Wir sehen sie immer wieder in den Nachrichten: Greta, Luisa und andere gehen für Fridays for Future auf die Straße und kämpfen laut eigener Aussage für unser aller Zukunft. Doch wo finden diese Demonstrationen statt? Richtig! Meistens in den Großstädten. Hier auf dem Dorf habe ich noch keine Teilnehmer an diesen Demonstrationen gesehen. Da frage ich mich: Warum ist das so? Liegt es daran, dass wir auf dem Land andere Probleme haben?
Wahrscheinlich würde ich Fridays for Future unterstützen, wenn ich noch Schülerin wäre. Inzwischen hat sich meine Wahrnehmung geändert: Nach Abschluss einer landwirtschaftlichen Berufsausbildung arbeite ich als junge Landwirtin auf dem Hof meines Vaters, auf dem wir Schweine halten und Ackerbau betreiben. Meinen Beruf liebe ich und gehe deshalb für die Bewegung „Land schafft Verbindung“ auf die Straße. Nichts gegen Klimaschutz, aber seine Forderungen dürfen nicht isoliert sein. Mir geht es um einen integrativen Ansatz, vor allem um mehr Wertschätzung und Förderung des ländlichen Raums. Greta, die die Arbeitswelt nicht ansatzweise kennt, geschweige denn Rechnungen eines landwirtschaftlichen Hofes bezahlen muss, kann für mich kein Idealbild sein.
Wir als Jugend auf dem Land kommen nicht auf die Idee, große Dinge von der Politik zu verlangen. Uns wäre schon geholfen, wenn wir ähnliche Möglichkeiten wie Städter hätten. Längst wird beispielsweise über 5G und Co. diskutiert, wir wären aber schon froh, wenn wir per Handy überall verlässlich telefonieren könnten. Mobil zu googeln bleibt teilweise schwierig. Die Hoffnung ist immer, dass die Straßenmeisterei bei Mäharbeiten am Straßenrand nicht wieder das Kabel beschädigt, weil es noch immer nicht unter die Erde verlegt worden ist. Wird das Kabel „erwischt“, war es das mit Googeln und Telefonaten – für mindestens drei Tage.
Die medizinische Versorgung ist ausgedünnt. Ein halbes Jahr musste ich zuletzt auf einen Termin beim Orthopäden warten. Ebenso sieht es bei anderen Fachärzten aus. Lieber möchte ich nicht darüber nachdenken, was ist, wenn ich eine Familie gründen möchte und eine Hebamme benötige. Die Geburtenstation in der nächsten Stadt ist jedenfalls geschlossen worden. Wenn mal ein Unfall passiert, kann man froh sein, wenn die Rettungskräfte innerhalb von fünfzehn Minuten vor Ort sind.
Für die Jugend sind soziale Kontakte und Strukturen besonders wichtig. Wenn ich mich bei uns im Ort umschaue, bin ich die Einzige in meinem Alter. Die meisten sind wegen besserer Verdienstmöglichkeiten in die Stadt gezogen. Früher gab es regelmäßig Feierlichkeiten im Dorf, heute geschieht kaum noch etwas. Mittlerweile gibt es nur noch zwei Orte, um „Dorfgemeinschaft“ zu erfahren. Entweder man geht sonntags zum Fußball oder tritt in die Freiwillige Feuerwehr ein. Bei uns bilden beide zusammen einen Verein, der sich nun auch um das Dorfleben kümmert und einige Feste wieder aufleben lässt. Nur hat längst nicht mehr jedes Dorf wegen der Unterhaltungskosten eine Feuerwehr. Sicherlich würden weit mehr junge Männer und Frauen die Feuerwehr unterstützen. Wenn sie aber die Ausrüstung und das Gerät begutachten, vergeht manchen die Lust. Dies ist umso schlimmer, weil man im Dorf tatsächlich noch echten Zusammenhalt erfahren kann.
Einige Städter haben die Ruhe auf dem Dorf schätzen gelernt und richten sich dort in schönen Wochenendhäusern ein. Dies soll niemandem genommen werden, doch nur ruhig kann das wirkliche Landleben nicht sein. Morgens kräht der Hahn, dann wird Rasen gemäht oder Holz gehackt. Leider kommt es immer häufiger vor, dass wir Landwirte mit unserer, auch maschinellen Arbeit auf Unverständnis stoßen. Beschimpfungen sind nicht selten.
Das Leben auf dem Dorf muss für junge Menschen wieder attraktiver werden. Ein sicheres Auskommen ist dafür die wichtigste Grundlage. Viele vergessen, dass zahlreiche Existenzen auf dem Spiel stehen, wenn Landwirte ihre Betriebe schließen. Es sind nicht nur die großen Konzerne, die Arbeitsplätze sichern.
„Jugend auf dem Land“ – wird es sie bald nicht mehr geben? Wir kämpfen dagegen, ohne große Idole wie Greta und Luisa. Eine gerechte politische und mediale Wahrnehmung fordern wir umso mehr ein.
Johanna Mandelkow, geboren 1995 in Pasewalk, Landwirtin, Agrarscout, Vorsitzende und Sprecherin der Initiative „Land schafft Verbindung“ in Brandenburg.