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Politische Impulse für den Wandel des Energiesystems

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Klimaneutral bis 2050 – das ist Vision und realistisches Ziel zugleich.1 Das Klima verändert sich langfristig. Aber wir müssen und können kurzfristig handeln, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Die Einhaltung der bei der internationalen Klimakonferenz 2015 in Paris vereinbarten Klimaschutzziele2 kann gelingen, wenn der Verbrauch nicht nachwachsender Rohstoffe und Ressourcen sowie der Einsatz fossiler Brennstoffe auf ein Minimum reduziert werden, indem wir auf regenerative Kraftstoffe setzen. Dabei geht es nicht darum, die Freiheit und Mobilität durch Verbote und ideologische Vorgaben einzuschränken, sondern vielmehr darum, den Alltag und unsere Mobilität umweltverträglich zu gestalten sowie konkrete Anreize und Möglichkeiten zu schaffen – Anreize für Verbraucher, Unternehmen, Wissenschaft und Forschung. Ideen, nicht Ideologien bringen uns der Klimaneutralität näher.

Die Politik ist gefordert, wenn es gilt, zum Erreichen unserer Klimaschutzziele einen ressortübergreifenden Ansatz zu entwickeln, der Klimapolitik nicht isoliert betrachtet, sondern zu einem Querschnittsthema macht, das sämtliche Lebensbereiche und Politikfelder einbindet. Die Bundesregierung hat bereits 2014 das Aktionsprogramm Klimaschutz 20203 und 2016 den Klimaschutzplan 20504 auf Grundlage des Integrierten Energie- und Klimaprogramms5 beschlossen und sich damit das Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um vierzig Prozent, bis 2030 um 55 Prozent und bis 2050 um achtzig bis 95 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren. Das Ziel für 2020 wurde erreicht, ja sogar leicht übertroffen.

Im Folgenden möchte ich einige Ideen skizzieren, wie dieser Weg weiterbeschritten werden kann – Ideen, mit denen wir nicht nur für den privaten, gewerblichen und öffentlichen Mobilitätsund Verkehrssektor, sondern auch für energieintensive Industriesektoren wie die Chemieindustrie, für die Stromproduktion und den gewerblichen beziehungsweise privaten Stromverbrauch die Impulse setzen können.

 

Einsatz alternativer Antriebstechnologien

 

Im Mobilitäts- und Verkehrssektor muss die bisher in der öffentlichen Wahrnehmung vorherrschende batteriebetriebene Elektromobilität um den Einsatz von auf Wasserstoff basierenden regenerativen Kraftstoffen, sonstigen Biokraftstoffen sowie Energieträgern aus erneuerbaren Energien ergänzt werden. Elektroautos sind für die Klimabilanz nur dann sinnvoll, wenn sie mit sauberem Strom aus Wind-, Wasser- oder Solarenergie betrieben werden; sonst verlagert sich der Schadstoffausstoß lediglich in andere Bereiche. Eine große Chance liegt in regenerativen Kraftstoffen, die sich bereits jetzt über einen langen Zeitraum lagern und weltweit transportieren lassen. Zudem bieten sie den Vorteil, dass bereits vorhandene Infrastrukturen wie Tankstellennetze, See- und Binnenhäfen, Knotenpunkte und Verteilnetze weitergenutzt werden können. Regenerative Kraftstoffe können mithilfe nachhaltiger Produktionsprozesse – zum Beispiel der elektrolytischen Wasserstofferzeugung sowie biogener und solarer Erzeugungspfade – und aus biologischen oder industriellen Rest- und Abfallstoffen hergestellt werden, vor allem aber aus Kohlenstoffdioxid (CO2), Wasser und regenerativ erzeugtem Strom. Das benötigte CO2 kann entweder direkt aus der Atmosphäre gewonnen oder dort, wo es bei Produktionsprozessen anfällt, abgefangen werden.

Für das Ziel der Klimaneutralität müssen wir im Bereich Mobilität alternative Antriebstechnologien, wie batterieelektrische Motoren, Wasserstoff- und Brennstoffzellen, sowie die Produktion von grünen strombasierten Kraftstoffen (E-Fuels) und Strom aus erneuerbaren Energien konsequent (weiter)entwickeln. Alternative Antriebstechnologien und regenerative Kraftstoffe können bei allen Verkehrsträgern eingesetzt werden; sie sind also keineswegs auf den automobilen Individual- und Schwerlastverkehr beschränkt, sondern bieten neben dem öffentlichen Personennahverkehr – sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene – auch und gerade denjenigen Verkehrsträgern eine Chance, bei denen aufgrund des hohen Verbrauchs fossiler Brennstoffe der Handlungsdruck besonders offensichtlich ist, wie etwa in der Luft- und Schifffahrt.

Voraussetzung für einen umfassenden Einsatz alternativer Antriebstechnologien und regenerativer Kraftstoffe ist deren Marktfähigkeit und Serientauglichkeit. Nur wenn es wirtschaftlich vertretbar ist oder sich sogar rechnet und nur wenn die erforderliche Lade- und Tankinfrastruktur flächendeckend – also auch auf dem Land – vorhanden ist, werden die Menschen, auch unterstützt durch finanzielle Anreize, bereit sein, in signifikantem Umfang auf klimafreundliche, emissionsarme Autos umzusteigen; und nur dann kann der Umstieg auf alternative Antriebstechnologien gelingen, ohne Einschränkungen bei der Mobilität oder Lebensqualität.

 

Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Ausgleich

 

Ideen und Ansätze gibt es viele. So ist die Möglichkeit, Straßenlaternen als Ladepunkte für das Aufladen von Elektroautos zu nutzen, eine der innovativen Ideen, die bereits in der Praxis erprobt werden. Anstelle von Verboten und einschränkenden Maßnahmen ist es wichtig, den Menschen plausibel zu machen, dass mit der Transformation der Mobilität für sie keine Nachteile entstehen und sie weiterhin uneingeschränkt mobil sein können. Traditionelle Verkehrsträger, die heute mit fossilen Brennstoffen angetrieben werden, werden nicht einfach abgeschafft, sondern bleiben erhalten – sie werden jedoch durch klimaneutrale Alternativen wie E-Fuels und Wasserstoff angetrieben. Im Schwerlastverkehr etwa kommen aus erneuerbaren Energien gewonnene Flüssigkraftstoffe zum Einsatz, die wiederum auf grünem Wasserstoff basieren und weniger CO2 produzieren. In der Luftfahrt kann synthetisches Kerosin auf Wasserstoffbasis verwendet werden und den fossilen Antrieb für Flugzeuge ersetzen. In der See- und Binnenschifffahrt können Flüssigerdgas und Wasserstoff als umweltfreundliche Antriebe für Schiffe genutzt werden; ihre Bordstrom- und mobile Landstromversorgung können durch Energie aus regenerativer Erzeugung erfolgen. Deren Förderung reiht sich in die Vielzahl von Ideen zur nachhaltigen Lösung bestehender Mobilitätsprobleme im Sinne der Klimaschutzziele ein.

Die Entwicklung alternativer Antriebstechnologien und Kraftstoffe leistet nicht nur einen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele, sondern sichert zum einen die Mobilität der Menschen und zum anderen die Wettbewerbsfähigkeit sowie Weltmarktstellung der deutschen Exportwirtschaft und der Automobilindustrie. Durch die Entwicklung künftiger Schlüsseltechnologien, wie Speichertechnologien für sauberen Strom, und durch Investitionen in erneuerbare Energien und CO2-neutrale Kraftstoffe erhält Deutschland einen Standortvorteil im globalen Wettbewerb. Es geht also nicht darum, auf Mobilität, Komfort und Wettbewerbsfähigkeit zu verzichten. Die zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 erforderliche gesellschaftliche Akzeptanz erlangen wir nur durch glaubwürdige Perspektiven, nicht durch Verbote und Verzichtsforderungen. Es geht auch darum, durch den Einsatz modernster Technologien Klima und Arbeitsplätze zu schützen und einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten.

Mobilität ist beim Thema Klimaschutz nur ein Bereich, wenngleich ein sehr wichtiger; ein weiterer ist der der energieintensiven Industriesektoren. In der Chemieindustrie, in Stahlwerken oder Raffinerien kann Wasserstoff aus regenerativen Quellen in der Produktion eine wichtige Rolle spielen. Ökostrom kann über Wasserstoff und Kohlenstoff auch zur Herstellung von Chemikalien als Basis für die meisten Kunststoffe genutzt werden. Auch im gewerblichen und privaten Gebäudesektor kann die Verwendung von mit Wasserstoff oder Synthesegas betriebenen Brennstoffzellen zur Wärme- und Energieproduktion beitragen. Zum Heizen von Wohnungen oder Arbeits- und Produktionsstätten werden Gase aus erneuerbaren Energien oder flüssige regenerative Energieträger eingesetzt. Strom sollte künftig nur noch aus erneuerbaren und damit klimafreundlichen Energien wie Wind-, Sonnen- und Wasserkraft erzeugt werden.

 

Wasserstoff „made in Germany“

 

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, muss die Politik die erforderlichen Impulse für Innovationen, Unternehmertum, die Förderung von Wissenschaft und Forschung setzen sowie gleiche Rahmenbedingungen für alle klimafreundlichen Technologien schaffen – von der Batterie über Wasserstoff bis hin zu CO2-neutralen Kraftstoffen. Entscheidend dabei ist die Technologieoffenheit, da nicht abzusehen ist, welche Qualitäts- und Entwicklungssprünge es bei derzeit verfügbaren Technologien in den kommenden Jahren geben wird. Einzige Richtschnur für die Förderung sollte sein, dass sowohl bei der Herstellung von Antriebstechnologien als auch bei deren Nutzung möglichst wenig Treibhausgase freigesetzt werden.

Beim Wasserstoff und bei den regenerativen Kraftstoffen sollten die Erforschung und Erprobung von Erzeugungspfaden für strombasierte Kraftstoffe im industriellen Maßstab in Feldversuchen und der testweise Aufbau einer Energieinfrastruktur gefördert werden. Dazu gehört der Aufbau eines Marktanreizprogramms für neue Anlagen zur Produktion strombasierter Kraftstoffe. Durch den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur kann aus dem Wind des Nordens und der Sonne des Südens Ökostrom und anschließend mit Elektrolyseuren Wasserstoff „made in Germany“ produziert werden. So könnten in Deutschland, das bei der Produktion von Elektrolyseuren führend ist, neue Arbeitsplätze entstehen, und es könnte zudem eine breite industrielle Anwendung erreicht werden. Um den Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromproduktion zu erhöhen, müssen wir auch hier in die erforderliche Infrastruktur investieren, das heißt in den verstärkten Ausbau und die Modernisierung leistungsfähiger und intelligenter Stromnetze, die Strom aus erneuerbaren Energien innerhalb Deutschlands und Europas transportieren und trotz schwankender Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie die Netzstabilität gewährleisten können.

Kurzum: Gefragt sind Ideen und Anreize, keine Verbote. Wenn es uns gelingt, Soziale Marktwirtschaft und Klimaschutz nicht als Gegensatzpaar zu sehen, sondern sie miteinander in Einklang zu bringen, und wenn es uns gelingt, mit dem Thema Klimaschutz eine positive Geschichte zu erzählen, dann erreichen wir das Ziel der Klimaneutralität bis 2050.

 

Christoph Ploß, geboren 1985 in Hamburg, Historiker und Politikwissenschaftler, Altstipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, Mitglied der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und seit 2020 Landesvorsitzender der CDU Hamburg.

 

1 Deutschland hat sich bereits das Klimaziel gesteckt, bis 2050 weitgehend treibhausgasneutral zu sein; vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Klimaschutz plan 2050. Klimaschutzpolitische Grundsätze und Ziele der Bundesregierung, Berlin 2016, hier insbesondere Seite 7.

2 Siehe Pariser Klimakonferenz: Übereinkommen von Paris im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC), Paris 2015.

3 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Klimaschutzbericht 2015. Zum Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 der Bundesregierung, Berlin 2015. Das Aktionsprogramm beinhaltet u. a. den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE), die Strategie „Klimafreundliches Bauen und Wohnen“ sowie Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrssektor.

4 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Klimaschutzplan 2050. Klimaschutzpolitische Grundsätze und Ziele der Bundesregierung, Berlin 2016.

5 Bundesregierung: Das Integrierte Energie- und Klimaprogramm (IEKP) der Bundesregierung, Berlin 2007.

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