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Die heiße US-Wahlkampfphase hat begonnen

Kontinuität trifft auf Comeback: Kamala Harris und Donald Trump im packenden Duell um das Weiße Haus

Kamala Harris gegen Donald Trump – ein Duell, das die politische Landschaft Amerikas neu definieren könnte. Während Harris Kontinuität und Neuanfang verspricht, kämpft Trump um ein Comeback im Stil von Grover Cleveland. Kann er das Unmögliche möglich machen und erneut ins Weiße Haus einziehen?

Präsidenten gehen in die Geschichtsbücher ein. Generale nur in Ausnahmefällen: Einer von ihnen, George Patton, im Zweiten Weltkrieg General in der U.S. Army und nach Kriegsende erster Militärgouverneur von Bayern, soll über seine Landsleute gesagt haben, sie würden Gewinner mögen und Verlierer nicht tolerieren.

In Sachen US-Präsidentschaftswahlen hat Patton recht behalten: In der Geschichte seines Landes gab es nur sechs Duelle um das Weiße Haus, in denen einstige Wahlverlierer von ihren Parteien ein zweites Mal nominiert wurden. Der letzte war Adlai Stevenson, der 1956, wie schon vier Jahre zuvor, Präsident Dwight D. Eisenhower unterlag.

 

Trump auf Clevelands Spuren?

Im Gegensatz zu Stevenson bekam Grover Cleveland nicht nur von seiner Partei, sondern auch von der Mehrheit der Wählerschaft eine zweite Chance. 1888 unterlag Cleveland als amtierender Präsident seinem Herausforderer Benjamin Harrison. Vier Jahre später kam es zur Neuauflage des Duells, und er gewann. Bis heute ist Cleveland der einzige Präsident, der es auf zwei Amtszeiten – einschließlich einer vierjährigen Unterbrechung! – brachte. Offensichtlich gestaltet sich der Einzug ins Weiße Haus nicht ganz einfach, wenn man schon mal verloren hat. Doch nichts ist unmöglich – im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Und so hat sich Donald Trump, einst ein politischer Außenseiter, aufgemacht, politische Geschichte zu schreiben. Nach der verlorenen Wahl 2020, deren Ausgang Trump bis heute nicht anerkennt, und enttäuschenden Ergebnissen der von ihm unterstützten republikanischen Kandidaten bei den Kongresswahlen 2018 und 2022 gaben ihm die Republikaner eine dritte Chance. Und es könnte sehr gut sein, dass es Donald Trump gelingt, Clevelands Alleinstellungsmerkmal zu egalisieren.

 

Neustart der Präsidentschaftswahl Ende Juli 2024

Und bis vor kurzem sah es noch – wie einst bei Cleveland – so aus, als käme es zu einer Neuauflage des Duells von vor vier Jahren: der amtierende Präsident Joe Biden gegen den damaligen Wahlverlierer Donald Trump. Doch nach dem für Joe Biden desaströsen ersten TV-Duell, zog er sich zurück¸ inthronisierte Vizepräsidentin Kamala Harris – und die Demokraten starteten Ende Juli neu in den Wahlkampf. Inzwischen sind sie nachgerade enthusiasmiert. Ihre Kampagne hat Fahrt aufgenommen, und findet in weiten Teilen ihrer Anhängerschaft große Resonanz.

Repräsentative Umfragen über die Verteilung der – am Ende entscheidenden – Wahlleute sehen Kamala Harris im Augenblick leicht vorn, vereint sie doch als Vizepräsidentin Kontinuität und Neuanfang in ihrer Person. Zugute kommt ihr als Demokratin auch eine mehrheitlich freundlich gesinnte Medienlandschaft.

 

„The campaign that defines the opponent, wins the election”

Das wenig in die Tiefe gehende Programm von Kamala Harris ist bisher kaum diskutiert worden – auch weil es Donald Trump bisher nicht gelang, politische Themen zu fokussieren. Die erste und womöglich einzige Fernsehdebatte zeigte dies sinnbildlich.

Anstatt Harris in ihren Schwachpunkten zu attackieren, erging sich Trump in Verschwörungstheorien, die sofort viral gingen. Das Votum der Zuschauer fiel zugunsten von Kamala Harris aus. Sie ging als Siegerin aus der Debatte, und das obwohl sie, ähnlich ihrem Kontrahenten, mit wenigen explizit politischen Ideen, aber mit vielen Unwahrheiten aufgewartet hatte.

Es scheint, als seien das Wahlkampfteam der Republikanischen Partei, aber auch Donald Trump selbst, von der neuen Situation und der neuen demokratischen Kandidatin überfordert. Für Harris‘ Team ist es ein Leichtes, einen ganz auf Emotionen getrimmten Wahlkampf zu führen und spontane Auseinandersetzungen mit den Medien weitestgehend zu meiden. Und obwohl Donald Trump einer sehr viel größeren Wählerschaft bekannt ist als Kamala Harris, ist es den Demokraten gelungen, das republikanische Duo Trump/Vance als Sonderlinge (weird) zu stigmatisieren.

 

VP Harris bietet schon Angriffsflächen

Dabei wäre es (auch) für Republikaner nicht so schwer, die Gegenseite in negativem Licht erscheinen zu lassen. Bis zur ihrer Präsidentschaftskandidatur war Kamala Harris die unbeliebteste Vizepräsidentin aller Zeiten. Präsident Biden hatte sie mit dem anspruchsvollen Unterfangen betraut, die illegale Migration zu begrenzen. Eine Aufgabe, an der sie scheiterte und auch kommunikativ nicht eben glücklich agierte: Als man sie fragte, ob sie die Südgrenze schon besucht habe, konterte sie, dass sie ja auch noch nicht in Europa gewesen sei.

In Zeiten hoher Inflation und einer (gefühlten) Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage ist Harris als Teil der Regierung für vieles mitverantwortlich. Doch hat sie es bisher vermocht, den ehemaligen Präsidenten Trump, als den eigentlich Verantwortlichen hinzustellen: Die Biden-Administration habe viele Probleme von ihrem Vorgänger geerbt. Auch dass Kamala Harris in vielen Fragen weitaus liberalere Positionen als Joe Biden vertritt, böte Angriffsflächen.

 

Wirtschaft, Migration, Abtreibung sind entscheidende Wahlkampfthemen

Wichtigstes Wahlkampfthema ist die Wirtschaftspolitik. Während Donald Trump zahlreiche Steuererleichterungen verspricht, will Kamala Harris mit staatlichen Unterstützungsleistungen die Wählerschaft für sich gewinnen. Nach einer Erhebung des Pew Research Centers trauen 55 Prozent der registrierten Wähler Trump gute wirtschaftspolitische Entscheidungen zu. Harris kommt auf 45 Prozent.

Die Begrenzung illegaler Migration ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA seit Jahren ein Dauerthema. Donald Trump bedient sich bei diesem Thema seit seinem Eintritt in das politische Geschäft einer unakzeptablen Rhetorik. So kündigt er an, die mehr als zehn Millionen in den USA lebenden illegalen Migranten zu deportieren. Ohne jedoch irgendeinen Plan oder rechtliche Voraussetzungen vorzuhalten, nach denen dies geschehen soll. Dazu sei angemerkt, dass während seiner Präsidentschaft sehr viel weniger Menschen abgeschoben worden sind als unter der Biden-Harris-Administration. Kamala Harris will gegen die Fluchtursachen vorgehen und an der Südgrenze der Vereinigten Staaten menschlichere Verfahren durchsetzen. Auch in Fragen der Migration hat Donald Trump bei den Kompetenzwerten die Nase leicht vorn.

Ein wichtiges und emotional diskutiertes Thema in den USA ist das Recht auf Abtreibung. Kamala Harris präferiert eine landesweit einheitliche liberale Regelung nach dem Vorbild von Roe vs. Wade, einem Urteil des Obersten Gerichtshofs von 1973, dass das Recht einer Frau auf Abtreibung bis zum Zeitpunkt der Lebensfähigkeit des Fötus umfasst. In dieser Frage liegt Kamala Harris in den Umfragen leicht vorn. Donald Trump möchte die bestehende Gesetzgebung beibehalten, nach der die einzelnen Bundesstaaten über ihr jeweiliges Abtreibungsrecht entscheiden.

 

Wahlausgang ist offen

Am Labor Day, dem ersten Montag im September, fiel der Startschuss für die heiße Wahlkampfphase. Die Kandidaten absolvieren noch mehr öffentliche Auftritte, sind noch präsenter in den Medien. Denn zuallererst geht es in den „Polarisierten Staaten von Amerika“ darum, die eigene Basis zu mobilisieren, wenn dann am 5. November Präsident und Kongress gewählt werden. Was die Finanzierung betrifft, ist die Kampagne von Kamala Harris bestens aufgestellt. Sie hat nahezu doppelt so viel Geld zur Verfügung wie die Trump-Kampagne.

In weniger als 50 Tagen wird gewählt, und der Ausgang ist völlig offen. Auch weil die Republikaner vom gegenwärtigen Wahlleutesystem profitieren. Nach Berechnungen des Wahlforschers Nate Silver benötigen die Demokraten einen Vorsprung von circa 2,5 Prozentpunkten bei den landesweit abgegebenen Stimmen, um auch im Wahlleutegremium erfolgreich zu sein.

Gelingt es Donald Trump und seinem Wahlkampfteam, die zahlreichen Fehler der Vergangenheit, auf den letzten Metern zu vermeiden und klüger zu agieren und zu argumentieren, ist die Rückkehr des ehemaligen Präsidenten ins Weiße Haus keineswegs unmöglich. Denn die US-Amerikaner mögen nicht nur Gewinner, sie mögen auch Comebacks.

 

Kai-Uwe Hülss ist Politikwissenschaftler und Soziologe mit den Schwerpunkten in politischer und gesellschaftlicher Kultur, Demokratieforschung sowie der Ökonomie.  Studium an der Georg-August-Universität Göttingen, Universität Rostock und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Mit den Blog "1600 Pennsylvania“ versucht er in polarisierenden Zeiten tiefgehend, unaufgeregt und differenziert über US-Politik zu informieren und diese zu analysieren.

Zur besseren Lesbarkeit von Personenbezeichnungen und personenbezogenen Wörtern wird in der Regel die männliche Form genutzt. Diese Begriffe gelten für alle Geschlechter.

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