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Zwischen Realitäten und Hoffnungen

Israels Sicht auf die USA

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Die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus hat in Israel hohe Wellen geschlagen. Mit seinem Wahlsieg verbindet sich eine vielschichtige Gemengelage aus Hoffnungen und Erwartungen mit teilweiser Verdrängung politischer Realitäten. Betrachtet man die Reaktionen in der israelischen Politik und Gesellschaft auf den Wahlausgang, wird schnell deutlich: Viele sehen in Trump einen „wahren Freund Israels“, der das Land durch Entscheidungen wie die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, die Anerkennung der Souveränität über den Golan und die Abraham-Abkommen in seiner ersten Amtszeit 2017 bis 2021 nachhaltig unterstützt hatte.

Eine Umfrage wenige Tage vor der US-Wahl zeigte, dass 65 Prozent der Israelis Trump als den vorteilhafteren Präsidenten für Israel erachteten, während lediglich 13 Prozent Harris favorisierten.[1] Dieses Meinungsbild spiegelt die allgemeine Wertschätzung wider, die Trump in Israel auch nach den Wahlen zugeschrieben wird. Doch neben den nicht nur zum Teil überzogenen Erwartungen gibt es auch eine Reihe von Unwägbarkeiten, die eine zweite Trump-Administration für die bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Israel mit sich bringen könnte.

 

Mehr als nur Hoffnung

Die israelisch-amerikanischen Beziehungen gelten seit vielen Jahrzehnten als stabil und besonders eng, ungeachtet der jeweiligen politischen Führung. Doch während in der Republikanischen Partei die israelfreundlichen Positionen überwiegen, gibt es innerhalb der Demokraten – etwa mit Ilhan Omar oder Rashida Tlaib – äußerst israelkritische Stimmen. Unter einer erneuten Trump-Administration erscheint eine israelfreundlichere US-Politik wahrscheinlicher, allerdings birgt diese auch Risiken.

Auf politischer Ebene wird der Wahlsieg Trumps von Premierminister Benjamin Netanjahu und Teilen seiner Regierung als Möglichkeit gesehen, mehr Handlungsspielräume für die israelische Politik zu gewinnen. Entscheidungen, die unter der Administration Joe Bidens möglicherweise auf Widerstand gestoßen wären, könnten unter Trump leichter durchzusetzen sein – so die Erwartungen vieler israelischer Politiker auch außerhalb der gegenwärtigen Koalition. Bereits der Wahltag am 5. November 2024 brachte für Netanjahu eine politische Wende: Mit der riskanten Entlassung seines Verteidigungsministers Yoav Gallant am gleichen Tag, die bei einem vorherigen Versuch durch spontane Massenproteste auf israelischen Straßen verhindert wurde, demonstrierte er Stärke – ein kalkuliertes Risiko, das mit Trumps Sieg belohnt wurde, und worauf Netanjahu seit Monaten ebenso gehofft wie auch gewartet hatte.

Die israelische Regierung erwartet zudem, dass Trump den Kurs des „maximalen Drucks“ auf den Iran erneut aufnehmen wird und das Abschreckungspotenzial gegenüber dem Land wieder erhöht. Mit der gezielten Tötung Qasem Soleimanis, des damaligen Kommandeurs der Al-Kuds-Brigaden, auf Befehl des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump im Jahr 2020 setzte dieser bereits in seiner ersten Amtsperiode ein klares Zeichen gegen Teheran. Auch seine Haltung gegenüber dem iranischen Atomprogramm wird als entschlossen bewertet. Es bleibt jedoch die Frage, wie weit Trump in einer zweiten Amtszeit gehen würde – insbesondere angesichts seiner wiederholten Ankündigungen, „dumme Kriege“ wie die im Nahen Osten beenden zu wollen. Während in der Welt, vor allem in Europa, mit Sorge auf die neue Amtsperiode Trumps geblickt wird, hoffen nicht nur die Mehrheit der Israelis, sondern auch viele Vertreter der anderen Staaten in der Region nach mehr als einem Jahr Krieg auf eine neue politische Entwicklung.

 

Mögliche Spannungsfelder

Trumps Rhetorik könnte Israel jedoch auch Probleme bereiten. Bereits im Wahlkampf äußerte Trump die Erwartung, dass der Krieg in Gaza bis zu seiner Amtseinführung im Januar 2025 beendet sein müsse – eine Forderung, die nach den Wahlen mehrfach wiederholt wurde. Dieser Druck könnte Israel zu Zugeständnissen zwingen, die innen- und sicherheitspolitisch umstritten wären. Netanjahus Regierung könnte sich einer wachsenden Konfrontation mit seinem Kabinett gegenübersehen, da Trump einerseits ultrarechten Hardlinern wie dem Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, Aufwind verschaffen könnte, andererseits aber auch klare Grenzen setzt, wie seine Warnung „The killing has to stop“ im Wahlkampf mit Blick auf die Situation in der Region zeigt.

Ein weiteres potenzielles Spannungsfeld liegt in Trumps Plänen, Konflikte zu deeskalieren. Sollte er tatsächlich versuchen, den Fokus der US-Politik von den Konflikten in der Welt abzurücken, könnte dies Israels strategische Position schwächen. Die bisherige Erwartung, dass die USA weiterhin als Schutzmacht agieren, könnte sich somit wandeln, vor allem dann, wenn Trump den Rückzug der USA aus internationalen Konflikten und multilateralen Institutionen beschleunigt.

 

Ende der „dummen Kriege“?

Auch wenn die zweite Amtszeit Trumps offiziell erst am 20. Januar 2025 begonnen hat, war sein Einfluss auf die Ereignisse in der Region bereits zuvor spürbar. So telefonierte Trump vor seiner Amtseinführung mehrfach mit Netanjahu und entsandte Beauftragte seiner künftigen Administration in die Region, um sich mit der Lage im Libanon zu befassen oder eine Abmachung zur Befreiung der israelischen Geiseln voranzutreiben.

Diese Dynamik in Verbindung mit der bereits erfolgten Besetzung von Spitzenposten in der neuen Trump-Administration gibt Israel begründeten Anlass zur Hoffnung, dass während einer erneuten Trump-Präsidentschaft bereits etablierte Errungenschaften wie die Abraham-Abkommen und eine Normalisierung mit weiteren Ländern wie Saudi-Arabien forciert werden können. Es wird ebenso erwartet, dass eine harte Haltung gegenüber dem Iran nicht nur bestehen bleibt, sondern sogar noch verschärft wird.

Sollte Donald Trump allerdings an seiner Forderung nach einem Ende der „dummen Kriege“ in Zusammenhang mit einem Friedensplan für die Region unter Berücksichtigung einer Zukunftsperspektive für die Palästinenser konsequent festhalten, könnte Israel sich einer weniger berechenbaren Unterstützung der USA gegenübersehen. Erste Indizien dafür lassen sich schon beim Zustandekommen des Abkommens zwischen Israel und Hamas zur Befreiung der israelischen Geiseln und zu einer Waffenruhe im Gazastreifen Mitte Januar 2025 erkennen, bei dem der Druck seitens Trump als noch designierter US-Präsident eine erhebliche Rolle auch gegenüber der israelischen Regierung gespielt hat. Entscheidend wird daher sein, wie die gegenwärtige und auch womöglich eine künftige israelische Regierung ihre strategischen Prioritäten mit Blick auf die Herausforderungen in der Region, aber auch auf die damit verbundenen Erwartungen der Trump-Administration setzen und die bilateralen Beziehungen gestalten werden. Nicht nur deshalb stehen die Beziehungen zwischen Israel und den USA vor einer spannenden und möglicherweise turbulenten neuen Phase.


Michael Rimmel, geboren 1979 in München, promovierter Politikwissenschaftler, Leiter des Auslandsbüros Israel der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Jerusalem.


[1] Vgl. Tamar Hermann / Lior Yohanani / Yaron Kaplan: Israelis think Trump is Better for Israel’s Interest, The Israel Democracy Institute, 04.11.2024, https://en.idi.org.il/articles/56992 [letzter Zugriff: 23.12.2024].

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