Es wird nicht langweilig: Als angehender Gymnasiallehrer kommt man nicht daran vorbei, seine Berufsentscheidung zu hinterfragen. Beispielsweise sind die Veränderungen in der Schullandschaft und in der Schülerschaft gravierend und wecken manchen Zweifel. Gerade das Gymnasium, das sich – zum Glück! – unterschiedlichen Schichten und Milieus geöffnet hat sowie verstärkt behinderte und nicht behinderte Schüler unter einem Dach vereint, muss im Vergleich zu vergangenen Zeiten viel mehr Erziehungsarbeit leisten und abseits des Stoffes soziale und kulturelle Kompetenzen vermitteln, die nicht mehr durch die elterliche Erziehung vorausgesetzt werden können. Gymnasiallehrer müssen heute mehr und Neues leisten – gleichzeitig ist ihr Ansehen stark gesunken. Sie sind einer Situation ausgesetzt, in der sie ihr Handeln nicht mehr nur vor ihren Schülern und Kollegen, sondern auch intensiv vor den Eltern rechtfertigen müssen, die sich immer mehr als Anwälte und Lebenslaufdesigner ihrer Kinder verstehen. Allein der zeitliche Aufwand für Elterngespräche und Konferenzen schreckt mich persönlich ein Stück weit ab.
Im Ganzen bin ich dennoch davon überzeugt, dass die guten Seiten des Berufs überwiegen. Es geht auch darum, sich selbst weiterzuentwickeln und zu entdecken, wie man in unterschiedlichen Situationen die verschiedensten Menschen positiv beeinflussen kann. Lehrer arbeiten immer wieder mit neuen Kindern, deren Entwicklung sie begleiten dürfen. Es wird nicht langweilig. Darauf habe ich Lust!
Andreas Lins, geboren 1988 in Ravensburg, Lehramtsstudent (Latein und Geschichte, 11. Semester), Universität Konstanz, Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Verunsichert: Die Institutionen Gymnasium und Universität sind aufeinander angewiesen und deshalb zu Recht eng aufeinander bezogen. So sorgt das Gymnasium für einen hoffentlich guten akademischen Nachwuchs, wofür die universitäre Lehrerbildung wiederum die einzig adäquate Voraussetzung darstellt. Es liegt eine große Gefahr darin, diesen Zusammenhang aufzulösen, wie es zurzeit mit den baden-württembergischen Initiativen zum „Einheitslehrer“ geschieht. Dennoch ist zu bedauern, dass das universitäre Lehramtsstudium für das Gymnasium nicht gerade durch Praxisnähe glänzt und Studierende nicht in ausreichendem Maße für die bevorstehenden Herausforderungen wappnet. Vor allem aber herrscht angesichts der endlosen Diskussionen über mögliche Schulreformen Verunsicherung. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich gerade die fähigsten Lehramtsstudenten – insbesondere aus dem Bereich der Naturwissenschaften – von vielfältigen und lukrativen Angeboten aus der Wirtschaft angelockt fühlen. Wie kann also der Lehrerberuf für Studierende attraktiv werden, die nicht nur mit Herz und Seele ihr Fach betreiben, sondern auch mit Begeisterung der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen entgegensehen?
So bedeutend die aktuellen Debatten über die passende Schulform sein mögen: Weitaus wichtiger erscheint eine Debatte über Unterrichtsqualität und über den Beruf des Gymnasiallehrers an sich. Welche zusätzlichen Kompetenzen brauchen sie heute? Wie sieht ein guter Unterricht aus? Wie kann den Lehramtsstudenten eine (noch) bessere Ausbildung gewährt werden?
Notwendige Bedingung für den Erfolg von Schulen sind für mich fachlich kompetente Lehrkräfte, die auch pädagogisch eine gute Ausbildung durchlaufen haben. Um dem gerecht zu werden, bedarf es Änderungen im universitären Lehramtsstudium. In diesem Zusammenhang ließen sich beispielsweise (härtere) Auswahlkriterien für Studienanfänger oder auch insgesamt ein Anheben des Gesamtniveaus diskutieren. Auf diese Weise würden nicht nur weniger Studierende aus falschen Gründen ein Lehramtsstudium beginnen, sondern es würden auch mehr Anreize für diejenigen gesetzt, die mit Entschlossenheit und Eifer den Weg zum Gymnasiallehrer zu gehen gedenken.
Rainer Petretti, geboren 1988 in Bad Waldsee, Lehramtsstudent (Latein und Mathematik, 8. Semester), Universität Konstanz, Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Vom Erdulder zum Gestalter: Lehren am Puls der Zeit erscheint mir als ein spannendes Unterfangen. Doch birgt die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Leistungsgesellschaft die Gefahr in sich, die Form einer reinen Wissensvermittlung ohne ganzheitlichen Bildungsanspruch anzunehmen. Meine bisherige Praxiserfahrung hat mir deutlich vor Augen geführt, wie groß der Druck der Leistungsüberprüfung geworden ist. Die individuellen Bedürfnisse der Heranwachsenden geraten darüber oft in den Hintergrund.
So kommt es, dass sowohl Lehrende als auch Lernende unter einem massiven Motivationsverlust leiden, der eine gewinnbringende Lernsituation oft nicht mehr entstehen lässt. Das Humboldt’sche Ideal einer umfassenden Bildung junger Menschen – einer Erziehung des Kindes zum Menschen selbst – darf nicht passé sein! Dieser achtenswerte Anspruch des Gymnasiums lässt sich aber kaum noch mit dem sturen Auswendiglernen in Einklang bringen, wie es allzu oft praktiziert wird. So befürchten Kritiker nicht ohne Berechtigung, dass Bildung zur „Ware“ verkommt. Die Aufgabe des Gymnasiums muss mehr denn je in einer umfassenden Persönlichkeitsförderung liegen. Die Erdulder der grassierenden einseitigen Leistungsorientierung an den Gymnasien von heute werden morgen nur schwerlich zu verantwortlichen Gestaltern unserer Zukunft. Das Stichwort „Saluto-Genese“, das in moderner Form eine ganzheitliche Herangehensweise an die menschliche Entwicklung beschreibt, sollte kein Fremdwort bleiben. So könnte sich Lehren am Puls der Zeit wieder lohnen.
Anna Löffler-Gutmann, geboren 1989 in Dachau, Lehramtsstudentin (Englisch, Schulpsychologie, Didaktik des Deutschen als Fremdsprache, 8. Semester), Universität München, Stipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Wissen und Können vernetzen: Das Gymnasium muss auf das Leben im 21. Jahrhundert vorbereiten. Am Ende gewinnt nicht der Schüler, der am meisten weiß, sondern jener, welcher Wissen und Können am besten vernetzt. Der Wunsch, Kinder auf diesem Weg zu unterstützen, sollte junge Menschen zum Beruf des Gymnasiallehrers bewegen.
Heutzutage brauchen Jugendliche wichtige Fähigkeiten, um ihr Wissen verknüpfen und vor allem anwenden zu können. Sie benötigen Schlüsselkompetenzen, um sich in einer immer schneller werdenden Welt zurechtzufinden. Das Gymnasium, das die Heranwachsenden auf eine akademische Ausbildung vorbereiten soll, muss demnach zwei Facetten aufweisen: Es muss einerseits (noch immer) wichtige Inhalte vermitteln und andererseits das Handwerkszeug bereitstellen, mit dem die Schüler später weitere Wissensgebiete selbstständig erschließen können.
Das Gymnasium muss voranschreiten und beispielsweise die Grenzen der Fächer sprengen. Ein moderner Lehrer braucht den Mut, zusammen mit seinen Kollegen die verschiedenen Wissensgebiete zu verbinden, damit die Jugendlichen die Themen in ihrer Ganzheit zu verstehen lernen. Wenn also das Werk Johann Wolfgang von Goethes behandelt wird, ist das nicht nur eine Sache für den Deutschunterricht. In Geschichte könnten gleichzeitig die historischen Entstehungsbedingungen vermittelt werden, und in Geografie würden die Schülerinnen und Schüler die Reisewege nach Italien nachvollziehen. Der Kunstunterricht könnte Goethes Farbenlehre zum Thema haben. Eine übergreifende Thematik, vier Fächer – den Gymnasiasten darf diese Anforderung zum „vernetzten Denken“ zugetraut werden.
Ronny Zimmermann, geboren 1991 in Pirna, Lehramtsstudent (Deutsch und Sport, 9. Semester), Universität Marburg, Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Bloß keine LernBulimie: Anderen etwas beizubringen, sie zum Nachdenken zu motivieren und besonders diejenigen zu fördern, die sich aufgegeben haben, ist mir besonders wichtig. Aber die Förderung von künftigen Leistungsträgern sollte ein ebenso bedeutendes Ziel bleiben. Das Gymnasium muss ein Ort sein, an dem Engagement gefördert wird und nicht behindert. Das scheint mir eines der entscheidenden Ziele für die Zukunft des Gymnasiums zu sein. Dabei sind Nachdenken und Debattieren wichtiger als stupides Auswendiglernen, die sogenannte „Lern-Bulimie“.
Die aktuelle Situation in Sachsen-Anhalt beunruhigt mich. Ich plädiere für einen strengeren Notenschlüssel, anstatt die Prozentsätze guter Noten künstlich anzuheben, sodass aus einer Vier einfach eine Drei werden soll. Nicht jeder gehört auf ein Gymnasium! Es kann nicht der richtige Weg sein, durch „gute Noten“ alle besser aussehen zu lassen, um auf diese Weise mehr Abiturienten „durchzubringen“, gleichzeitig dadurch aber das Niveau zu senken! Das Abitur ist heute doch schon fast inflationär. Deutschland braucht gute Fachkräfte, diese werden hervorragend in den Sekundarschulen ausgebildet. Wer das Gymnasium besucht, sollte auch ein Studium als Ziel vor Augen haben.
Tim Hase, geboren 1991 in Quedlinburg, Lehramtsstudent (Geschichte, 5. Semester), Universität Halle-Wittenberg, Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung.