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Vom Kreuzfahrtschiff ins Rettungsboot

Sorgen der Generation Z

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Viele Menschen, die nicht meiner Generation angehören, verstehen uns vielleicht nicht, uns, die Generation Z. Wir, geboren zwischen 1995 und 2010, sind die jüngste Wählergruppe im Alter zwischen vierzehn und 29 Jahren. Für uns, die Generation Z, gilt der Spruch „Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer mit 40 noch Kommunist ist, hat keinen Verstand“ augenscheinlich nicht mehr. Zum ersten Mal stehen in der Wählergunst der jüngsten Generation keine linken Parteien auf Platz eins.

Das hat besonders nach der Europawahl viele Reaktionen hervorgerufen. Schlagzeilen wie „Rechtsruck in der Jugend“, „Junge Menschen wählen anders“, „AfD-Trend bei jungen Wählern“ haben die Medien in den Tagen danach beherrscht. Vonseiten der Grünen und der SPD hieß es, die Jugend müsse deren Politik nur richtig verstehen, sie müsse erkennen, dass die eigene Politik doch die richtige sei. Es wurden Ausreden gesucht. Die beliebteste: TikTok. Die junge Generation sei dort in die falsche Richtung gelenkt worden, verwirrt, ahnungslos, die Welt nicht verstehend. Es wird so getan, als ob die junge Generation nicht in der Lage wäre, eine bedachte Wahlentscheidung zu treffen.

Vor fünf Jahren noch haben laute Stimmen vor allem bei den Grünen gefordert, man müsse die junge Generation mehr einbinden, man müsse mehr auf sie hören. Schließlich sei es ja diese Generation, die mit den Folgen der heutigen Politik am längsten leben müsse. Es wurde sogar das Wahlrecht ab sechzehn Jahren eingeführt. Aber jetzt, da die junge Generation nicht mehr jeden Freitag für Fridays for Future auf die Straße geht, jetzt, wo nicht mehr die Grünen oder die SPD die Umfragewerte bei den unter Dreißigjährigen anführen, sollen wir plötzlich nicht mehr in der Lage sein, für uns selbst zu entscheiden? Sobald die junge Generation nicht mehr die Ampel wählt, ist sie also von TikTok fehlgeleitet? Plötzlich wird meine Generation nicht mehr ernst genommen. Das hinterlässt Frust. Denn niemand begibt sich auf die Suche nach den Ursachen. Niemand versucht, zu verstehen, warum das passiert. Niemand versucht, unsere Geschichte nachzuvollziehen.

 

Das Gefühl, es geht so weiter

Ich möchte niemanden verteidigen, denn man sieht es an mir und vielen anderen, wie engagiert meine Generation für die Demokratie eintritt. Es ist fatal, eine teilweise als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei zu wählen. Sie gefährdet ganz klar unsere Demokratie. Allerdings möchte ich dabei helfen, zu verstehen, warum sie gewählt wird.

Wenn man von außen auf die Generation Z schaut, könnte man meinen, uns geht es doch so gut wie keiner Generation zuvor. Der Zweite Weltkrieg liegt mindestens zwei Generationen zurück. Wir sind in einem geeinten Deutschland und einem vereinten Europa aufgewachsen. Wir können uns an kein Europa ohne den Euro, ohne freie Grenzen, ohne gemeinsame Identität erinnern. Wir mussten keinen Wehrdienst leisten, und es ging den meisten wirtschaftlich gut. Man könnte meinen, wir könnten uns nicht beschweren, oder?

Aber vielleicht ist genau das unser Problem. Denn wenn man sich anschaut, wie die Generation Z politisch geprägt wurde, stellt man fest: Viel Aufregung herrschte in dieser Zeit zunächst nicht. Zwischen dem „Geburtsjahr“ der Generation Z und dem Beginn der Merkel-Ära 2005 liegen zwar genau zehn Jahre. Jedoch lag das Alter bei den Menschen der Generation Z damals gerade einmal bei zehn Jahren. Andere aus dieser Generation waren noch gar nicht auf der Welt.

Wie hat uns die Ära Merkel geprägt? Seit 2005 hat Merkel in Deutschland, wenn nicht auch in Europa alles im Griff gehabt. Mit der Finanzkrise 2008 gab es die erste große Krise, jedoch blieb der Run auf die Banken durch den Satz „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind“ aus. 2015 kam die nächste Megakrise: die sogenannte Flüchtlingskrise, mit Auswirkungen bis heute. Aber ein Krisengefühl ist in diesen Jahren nach meiner Beobachtung unter uns nicht aufgekommen. Immer hatte man das Gefühl, es geht so weiter.

2019 wurde unter Schülerinnen und Schülern die Fridays for Future-Bewegung groß. Viele von uns gingen jeden Freitag auf die Straße, um für eine andere Klimapolitik zu demonstrieren. Demokratie wurde mit Leben gefüllt. Fast euphorisch wurde von einer Welle neuen politischen Engagements gesprochen. Doch was ist davon geblieben?

2020 beginnt die Coronakrise. Die Generation Z ist inzwischen zehn bis 25 Jahre alt und bekommt sie knallhart zu spüren. Unser ganzes Leben gerät außer Kontrolle: keine Uni, keine Schule. Man trifft keine Freunde mehr, geht seinen Hobbys nicht mehr nach. Die Welt ist eine andere, fast zwei Jahre lang.

Bei der Bundestagswahl 2021 wählt schon die Hälfte der Generation Z mit. Einige verbreiten Aufbruchstimmung. Die Ära Merkel ist zu Ende, und die Ampelkoalition erweckte bei vielen Hoffnungen. Wir kamen aus einer Pandemie, und alle wollten nach vorn in ein moderneres, umweltbewussteres oder sogar cooleres Deutschland.

Seitdem werden wir tagtäglich mit einer anderen Realität konfrontiert. Die gelbgrün-rosarote Brille von „Wir probieren eine neue Koalition aus“ trübte sich schnell ein. Wir erlebten den ständigen Streit zwischen den Ampelparteien, die Unfähigkeit des Bundeskanzlers, seine Richtlinienkompetenz durchzusetzen. Das Nichttreffen von Entscheidungen. Wenn überhaupt etwas geschieht, dann meist nichts Überzeugendes, keines der so drängenden Probleme wird gelöst.

2022 beginnt der Überfall Russlands auf die Ukraine. Zum ersten Mal seit über 75 Jahren gibt es einen großen Krieg in Europa. Etwas, das meine Generation nie erlebt hatte, ja noch nicht einmal mehr aus den Erzählungen der Großeltern kennt. Krieg erschien so weit entfernt, dass wir ihn für irreal hielten. Wir sind nicht bei der Bundeswehr gewesen, denn die Wehrpflicht wurde ausgesetzt. Und plötzlich gibt es einen großen Krieg in Europa, der von einer Atommacht geführt wird. Die Generation Z ist verunsichert. Und was macht Deutschland? Sicherheit vermittelt die Regierung nicht. Der Bundeskanzler ist unsicher, seine Koalitionspartner lagen im Dauerstreit.

 

Eingeschränkte Perspektiven

2024 ist die Generation Z vierzehn bis 29 Jahre alt. Die meisten haben die Schule beendet, viele sind bei den Eltern ausgezogen, viele haben die erste eigene Wohnung, manche studieren, manche machen eine Ausbildung, viele arbeiten, einige haben bereits geheiratet, einige bekommen gerade Kinder, und die sehr Wohlhabenden kaufen sich ein Eigenheim. Wir werden mit der Realität des Lebens konfrontiert und mit allen Problemen, die die Ampelregierung nicht löste.

Die Generation Z will umziehen, doch der Wohnungsmarkt ist überlastet. Am meisten in den großen Studentenstädten. Die Mieten übersteigen jeden BAföG-Satz und jedes Ausbildungsgehalt. Wohnungen gibt es oft nur illegal untervermietet, ohne offizielle Anmeldung oder zu horrenden Preisen. Die Energiepreise steigen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine stark an. Auch die Preise für Benzin steigen. Das erste eigene Auto ist zu teuer zum Fahren, und der Strom in der ersten eigenen Wohnung wird teurer.

Die Inflation steigt rapide. Alles wird teurer, man kann sich weniger leisten. Vielleicht nimmt man einen Nebenjob an, und plötzlich steht man vor der nächsten Entscheidung: Lohnt es sich, in die Rentenkasse einzuzahlen? Nach drei Google-Suchen kommt man zu der Erkenntnis, dass dieses Rentensystem nicht mehr funktionieren wird, wenn wir irgendwann in Rente gehen wollen. Alle wissen das, aber die Politik tut nichts, so zumindest ist das Gefühl.

Das Leben geht weiter, die Berufsausbildung ist geschafft, und man nimmt den ersten richtigen Job an. Mancher hat den großen Traum vom eigenen Heim. Man beginnt sich zu informieren, doch die Preise für Häuser sind seit unserer Großelterngeneration um ein Vielfaches gestiegen. Der Traum, sich irgendwann ein eigenes Haus oder eine Wohnung zu leisten, rückt in weite Ferne. Man heiratet, bekommt vielleicht ein Kind, und die Probleme werden nur mehr. Es ist nicht mehr so, dass ein Elternteil zu Hause bleiben kann. Denn ein Einkommen allein trägt keine Familie mehr. Nachdem man sich durch die Bürokratie gewühlt hat, gibt es keinen Kita-Platz.

Wenn man krank wird: Der Hausarzt überweist einen an einen Facharzt. Doch den nächsten Termin gibt es erst in einem Dreivierteljahr. Man wird von Arzt zu Arzt geschickt, muss jedes Mal lange warten. Man hat das Gefühl, das Leben wird unsicherer. Die Kriminalitätsrate steigt, und wer Pech hat, wird tatsächlich Opfer einer Straftat. Man wartet Monate oder Jahre auf einen Gerichtstermin, und wenn er endlich da ist, wird er verschoben, weil die E-Akte an diesem Tag wieder mal nicht funktioniert.

 

Nur noch Probleme ohne Lösungen

Bald wird gewählt. Man sitzt vor dem Laptop und schaut sich eine politische Debatte an. Viele haben nicht das Gefühl, dass jemand von denen, die dort sitzen, irgendwas ändern kann. Es fühlt sich so an, als ob es nur noch Probleme ohne Lösungen gibt. Fragen wie „Was passiert, wenn der Krieg nach Deutschland kommt?“, „Was mache ich, wenn ich in Rente gehen will?“, „Wie soll ich mir das alles noch leisten?“ und „Wann fühle ich mich wieder sicher?“ schwirren einem im Kopf herum. Man hat das Gefühl, das System funktioniert nicht mehr. Denn plötzlich gibt es so viele Probleme. Probleme, die wir nie erlebt haben. Wir haben nie gelernt, resilient zu sein.

Denn es gab zwar Probleme, aber Deutschland erschien wie ein riesiges Kreuzfahrtschiff auf dem Meer. Es gab zwar ein paar Wellen, und man hat mal einen Spritzer Wasser abbekommen, aber alles in allem war es ruhig. Jetzt fühlt es sich so an, als ob wir auf einem kleinen Rettungsboot sitzen, das auf hohen Wellen schwankt, nur mit einem kleinen Paddel in der Hand und keinem Plan im Kopf.

Und dann sitzt man am Wahlsonntag vor dem Wahlzettel.

 

Feodora Lüdemann, geboren 2005 in Berlin, Stipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung, Bundesvorsitzende der Schüler Union.

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