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Eine rechtliche Einordnung

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Der Weltraum ist zwar ein luftleerer, aber kein rechtsfreier Raum. Zwischen 1967 und 1979 wurden im Rahmen der Vereinten Nationen (United Nations, UN) fünf internationale Verträge verabschiedet, die verbindliche Regeln für die Erforschung und Nutzung des Weltraums festlegten. Sie gelten bis heute und haben – mit Ausnahme des letzten – auch eine große Zahl von Vertragsparteien einschließlich der USA, China, Russland, Indien, Brasilien, Südafrika und fast aller Mitglieder der Europäischen Union.1 Zusätzlich gibt es die verbindliche Frequenzkoordination im Rahmen der Internationalen Fernmeldeunion (ITU). Dennoch scheint es so, als herrsche derzeit im All der „Wilde Westen“, in dem es keine Regelungen gebe und nur das Recht des Stärkeren beziehungsweise Reicheren gelte. Möglicherweise ist die mangelnde Bekanntheit der weltraumrechtlichen Regeln und Prinzipien, jedenfalls in der allgemeinen Öffentlichkeit, ein Grund für diesen Eindruck. Herausforderungen für die bestehenden Weltraumverträge sind die bessere Durchsetzung und in Teilbereichen die Verfeinerung dieses Regelwerks.

Der Erfolg der UN-Weltraumverträge liegt in ihrer Entstehungsgeschichte begründet. Der Beginn des Raumfahrtzeitalters fiel in die Zeit des Kalten Krieges, der nicht nur vom einem Arms Race (Wettrüsten), sondern auch von einem Space Race (Wettlauf ins All) zwischen den beiden damals existierenden Supermächten USA und Sowjetunion geprägt war. Nachdem die Sowjetunion mit dem ersten Satelliten im All (Sputnik 1957), dem ersten Menschen im All (Juri Gagarin 1961) und dem ersten Spacewalk (Alexei Leonov 1965) vorne lag, war unklar, wer schlussendlich zuerst auf dem Mond landen würde. Damit war sichergestellt, dass in den Verhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen im eigens dafür geschaffenen Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums (Committee on the Peaceful Uses of Outer Space, UNCOPUOS) das First come-first serve-Prinzip keine Option war. Sehr schnell einigte man sich, dass die territoriale Aneignung im Weltraum verboten sein sollte. Eine „Kolonialisierung“ von Himmelskörpern kommt also keinesfalls in Betracht, denn es besteht ein bis heute unumstrittenes „Aneignungsverbot“ (Artikel II Weltraumvertrag 1967). Hingegen soll im Weltraum und auf den Himmelskörpern das Prinzip der „freien Nutzung“ (wie etwa auf der Hohen See) gelten, das aber unter gebührender Berücksichtigung der Interessen anderer Staaten einschließlich jener der Entwicklungsländer auszuüben ist (Artikel I Weltraumvertrag 1967).

 

Weltraumaktivitäten durch private Unternehmen

Neben den grundlegenden Prinzipien, die im Weltraumvertrag 1967 festgelegt sind, gibt es detailliertere Regelungen in den späteren Verträgen. Dabei ist vor allem das Weltraumhaftungsübereinkommen von 1972 hervorzuheben, das besonders strikte Haftungsregelungen für Schäden, die durch Weltraumgegenstände verursacht werden, enthält.

Oftmals wird behauptet, dass das aus den 1960er- und 1970er-Jahren stammende Regelungssystem überholt sei, weil nun zunehmend private Unternehmen das Geschehen im All beherrschten. Falsch ist jedoch, dass die Durchführung von Weltraumaktivitäten durch Private damals weder mitbedacht noch geregelt wurde. Schon während der Verhandlungen zum Weltraumvertrag setzten sich die USA vehement dafür ein, dass auch private Unternehmen Weltraumaktivitäten durchführen dürfen. Die Sowjetunion war strikt dagegen, weil nur Staaten Verantwortung für derart riskante und gefährliche Aktivitäten übernehmen könnten.2

Die Formulierung des Artikels VI Weltraumvertrag spiegelt den Kompromiss zwischen den USA und der Sowjetunion wider, indem er private Aktivitäten zwar erlaubt, aber die internationale Verantwortung dafür den Staaten überlässt, die diese Aktivitäten genehmigen und fortgesetzt überwachen müssen. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, haben zahlreiche Staaten nationale Weltraumgesetze erlassen. Die entsprechenden nationalen Gesetze in den USA sind besonders umfangreich und wurden zuletzt 2015 mit dem US Commercial Space Launch Competitiveness Act novelliert.

Mit Zunahme privater Aktivitäten im Weltraum sehen immer mehr Staaten die Notwendigkeit, nationale Weltraumgesetze zu erlassen. Die Vereinten Nationen haben dazu 2013 eine eigene Resolution mit Empfehlungen für den Inhalt solcher Gesetze verabschiedet.3 In Europa erregte vor allem Luxemburg mit seinem Gesetz über Weltraumressourcen (2017) Aufsehen. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt blieb, dass Luxemburg 2020 ein allgemeines Weltraumgesetz verabschiedete, in dem es den Unternehmen strenge Bedingungen auferlegt, sowohl im Hinblick auf die Weltraummüllvermeidung als auch auf Transparenz bei den Eigentümerstrukturen. Ähnliche Gesetze erließen in Europa zuletzt Dänemark (2016) und Finnland (2018). Um eine größere Einheitlichkeit dieser nationalen Regelungen auf europäischer Ebene zu erreichen, bemüht sich nun die Europäische Union um die Verabschiedung eines entsprechenden Regelungsrahmens.

 

Problem Weltraummüll

Einige Probleme wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren allerdings tatsächlich noch nicht erkannt und daher nicht explizit geregelt. Eines davon ist der Weltraummüll. Seit dem Beginn des Raumzeitalters wurden immer mehr Objekte in den Weltraum gestartet, ohne Rücksicht auf das dadurch erhöhte Risiko von Kollisionen und daraus folgenden Schäden im Weltraum und auf der Erde. Der neue Boom von „Mega-Constellations“ führte in den letzten Jahren zu einer Explosion der Startzahlen. Während in den vergangenen Jahrzehnten durchschnittlich „nur“ 130 Objekte pro Jahr in den Weltraum gestartet wurden, waren es 2020 schon 1.200 Objekte und 2022 mehr als 2.200 Objekte. Dadurch steigt das Risiko für das sogenannte Kessler-Syndrom, wonach Kollisionen zu einer Kettenreaktion führen können, die ganze Umlaufbahnen verschmutzt und damit unbenutzbar macht.4

Das geltende internationale Weltraumrecht bietet jedoch auch für dieses Problem einen Lösungsansatz, und zwar durch das oben erwähnte strenge Haftungsregime. Für Schäden, die durch Weltraumgegenstände verursacht werden, haftet der „Startstaat“ – jener Staat, von dessen Territorium oder Einrichtung ein Gegenstand in den Weltraum gestartet wird, beziehungsweise jener Staat, der den Start durchführt oder „veranlasst“ (procured, nach dem englischen Original) hat. Für jeden Weltraumgegenstand gibt es zumindest einen „Startstaat“ (meist auch mehrere, auf die die Definition zutrifft, die dann gemeinsam haften). Nach dem Haftungsübereinkommen 1972 haftet der „Startstaat“ für Schäden auf der Erde „absolut“, das heißt ohne Rücksicht auf Verschulden. Für Schäden im Weltraum, die durch Kollisionen verursacht werden, haftet der „Startstaat“, wenn der Schaden von ihm oder von Personen „verschuldet wurde“, für die er verantwortlich ist.

 

Unerlässliche Vorrangregeln und „Space Traffic Management“

Ein „Verschulden“ für Kollisionen im Weltraum liegt dann vor, wenn zumindest „Fahrlässigkeit“ vorherrscht (umso mehr, wenn „Vorsatz“ dahintersteckt). Fahrlässig ist, wenn ein zu erwartender Sorgfaltsmaßstab nicht eingehalten wird. Ein solcher Sorgfaltsmaßstab kann in entsprechenden technischen Standards („Stand der Technik“, „State of the Art“) bestehen, die von einschlägigen Expertengremien entwickelt werden. Das bekannteste Gremium in Zusammenhang mit der Vermeidung von Weltraummüll ist das Inter-Agency Space Debris Coordination Committee (IADC), ein internationales Forum von Weltraumagenturen zur Koordinierung gemeinsamer Aktivitäten zum Thema Weltraummüll. Es veröffentlicht seit 2002 „Richtlinien für die Vermeidung von Weltraummüll“, die regelmäßig an neue Herausforderungen angepasst werden (zuletzt 2021). Derartige Technikstandards werden als Soft Law bezeichnet, weil sie rechtlich nicht verbindlich sind, aber dennoch Vorgaben für ein bestimmtes Verhalten beinhalten. Die Kombination aus derartigem Soft Law mit dem strengen Haftungsregime des Weltraumrechts bietet grundsätzlich eine wirksame Handhabe bei der Vermeidung von Weltraummüll, denn die Sorge vor Haftung könnte zu größerer Sorgfalt führen.5

Allerdings ist bei drohenden Kollisionen derzeit noch nicht klar, wer die Pflicht hat, auszuweichen. Die IADC-Richtlinien sind diesbezüglich zu vage, sodass Verfeinerungen notwendig sind. Ebenso wie im Straßenverkehr sind auch hier Vorrangregeln unerlässlich. Nach dem Vorbild des Air Traffic Management in der Luftfahrt wird daher unter anderem im UN-Ausschuss über die friedliche Nutzung des Weltraums über ein künftiges Space Traffic Management diskutiert.

Klar ist bereits jetzt, dass die absichtliche Zerstörung von Weltraumobjekten, die zu großen Wolken von Weltraummüll führt, den IADC-Richtlinien widerspricht. Dennoch führten China 2007, Indien 2019 und Russland 2021 sogenannte Anti-Satellitentests (ASAT-Tests) durch, bei denen sie eigene Satelliten in der Umlaufbahn mit Raketen zerstörten. Dies führte umgehend zu Protesten anderer Staaten, Schadenersatzansprüche wurden allerdings noch nicht geltend gemacht. Einer der wenigen Präzedenzfälle ist lange her, als Kanada 1978 von der Sowjetunion nach dem Absturz eines radioaktiven Satelliten auf seinem Territorium (Cosmos 954-Zwischenfall) Schadenersatz forderte und auch erhielt.

 

Rückkehr zum Mond

Bereits 1979 wurde im Rahmen der Vereinten Nationen mit dem Mondvertrag ein Regelwerk für die Erforschung und Nutzung des Mondes geschaffen. Dieser letzte der fünf Weltraumverträge hat aber anders als die anderen nicht allzu viele Vertragsparteien (Stand 1. Januar 2023: 18). Als Hürde für die Ratifizierung sehen die USA und andere Staaten jenen Teil an, der sich mit dem Rechtsregime der Ressourcen befasst.6 Nach dem Mondvertrag sind die Ressourcen des Mondes und anderer Himmelskörper das „Gemeinsame Erbe der Menschheit“. Als solche unterliegen sie nicht der „freien Nutzung“, sondern bedürfen zu ihrer Erforschung und ihrem Abbau eines noch zu entwickelnden „internationalen Regimes“. Abschreckend und allzu bürokratisch wirkt für diese Staaten das internationale Regime für den Tiefseebergbau auf Basis des internationalen Seerechtsübereinkommens (1982), das sich ebenfalls am Konzept des „Gemeinsamen Erbes der Menschheit“ orientiert.

Gewissermaßen als Gegenentwurf schlugen die USA 2020 die Artemis Accords vor. Das Artemis-Programm soll die Rückkehr zum Mond – nach dem Apollo-Programm zwischen 1961 und 1972 – ermöglichen und weitere Missionen vorbereiten. Die Artemis Accords sind kein internationaler Vertrag, sondern nur eine politische Übereinkunft über bestimmte Prinzipien, die die künftigen Partner der NASA – inzwischen dreißig Weltraumagenturen – leiten sollen. Während die meisten Prinzipien mit den UN-Weltraumverträgen in Einklang stehen, sind manche kontrovers. So wird erklärt, dass die Nutzung von Mondressourcen nicht dem Aneignungsverbot von Artikel II Weltraumvertrag widerspricht. Das wird von Kritikern aber als eine dem „Wilden Westen“ vergleichbare Situation angesehen, die dem first come – first serve den Boden bereite.

Dem ist allerdings nicht so. Die Artemis Accords stellen klar, dass es „multilateraler Anstrengungen“ bedarf, um Regeln für die Gewinnung und Nutzung der Weltraumressourcen zu entwickeln. Das leuchtet ein, da es sonst unweigerlich zu Konflikten käme. Letztlich muss also doch ein „internationales Regime“ für den Abbau der Weltraumressourcen geschaffen werden. Der Nachteil, dieses Regime nur zwischen den Partnern auszuhandeln, liegt darin, dass der Konkurrent China, aber auch andere Weltraumnationen oder -akteure nicht daran gebunden wären, mit denen daher tatsächlich Konflikte über die Ressourcen entstehen könnten.

Die rechtlichen Aspekte der Nutzung von Weltraumressourcen und auch der Erdumlaufbahnen stehen derzeit im UN-Ausschuss über die friedliche Nutzung des Weltraums (UNCOPUOS) auf der Tagesordnung, der nach wie vor das wichtigste internationale Forum zur Diskussion zentraler Fragen der Weltraumnutzung bietet. In den öffentlichen Diskussionen über den Weltraum findet dieses Gremium, das seit vielen Jahren – zunächst in New York und dann in Wien – jährlich tagt, kaum Erwähnung. Gewiss sind Einigungen in dem seit seiner Gründung stark gewachsenen Ausschuss schwierig, aber doch möglich, wie etwa die 2019 verabschiedeten Richtlinien für die langfristige Nachhaltigkeit von Weltraumaktivitäten zeigen. Versuche, weltraumrechtliche Regelungen außerhalb der Vereinten Nationen zu entwickeln, haben sich in den letzten Jahren keineswegs als erfolgreicher erwiesen.
 

Irmgard Marboe, geboren 1967 in Wien, Professorin für Völkerrecht am Institut für Europarecht, internationales Recht und Rechtsvergleichung sowie seit 2008 Leiterin des österreichischen National Point of Contact (NPOC) des European Centre for Space Law (ECSL), Universität Wien.

1 Siehe Vereinte Nationen: Status of International Agreements relating to activities in outer space as at 1 January 2023, Committee on the Peaceful Uses of Outer Space, UN Doc. A/AC.105/C.2/2023/CRP.3 (z. B. Weltraumvertrag mit 112 Vertragsparteien).
2 Frans von der Dunk / Gérardine Goh: „Article VI“, in: Stephan Hobe / Bernhard Schmidt-Tedd / Kai-Uwe Schrogl (Hrsg.): Cologne Commentary on Space Law, Volume 1, Outer Space Treaty, Köln 2009, S. 105–106.
3 Generalversammlung der Vereinten Nationen: Recommendations on national legislation relevant to the peaceful exploration and use of outer space, UN Doc. A/RES/68/74, 11.12.2013.
4 Generalsekretär der Vereinten Nationen: „For All Humanity – the Future of Outer Space Governance“, Our Common Agenda Policy Brief 7, Mai 2023, S. 15–16.
5 Irmgard Marboe: „The Importance of Guidelines and Codes of Conduct for Liability of States and Private Actors“, in: dies. (Hrsg.): Soft Law in Outer Space. The Function of Non-binding Norms in International Space Law, Wien 2012, S. 119–144.
6 Fabio Tronchetti: „Legal aspects of space resources utilization“, in: Frans von der Dunk (Hrsg.): Handbook of Space Law, Cheltenham 2015, S. 769–813.

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