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Die Debatte über die Kirchenfinanzierung

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„Hätte ich gewusst, wie teuer es ist, hier Katholik zu sein, wäre ich sofort ausgetreten.“ So wie dem früheren Stürmer von Bayern München Luca Toni geht es möglicherweise vielen jungen Menschen, wenn sie zum ersten Mal ihren Gehaltszettel sehen und feststellen, wie viel Kirchensteuer sie zahlen. Und auch für Ältere hört die Freundschaft beim Geld offenbar auf. Das legen zumindest die Kirchenaustrittszahlen 2013 und 2014 nahe; mutmaßlich, weil das Verfahren des Kirchensteuereinzugs für die Kapitalertragsteuer geändert und deutlich wurde, dass auch hier eine Zahlung fällig war. Doch der Kirchenaustritt mit dem Hinweis auf den Steuerbescheid ist oft nur der letzte Schritt, dem eine lange Zeit der Entfremdung vorausgegangen ist.

Nicht nur individuell, auch in der Öffentlichkeit schlägt die Diskussion um Geld und Kirchen immer wieder hohe Wellen. Besonders wenn Skandale aufgedeckt werden, werden die Stimmen der Kirchenkritiker laut. Fehlverhalten bei gemeinnützigen Institutionen wird genau beobachtet und medial hart bestraft. Die Kritik hat jedoch sehr verschiedene Intensitäten und Motivationen.

 

Religionskritisches Klima

Unter Laizisten, die ein kirchen- und religionskritisches Klima in der Gesellschaft fördern und die Religionsausübung in den privaten Bereich verbannen wollen, sind die Gegner einer Finanzierung von religiösen Institutionen durch den Staat zahlreich. Seit dem Violettbuch Kirchenfinanzen von Carsten Frerk 2010 haben Publikationen, die sich kritisch mit kirchlichen Finanzen auseinandersetzen, erheblich zugenommen. In den Augen dieser Kritiker hat Gott „hohe Nebenkosten“ – wie der Titel eines der Werke sagt. Mit deren durchaus umstrittenen Zahlen begründen Politiker vor allem auf der linken Seite des politischen Spektrums ihre Forderungen, staatliche Leistungen an Kirchen abzuschaffen. Aktuell führt das beispielsweise dazu, dass die öffentlichen Zuschüsse für Katholikentage hart umkämpft sind. Die Stadt Münster hat die erbetene finanzielle Unterstützung für den Katholikentag 2018 in Sachleistungen umgewandelt.

Kritik kommt aber auch aus der Kirche selbst. Als Kronzeuge wird gern Papst Benedikt XVI. zitiert, der in seiner Freiburger Rede 2011 eine „Entweltlichung“ der Kirche gefordert hatte. Wie auch immer man dieses Wort interpretiert, richtig ist, dass sich die Kirche nicht vom Geld abhängig machen darf. Das Geld muss immer Mittel zum Zweck bleiben.

 

Regelungen in anderen Ländern

Wie Geld für religiöse und karitative Zwecke eingenommen und verwandt wird, ist in allen Ländern und Religionsgemeinschaften unterschiedlich geregelt, abhängig von der theologischen Lehre, kulturellen Traditionen und staatlichen Regelungen. Bei der Diskussion um eine Reform des deutschen Systems wird häufig auf andere Verfahrensweisen verwiesen. Grob lassen sich drei Modelle unterscheiden: Finanzierung durch den Staat, Finanzierung durch die Beiträge der Mitglieder und Finanzierung aus Vermögen. In den meisten Ländern kommen Elemente aus allen drei Typen gemischt vor.

Unter dem Gesichtspunkt eines lebendigen Gemeindelebens wird oft das amerikanische Beispiel gepriesen. Die Notwendigkeit, Spenden einzuwerben, motiviere die Geistlichen zu höheren Anstrengungen und Einfallsreichtum. Sie führe auch zu einem gesteigerten Interesse und Engagement der Mitglieder, die sich für selbst finanzierte Projekte stärker einsetzten und sich in Gemeindeaktivitäten einbringen würden. Übersehen wird dabei, dass Geistliche von Großspendern abhängig werden können, viel Zeit für Werbung aufbringen müssen und Gemeinden in sozial schwächeren Gebieten oder auf dem Land benachteiligt sind.

Förderung von größerer Nähe und Akzeptanz der Kirchensteuer bei den Gläubigen verspricht man sich vom Schweizer Modell. Dort werden in den Kantonen, die eine Kirchensteuer kennen, die Beiträge der Kirchenmitglieder auf kommunaler Ebene eingezogen. In den Kirchengemeinden wird entschieden, wie hoch die Steuern sind und wie sie verwendet werden. Die Nähe von Finanzverantwortlichen und Steuerzahlern führt zu pragmatischem Handeln. Die Kirchenaustrittszahlen und die Bindung der Mitglieder an ihre Kirche werden davon jedoch nicht beeinflusst. Sie bewegen sich auf einem ähnlichen Niveau wie in Deutschland.

Mit Blick auf eine gleiche Belastung aller Steuerpflichtigen und die Entkoppelung von Kirchenzugehörigkeit und Zahlungsverpflichtung wird von Kritikern oft auf Italien verwiesen. Seit den 1990er-Jahren gibt es dort die Einrichtung des „Otto per mille“. Diese Regelung besagt, dass jeder Steuerpflichtige unabhängig von der Konfessionszugehörigkeit auf seiner Steuererklärung ankreuzen kann, welcher Religionsgemeinschaft oder welchen (staatlichen) humanitären Projekten er acht Promille seiner Steuerschuld zukommen lassen möchte. In diesem Fall sind die Kirchen jedoch vom Staat abhängig, der die Hebesätze alle drei Jahre ändern kann und es in der Hand hat, wie viel er der Kirche zuweist.

Auch aus anderen Ländern, in denen eine Teilzweckbindung der Einkommensteuer für gemeinnützige Vereine und Religionsgemeinschaften diskutiert wird, kommen Vorbehalte. In Polen gibt es Stimmen, die sich gegen einen Vergleich zwischen dem lebendigen polnischen Katholizismus mit gemeinnützigen Organisationen wenden.

 

Das deutsche System

In Deutschland ist die wichtigste Grundlage der Finanzierung kirchlichen Lebens die Kirchensteuer. Im 19. Jahrhundert in den deutschen Ländern anstelle der Besoldung der Geistlichen durch den Landesherrn nach und nach eingeführt, ist sie seit der Weimarer Reichsverfassung ein Zeugnis der Trennung von Kirche und Staat. Sie ist der Sache nach ein Mitgliedsbeitrag, der nur von Steuerpflichtigen eingezogen werden kann, die den jeweiligen Religionsgemeinschaften angehören. Je nach Bundesland beträgt sie acht oder neun Prozent der Einkommensteuer. Der Einzug erfolgt über die Finanzämter, die dafür von den Kirchen mit zwei bis vier Prozent der Summe entschädigt werden. Wenn in den letzten Monaten immer wieder auf Rekordeinnahmen an Kirchensteuern hingewiesen wurde, so lag das vor allem an der guten Konjunktur. Wenn hohe Einkommen- und Lohnsteuern gezahlt werden, profitieren auch die Kirchen. Tatsächlich sind aber die realen Einkünfte der Kirchen kaufkraftbereinigt seit den 1990er-Jahren gefallen. Geschuldet ist das – unabhängig von den Austritten – dem demografischen Wandel: Die Besserverdienenden scheiden aus dem Erwerbsleben aus, und es sterben mehr Gläubige, als durch Taufe hinzukommen. Schon jetzt suchen die Verantwortlichen in den Kirchen nach Strategien, die erwarteten Ausfälle zu kompensieren, um die langfristigen Verpflichtungen etwa an Pensionszahlungen erfüllen zu können.

Gemessen an Kriterien wie Beitragsgerechtigkeit und sozialem Ausgleich zwischen armen und reichen Bistümern beziehungsweise Landeskirchen, Unabhängigkeit von Großspendern und theologischen Richtungen, Planungssicherheit und Ergiebigkeit ist das deutsche System im internationalen Vergleich leistungsstark.

Weit weniger, nur etwa fünf Prozent der Kirchenfinanzierung, erbringen die sogenannten Staatsleistungen im engeren Sinn. Sie beruhen größtenteils auf Entschädigungen für Säkularisationen aus dem 19. Jahrhundert und sind oft Hauptgegenstand der Kritik. Seit fast einhundert Jahren wird über geeignete Formen der verfassungsrechtlich vorgesehenen Ablösung diskutiert. Wegen der großen regionalen Unterschiede auf kirchlicher wie auf staatlicher Seite scheuen die Beteiligten radikale Lösungen. Gleichwohl gibt es immer wieder neue Vorschläge und einzelne kleine Schritte hin zu einvernehmlichen Änderungen. Eine weitere Bereinigung liegt auch im Interesse der Kirchen, die damit Angriffsflächen vermindern.

 

Gemeinsame Gestaltung der gesellschaftlichen Aufgaben

Von diesen Staatsleistungen zu unterscheiden sind die Bereiche, in denen der Staat und die Kirchen kooperieren. Hier wird oft von der „fördernden“ oder „wohlwollenden“ Neutralität des Grundgesetzes gesprochen: Die gemeinsamen Angelegenheiten beziehen sich auf die staatliche Kostenübernahme für die Seelsorge in Krankenhäusern, im Strafvollzug oder beim Militär und auf den konfessionellen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Im Rahmen der Gesetze des Sozialstaats, an dessen Entstehen die Kirchen seit dem 19. Jahrhundert einen erheblichen Anteil hatten, werden christliche Krankenhäuser, Jugendhilfemaßnahmen, Behinderteneinrichtungen und Seniorenbetreuungen bezahlt. Entgelte für Caritas und Diakonie stammen zum größten Teil, wenn auch nicht vollständig, aus Sozialversicherungsbeiträgen.

Eine andere Grundlage haben die Zuwendungen für Kindergärten, Schulen und weitere Bildungseinrichtungen. Dem Subsidiaritätsprinzip folgend, erfüllen diese den staatlichen Auftrag, Bildung zu vermitteln. Andere freie Träger, wie der Humanistische Bund oder Waldorfeinrichtungen, erhalten die gleichen Zuwendungen für ihre Dienste. Die Finanzierung der theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten wiederum erbringt der Staat im Rahmen seiner Verantwortung für Bildung und Wissenschaft.

 

Stärken der Wertebildung

Die Leistungen der Kirchen für die Gesellschaft erschöpfen sich aber nicht allein in diesen sozial- und bildungspolitischen Feldern. Sie tragen mit ihren religiös geprägten Maßstäben auch zur Wertebildung bei und motivieren zu ehrenamtlichem Engagement. Umfragen unter Freiwilligen zeigen, dass religiös gebundene Menschen in höherem Maß bereit sind, sich in ihrer Freizeit für das Gemeinwohl einzubringen. Dieses Engagement zeigt sich etwa bei den zahlreichen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Unterstützung von Flüchtlingen.

Entscheidend ist dabei die Motivation, die religiös gebundene Menschen mitbringen. Aus ihrem christlichen Glauben sind sie zur Nächstenliebe aufgerufen, die sich auch auf den Fremden erstreckt. „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen“ (Mt 25,35) ist einer der Leitsätze, mit dem sich viele Menschen in den letzten Monaten Flüchtlingen aus Syrien und anderen Konfliktregionen zugewandt und sich mit persönlichem Einsatz um sie gekümmert haben. Doch haben nicht nur zahlreiche Ehrenamtliche viele Stunden unmittelbarer Hilfe geleistet, sondern die Bistümer und Landeskirchen haben erhebliche Summen von Kirchensteuergeldern bereitgestellt, um die akute Not der Menschen zu lindern. Allein die 27 katholischen Bistümer und die kirchlichen Hilfswerke haben 2015 mindestens 122 Millionen Euro aufgebracht, wie die Deutsche Bischofskonferenz im Februar 2016 mitgeteilt hat. Rund 71 Millionen entfielen auf die Förderung von Projekten im Inland, 41 Millionen auf Flüchtlingsprojekte in den Krisenregionen. Hinzu kommt die Bereitstellung von Wohnraum, die gegenüber dem Vorjahr um ein Vielfaches gesteigert wurde. Diese Beispiele zeigen, welch wichtige Funktion die Kirchen, ihre Mitglieder und die von ihnen aufgebrachten Gelder für das gesellschaftliche Zusammenleben haben. Die Welt sähe ohne sie ganz anders aus.

 

Karlies Abmeier, geboren 1953 in Münster, Leiterin Team Religions-, Integrations- und Familienpolitik, Hauptabteilung Politik und Beratung, Konrad-Adenauer-Stiftung.

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