zu reflektieren.
Ein anderes Beispiel ist der cinematografisch bahnbrechende Film Gravity aus dem Jahr 2013, der noch realistischer anmutet, weil er quasi in unserer Gegenwart spielt. Das von Alfonso Cuarón inszenierte Werk handelt von der Sinnsuche und dem urmenschlichen Überlebenswillen gegen alle Widerstände: Der erfahrene Astronaut Matt Kowalski und die Ingenieurin Ryan Stone – auf ihrer ersten Weltraummission eingesetzt – sollen Updates am Hubble-Weltraumteleskop durchführen. Das Drama beginnt, als die beiden von einer Welle Weltraummüll überrollt werden; eine durchaus realistische Gefahr im Erdorbit, die auf wissenschaftlicher und politischer Ebene schon länger thematisiert wird. Es entsteht eine Kaskade, in der die Kollision weiteren Weltraummüll erzeugt, die als Kessler-Effekt nach dem NASA-Wissenschaftler Donald J. Kessler bekannt ist.2 Infolge der Kollision beginnt eine Odyssee über verschiedene internationale Stationen, vom russischen Teil der ISS in einer Sojus-Kapsel zur chinesischen Raumstation Tiangong und von dort in der Kapsel Shenzhou wieder auf die Erde.
Echte und metaphorische Widerstände
Das Setting im Weltraum, die Technik und die Bedrohung durch Weltraumtrümmer sind durchaus realistisch, auch die Raumstationen, Shuttles und Kapseln existieren in der Realität. Dennoch ist das Weltall eine Metapher für die Schwärze, Sinnlosigkeit und Trauer, die Stone nach dem Unfalltod ihrer Tochter umgeben, und die Trümmer versinnbildlichen die Widrigkeiten, gegen die sie sich behaupten muss. In der Ausweglosigkeit findet sie Anker der Unterstützung; so entdeckt sie in den Kapseln jeweils religiöse Symbole der russischen Kosmonauten und der chinesischen Taikonauten – offensichtlich suchen alle Menschen Halt in der Leere des Alls. Der Weltraum ist hier kein positiv besetzter Ort, der zur Erkundung einlädt, sondern der Inbegriff von existenzieller Bedrohung, der man als Mensch mit blankem Überlebenswillen entgegentreten muss, um wieder sprichwörtlich auf der Erde Fuß fassen zu können.
Rettung der Menschheit?
Das Weltall mit seinen Planeten kann aber durchaus als Zufluchtsort für die Menschheit gesehen werden, sofern das Leben auf der Erde durch den menschengemachten Klimawandel und ökologische Krisen bedroht wird. In der Welt des Hollywood-Blockbusters Interstellar von Christopher Nolan aus dem Jahr 2014 ist die Erde in naher Zukunft fast unbewohnbar geworden: Die Menschen werden von gigantischen Sandstürmen geplagt, Mehltau vernichtet die Ernte, und die landwirtschaftliche Produktion steht vor dem Zusammenbruch. Die einzige Chance für ein Überleben besteht darin, dass die Menschen einen neuen Planeten mit passenden Umweltbedingungen finden. Ein Wurmloch in der Nähe des Saturns verspricht Hoffnung, denn es öffnet den Weg zu zwölf potenziell bewohnbaren Planeten in einer anderen Galaxie. Am Ende ist die Mission erfolgreich, ein neuer Planet wird auf der anderen Seite des Wurmlochs gefunden, und die Menschheit ist gerettet. Wir selbst als weiterentwickelte Wesen der fernen Zukunft, die sich durch Raum und Zeit bewegen können, sind es, die über das notwendige Wissen zur Rettung verfügen und es vermitteln – wir ziehen uns also am eigenen Schopf aus dem Schlamassel. Der neue Planet wird nie gezeigt, dafür aber ein Weltraumhabitat, das den Saturn in der Nähe des Schwarzen Lochs umkreist. Es ist an das zylinderförmige Weltraumsiedlungskonzept des US-Physikers Gerard K. O’Neill angelehnt, das dieser in seinem 1977 erschienenen Buch The High Frontier. Human Colonies in Space vorgeschlagen hatte.3 Das Habitat ist eine perfekte Nachahmung eines idealisierten Stücks Mittlerer Westen der USA: Alles ist grün, es gibt ein Baseballfeld, fruchtbares Ackerland und gepflegte Farmhäuser. Verfremdet ist die Landschaft einzig dadurch, dass sie sich in einem Zylinder befindet und sich wie nach oben gefaltet über die Köpfe der Menschen spannt.
Dieser US-amerikanisch eingefärbten Sicht möchte ich zwei europäische Produktionen des Schweizer Filmregisseurs Tim Fehlbaum entgegenstellen: zum einen Cargo aus dem Jahr 2009, in dem sich die verbliebene Menschheit im Jahr 2267 nach einem ökologischen Zusammenbruch der Erde auf eine gigantische Raumstation in der Erdumlaufbahn geflüchtet hat. Die Raumstation ist allerdings nicht komfortabel und grün wie in Interstellar, sondern überfüllt, kalt und dunkel – ein Abbild des Niedergangs. Die einzige Hoffnung besteht darin, nach Rhea zu gelangen, einem weit entfernten Planeten, der angeblich durch Terraforming zu einem utopischen Idealort mit einer üppigen Vegetation und einem funktionierenden Ökosystem umgewandelt wurde. Rhea entpuppt sich allerdings als Illusion. Am Ende sind Teile der Erde doch wieder fruchtbar und einige Menschen kehren zurück – doch die Frage bleibt im Raum: Können wir Menschen es dieses Mal besser machen, da wir nur eine Erde haben?
In eine ähnliche Kerbe schlägt Tides aus dem Jahr 2021. Auch hier hat die Ausbeutung der Erde die Menschheit fast ausgelöscht, die wenigen Verbliebenen leben auf der Weltraumkolonie Kepler-209. Die Lebensbedingungen sind besser als in Cargo, wenn auch trostlos, doch das größte Problem ist, dass wegen der hohen Weltraumstrahlung keine Kinder mehr geboren werden – eine Herausforderung, die die reale Wissenschaft ebenfalls beschäftigt. Die „extraterrestrischen“ Menschen, die sich als höher entwickelt wahrnehmen, kehren auf die Erde zurück, um besiedelbare Regionen zu finden, und treffen dort auf überlebende „Erdenmenschen“. So ergeben sich Fragen nach neuen Formen des Rassismus, Eugenik und erzwungener Reproduktion, aber auch ein Möglichkeitshorizont zur Weiterentwicklung des menschlichen Miteinanders.
Die Filme sind Beispiele dafür, wie Science-Fiction einerseits konkrete Geschichten über Wissenschaft und Technik erzählt und andererseits Wissenschaft und Technik als zeitgenössische Metaphern nutzt, um ethische, philosophische und gesellschaftspolitische Fragen zu stellen. Der Weltraum, egal ob als einladender oder abweisender Ort, ist dabei das ultimative Bild für das Mysterium der menschlichen Existenz. Die Befassung mit dem All wirft uns immer wieder auf uns selbst zurück, das zeigt die Science-Fiction jenseits des technisch auch noch in Zukunft Machbaren eindrücklich.
Isabella Hermann, geboren 1984 in München, promovierte Politikwissenschaftlerin, Analystin und Speakerin auf dem Gebiet Science-Fiction, seit 2022 Mitglied im Vorstand der Stiftung Zukunft Berlin.
Zum Weiterlesen
Hermann, Isabella: Science-Fiction zur Einführung, Junius Verlag, Hamburg 2023.
1 „Ich denke, dass die Zukunft grundsätzlich viel spannender und interessanter ist, wenn wir eine raumfahrende Zivilisation und eine Spezies mit mehreren Planeten sind, als wenn wir es nicht sind.“ Dave Mosher: „SpaceX has published Elon Musk’s presentation about colonizing Mars – here’s the full transcript and slides“, in: Business Insider, 25.10.2017, www.businessinsider.com/elon-musk-mars-iac-2017-transcript-slides-2017-10 [letzter Zugriff: 21.10.2023].
2 Donald J. Kessler / Burton G. Cour-Palais: „Collision frequency of artificial satellites: The creation of a debris belt“, in: Journal of Geophysical Research, 83. Jg., Nr. A6, 01.06.1978, S. 2637–2646, https://doi.org/10.1029/JA083iA06p02637 [letzter Zugriff: 21.10.2023].
3 Gerard K. O’Neill: The High Frontier. Human Colonies in Space, William Morrow and Company, New York City 1977.