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Künstliche Intelligenz als Werkzeug zur Stärkung der Demokratie

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Vor der Einführung von ChatGPT durch das US-amerikanische Softwareunternehmen OpenAI galt Künstliche Intelligenz (KI) als ein interessantes, allerdings theoretisches Konzept. Inzwischen schreitet die Planung für die Integration von KI-Anwendungen in den verschiedensten Bereichen schnell voran – auch in der Politik. Um die möglichen Auswirkungen von KI auf die moderne Gesellschaft und insbesondere auf die Demokratie zu analysieren, muss man sich auf vier zentrale Dimensionen des Wandels konzentrieren: Geschwindigkeit, Ausmaß, Reichweite und Professionalisierung. Der Fokus liegt dabei auf denjenigen Bereichen, in denen quantitative Veränderungen zu qualitativen Umbrüchen führen könnten – auf den Schnittstellen also, an denen die größten gesellschaftlichen Umwälzungen zu erwarten sind. Dieser Ansatz ermöglicht es, über kurzfristige Entwicklungen hinauszublicken und die tiefgreifenden Veränderungen zu antizipieren, die KI für demokratische Strukturen und Prozesse mit sich bringen könnte.

Die Integration von KI und modernen Technologien in politische Prozesse eröffnet vielversprechende Möglichkeiten, durch demokratische Innovation eine bessere und breitere Bürgerbeteiligung zu fördern. Stellschrauben sind vor allem mehr Transparenz, Mitbestimmung, Kommunikation und Verständnis. Konkret geht es darum, mehr Einblicke in staatliche Prozesse zu ermöglichen, den Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl zu vermitteln, gehört und einbezogen zu werden, und das Verständnis für komplexe politische Prozesse und Herausforderungen zu fördern, um unrealistische Erwartungen abzubauen und vermeintlich einfache Lösungen zu hinterfragen. Während die Diskussion über Künstliche Intelligenz oftmals von Bedenken geprägt ist, soll in diesem Beitrag auf die vielfältigen Chancen eingegangen werden, die diese Technologie für eine verbesserte politische Teilhabe bietet.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Europäische Union. Mit ihren 24 Amtssprachen spielen KI-Übersetzungssysteme bereits jetzt eine Schlüsselrolle. Sie ermöglichen allen Bürgern unabhängig von ihrer Muttersprache Zugang zu politischen Informationen und Debatten. Aber auch für Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen eröffnen sich durch KI neue Möglichkeiten der Teilhabe. Echtzeitübersetzungen machen Diskussionen in dem Moment verständlich, in dem sie stattfinden. Untertitel erleichtern das Verfolgen politischer Inhalte, und Sprachsteuerung ermöglicht die barrierefreie Interaktion mit digitalen Plattformen.


Förderung der Debattenkultur durch Bürgerbeteiligungsplattformen

Künstliche Intelligenz kann auch einen Beitrag zur politischen Information und zum Verständnis politischer Prozesse leisten. KI-Modelle könnten zur Verfügung gestellt werden, um komplexe Themen und Wahlprogramme für breite Bevölkerungsschichten verständlich zusammenzufassen sowie multimedial und leicht zugänglich zu kommunizieren. Politische Diskurse, Entscheidungsprozesse und ihre Folgen werden nachvollziehbar. Somit schaffen diese KI-Modelle mehr Transparenz und fördern eine informationsbasierte politische Teilhabe.

Auch der Dialog zwischen Wählern und Politikern könnte durch KI-Chatbots gefördert werden. Denn diese trainierten Chatbots bieten eine weitere Anlaufstelle für Fragen und könnten diese auch meist schnell beantworten. Bürgerinnen und Bürger würden durch diese Interaktion besser verstehen, warum beispielsweise bestimmte Entscheidungen getroffen werden oder warum der Klimawandel für Kommunalpolitik relevant ist. Chatbots sind aber auch relevant, um die Bearbeitung von Steuererklärungen zu vereinfachen oder andere bürokratische Prozesse, wie das Ausfüllen von Formularen, das Beantragen von Dienstleistungen oder das Einlegen von Widersprüchen, zu erleichtern.

KI-gestützte Bürgerbeteiligungsplattformen begünstigen eine breitere Beteiligung am politischen Prozess, indem sie es den Bürgerinnen und Bürgern erleichtern, ihre Meinungen zu äußern und Vorschläge zu politischen Themen einzubringen. Dadurch kann die Verbindung zwischen Wählern und politischen Entscheidungsträgern gestärkt werden.

„KI-gestützt“ bedeutet in diesem Fall, dass KI beispielsweise eine größere Rolle bei der Moderation von Inhalten spielt. Diese sorgt für faire Diskussionen, würde Hasskommentare konsequent depriorisieren und vertrauenswürdige Quellen priorisieren, um konstruktive Debatten und Meinungen hervorzuheben. Auf diese Weise würde eine solche Bürgerbeteiligungsplattform die Debattenkultur und Kompromissbereitschaft fördern.

Auch die intelligente Auswertung der Inhalte solcher Plattformen liefert wertvolle Erkenntnisse, denn KI könnte darauf trainiert werden, Prioritäten und Trends in den Bürgermeinungen zu erkennen und diese Daten für Entscheidungsträger aufzubereiten; dadurch könnten politische Entscheidungen besser an den Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtet werden.


Verbesserte Kommunikation mit Politikern und Parteien

Künstliche Intelligenz verändert die Kommunikation zwischen Wählern und Politikern grundlegend. Kandidatinnen und Kandidaten können KI-Chatbots einsetzen, die ihre jeweiligen Positionen vertreten und es den Wählern so ermöglichen, jederzeit direkt mit den Positionen der Kandidaten zu interagieren. Ein allgemeiner Chatbot könnte sogar die Positionen aller Kandidaten kennen. Er hilft den Wählerinnen und Wählern, Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, die ihre Ansichten am besten vertreten.

Künstliche Intelligenz verbessert die Auswertung der Wählerkommunikation ebenfalls erheblich. Bürgeranliegen können schnell zusammengefasst und thematisch sortiert werden. KI hebt besondere Einsichten hervor und liefert ein differenziertes Bild der Wählermeinungen. Die politische Kommunikation wird effizienter und aussagekräftiger. Sie hilft Politikerinnen und Politikern, die Anliegen ihrer Wählerinnen und Wähler besser zu verstehen. Gleichzeitig ermöglicht sie den Bürgern einen direkteren Zugang zu politischen Positionen. KI fungiert als Vermittlerin und Übersetzerin zwischen Wählern und gewählten Politikern und fördert so einen bürgernahen politischen Dialog.

KI-gestützte Wahlhilfetools, wie etwa ein Wahl-O-Mat 2.0, sind fortgeschrittene Systeme, die weit über einfache Parteienvergleiche hinausgehen. Sie könnten komplexe politische Szenarien und deren Auswirkungen – etwa die Folgen möglicher Koalitionsbildungen auf nationaler und europäischer Ebene – simulieren. Sie modellieren, wie sich verschiedene Wahlentscheidungen auf Wirtschaft, Politik, Freiheit und Klima auswirken könnten. Die Nutzerinnen und Nutzer erlangen damit ein besseres Verständnis der politischen Landschaft und der möglichen Folgen ihrer Wahlentscheidung.

KI-gestützte Vorhersagemodelle können so komplexe Zusammenhänge greifbar und verständlich darstellen sowie die Auswirkungen von Wahlen visualisieren. Wähler können verschiedene Szenarien durchspielen und deren Folgen abschätzen. Künstliche Intelligenz wird damit zu einem wertvollen Instrument der demokratischen Bildung und Entscheidungsfindung.


Werkzeug gegen Desinformation

Künstliche Intelligenz kann im Kampf gegen Desinformation eine entscheidende Rolle spielen. Sie kann riesige Mengen von Online-Inhalten in Echtzeit analysieren und Falschinformationen erkennen. KI ist in der Lage, gleichzeitig nach vielen Parametern wie Sprachmustern, Quellen und Verbreitungsgeschwindigkeit von Nachrichten zu suchen. Sie erkennt auch für Menschen schwer erkennbare Unregelmäßigkeiten in Bildern und Videos, um synthetische Inhalte, sogenannte Deep Fakes, von authentischen Inhalten zu unterscheiden und zu kennzeichnen.

KI-Systeme könnten auch vertrauenswürdige Quellen hervorheben und vor zweifelhaften Inhalten warnen. Da der Informationsraum immer unübersichtlicher wird, wäre dies eine Chance, um das Vertrauen der Wähler in die verfügbaren Informationen zu stärken. Auch Unique Media Identifiers (UMIs) könnten angesichts verwirrender Doppelgänger-Desinformationskampagnen, in deren Rahmen Fake News gezielt auf gefälschten Webseiten verbreitet werden, eine Rolle spielen. UMIs verifizieren Webseiten und Inhalte; KI-Systeme könnten Informationen auf Grundlage dieser UMIs als „vertrauenswürdig“ oder „nicht vertrauenswürdig“ einstufen. KI wird damit zum Garanten für verlässliche Informationen im demokratischen Diskurs.

Darüber hinaus könnten KI-gestützte Medienkompetenzprogramme Bürgerinnen und Bürger interaktiver und personalisierter darin schulen, Desinformation zu erkennen. Verschiedene Lernmodule, Empfehlungen und spielerische Ansätze könnten individuell auf Personen zugeschnitten werden, ohne zusätzliche Kosten zu verursachen. KI wird so zum Bildungswerkzeug.

Die rasante Entwicklung der KI-Technologie verlangt uns eine flexible Denkweise ab. Wir müssen zwischen den grundsätzlichen Möglichkeiten und den derzeitigen praktischen Grenzen von KI-Systemen unterscheiden. Was heute noch unmöglich erscheint, kann morgen bereits Realität sein. Mit anderen Worten: Wir müssen unsere Vorstellungen von den Grenzen und Potenzialen Künstlicher Intelligenz ständig überprüfen und anpassen. Im Laufe der Zeit wird sich auch unsere Akzeptanz dieser Technologien ändern. Wir integrieren neue Technologien oft überraschend schnell in unseren Alltag und können schon heute beobachten, wie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz vor allem im Wahlkampf von Parteien weltweit genutzt wird, um Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren.

Politische Teilhabe ist ein hohes Gut, das es zu stärken gilt. Mehr Partizipation fördert differenzierte demokratische Prozesse, stärkt das Vertrauen in staatliche Institutionen und verbessert die Qualität des politischen Diskurses. Künstliche Intelligenz kann hier einen entscheidenden Beitrag leisten sowie unsere Demokratie stärken und zukunftsfähig machen, denn sie kann politische Informationen und Beteiligungsmöglichkeiten individuell auf einzelne Bürgerinnen und Bürger zuschneiden und so Relevanz und Engagement erhöhen.

 

Katja Muñoz, geboren 1980 in den USA, promovierte in Politik, Research Fellow im Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Berlin.