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Die Social-Media-Macht der Katzen (Teil 2)

Cat Content im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf

Am 5. November 2024 wird in den USA ein neuer Präsident bzw. eine neue Präsidentin gewählt. Wer gewinnt das Kopf-an-Kopf-Rennen ums Weiße Haus: Donald Trump oder Kamala Harris? Die harte Wahlkampfschlacht im Internet wird dabei augenscheinlich von possierlichen Katzen geführt.

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Taylor Swift: die Königin der Cat Ladies

Im Wahlkampf gehört es zu den wichtigsten Aufgaben der Kampagnen-Teams beider Lager, die eigenen Anhänger dazu zu bringen, auch wirklich wählen zu gehen. Dabei kann die Unterstützung durch Prominente hilfreich sein, denn diese besitzen bei ihren Fans eine hohe Glaubwürdigkeit. Als besonders einflussreich gilt die Sängerin Taylor Swift, die 2023 vom „Time“-Magazin zur Person des Jahres gekürt wurde und Rang 5 auf der aktuellen „Forbes“-Liste der 100 mächtigsten Frauen der Welt belegt. Allein auf Instagram hat sie rund 283 Mio. Follower.

Dementsprechend berechtigt ist daher die Sorge der Republikaner gewesen, der Megastar könnte seine extrem loyalen Fans in die Arme der Demokraten treiben. Immerhin hatte Swift bei den Wahlen 2020 für Joe Biden gestimmt. Wegen J. D. Vance’ Katzenfrauen-Äußerungen hatten sich außerdem Tausende ihrer Anhänger zu den „Swifties for Kamala“ zusammengeschlossen, um die demokratische Präsidentschaftskandidatin in den sozialen Medien und anderswo zu unterstützen. Kein Wunder also, dass Donald Trump im August, unmittelbar vor dem Parteitag der Demokraten in Chicago, die gefälschten, KI-generierten Bilder im Netz dankbar aufnahm, weil sie suggerierten, dass Taylor Swift ihre Fans dazu aufgerufen hätte, bei der Wahl am 5. November für ihn zu stimmen! „Ich akzeptiere“, schrieb er süffisant auf Truth Social. Ein Swiftie kommentierte unter seinem Post, dass die Sängerin ihn niemals unterstützen werde. „You’re talking about the queen of the childless cat ladies here. Girlfriend has her own damn army.” Dennoch verbreiteten Trumps Anhänger die KI-Bilder weiter und fügten als „Swifties for Trump“ sogar noch neue Deepfakes hinzu.

X/SpartaJustice

Die gefälschten Bilder waren mit ein Grund dafür, dass sich Swift am 11. September, einen Tag nach dem TV-Duell der Präsidentschaftskandidaten, öffentlich für Kamala Harris und die Demokraten aussprach. Ihr Instagram-Beitrag, der über 11,4 Mio. Likes erhielt, ist unterschrieben mit „Taylor Swift, Childless Cat Lady“ und zeigt ein Bild der Sängerin mit ihrem Kater Benjamin Button.

Instagram/taylorswift

Auf seiner Plattform X provozierte Elon Musk daraufhin mit dem Angebot, der Sängerin ein Kind zu schenken und auch ihre Katzen mit seinem Leben zu beschützen. Sein Textpost wurde mehr als 118-millionenmal angezeigt. Unbeeindruckt schrieb ein User darunter: „Du scheinst kein Katzenmensch zu sein.“

„They’re eating the cats“

Während das TV-Duell am 10. September Taylor Swift dazu veranlasste, eine Wahlempfehlung für die Demokraten abzugeben, löste Donald Trump hier mit einer Bemerkung einen neuen Katzenhype in den Social Media aus. J. D. Vance hatte schon am Tag zuvor auf X die Behauptung verbreitet, dass in Springfield, Ohio, illegale Einwanderer aus Haiti Haustiere gestohlen hätten, um diese zu essen. Als Reaktion darauf postete der republikanische Senator Ted Cruz aus Texas ein Katzenfoto, auf dem zu lesen ist: „Bitte wählt Trump, damit uns die Migranten aus Haiti nicht essen!“

X/tedcruz

Die Geschichte ging viral, als Donald Trump diese Fake-News in der Fernsehdebatte mit Kamala Harris wiederholte. Anschließend fluteten die Anhänger der Republikaner das Internet mit KI-generierten Katzenbildern und lösten mit ihren „Cats for Trump“ einen Trend aus. Viele der Bilder zeigen Donald Trump, wie er Katzen und andere Tiere auf der Flucht vor ihren hungrigen Verfolgern in Sicherheit bringt, sie als Superman beschützt oder mit einer Waffe verteidigt. Kätzchen mit roten Basecaps, Trump-Frisur oder Sternenbanner-Schmuck bitten gleichzeitig darum, ihn zu wählen, damit er sie retten kann.

Die Gegner Trumps reagierten in den sozialen Netzwerken auf den ungeheuerlichen Vorwurf überwiegend mit Belustigung. In unzähligen Videos sind Katzen und Hunde zu sehen, die durch die Aussagen des Ex-Präsidenten in Angst und Schrecken versetzt werden. Sie machen große Augen, zucken zusammen, fauchen, jaulen oder schreien. Andere Bilder und Filmchen zeigen wiederum Katzenbabys und Hundewelpen, die in Kochtöpfen sitzen oder zwischen Sandwichscheiben eingeklemmt sind.

TikTok/halunkeyt, TikTok/becaring4dogs und TikTok/iraq.boy1

Die größte Aufmerksamkeit erzielte zweifelsohne der groovende Satiresong „Eating the cats“ des südafrikanischen Musikers David Scott alias The Kiffness. Sein YouTube-Video wurde mehr als 12-millionenmal aufgerufen.

YouTube/TheKiffness

In einem Interview mit der Journalistin Dana Bash auf CNN musste J. D. Vance am 15. September schließlich notgedrungen zugeben, dass die migrantische Gruselstory aus Springfield nicht wahr sei. Dennoch machte er keinen Hehl daraus, dass solche „kreierten“ Geschichten und Mythen auch weiterhin zum Arsenal seiner Wahlkämpfer gehörten, um das Interesse der „Mainstreammedien“ auf die wahren Probleme der USA zu lenken.  

Trumps Lüge über die Katzen verspeisenden Migranten aus Haiti während des TV-Duells verweist nebenbei auch auf eine andere Form von Cat Content. Sie veranschaulicht mustergültig eine kommunikative Taktik, die als „Deadcatting“ charakterisiert worden ist. Dabei wird in eine aufgeheizte Debatte eine Aussage eingestreut, die so schockierend wirkt, als knallte man einem Freund eine tote Katze auf den Esstisch. In jedem Fall lenkt das effizient von eigenen Fehlern ab und übertönt alles, was die Gegenseite vorträgt.  

Wem nützt es?

Das Musikvideo „Eating the cats“ ist ein wunderbares Beispiel für den Sinn und die Ambivalenz des Erfolges von Cat Content im US-Wahlkampf 2024. Die einen können sich darüber empören oder belustigen, die anderen hingegen dafür begeistern. Soll Trump damit nur lächerlich gemacht werden, oder kann der satirische Gute-Laune-Song auch als eine Art Fan-Fiction gelten? Letztlich entscheidet jeder für sich selbst und nach Sympathie, was er glauben möchte oder für manipuliert hält. Die vielen Memes und vergleichbare Inhalte in den Social Media bewirken im gegnerischen Lager und bei seinen Wählern freilich so gut wie nichts. Es ist jedoch auch gar nicht das primäre Ziel solcher Postings, Menschen mit anderen Ansichten zu überzeugen und für die eigene Sache zu gewinnen. Es geht vielmehr darum, die Reihen zu schließen, seine Anhänger in ihrer Überzeugung und Gefolgschaft zu bestärken und dabei zu helfen, ihren emotionalen Pegel stabil zu halten. Der meiste Content ist daher von vornherein so angelegt, dass er möglichst den Interessen und Gefühlen derer entspricht, die man bereits auf seiner Seite hat. Vieles wird überzeichnet, damit es überhaupt noch Resonanz findet, dient aber auch dem Spaß und der Haltung der eigenen Parteigänger.

In diesem Sinne sind Katzen-Memes ideal. Katzen haben die Fähigkeit, sich gewissermaßen auf Samtpfoten in unsere Herzen zu schleichen und dabei positive Gefühle auszulösen. Wir empfinden sie als possierlich und liebenswert. Botschaften, die in attraktiven Cat Content verpackt werden, erscheinen daher selbst bei kontroversen Themen eher freundlich und sind für eine breite Zielgruppe leichter zugänglich. Katzen-Memes sind im Besonderen geeignet, Aufmerksamkeit zu erregen, ein wohlwollendes Lächeln oder auch Ironie hervorzurufen und dadurch Kritik abzuschwächen. Lustige Memes zu ver­wenden, um politische Botschaften in einfacher Form massenhaft in den Social Media zu verbreiten, folgt einer Kommunikationsstrategie, die als „Meme(tic) Warfare“ bezeichnet worden ist und im Wahlkampf 2024 offenkundig von beiden Parteien meisterhaft beherrscht wird. Die humorvollen Elemente lassen Angriffe auf die jeweiligen politischen Gegner milder erscheinen. Die Memes helfen überdies dabei, die Gruppenidentität im eigenen Lager zu stärken, weil sie für Insider verständlich sind, während Außenstehende sie nicht immer sofort erkennen oder ernst nehmen. Wenn Donald Trump jr. auf X ein KI-generiertes Foto von seinem Vater postet, auf dem der Ex-Präsident mit einem AR-15-Gewehr in der Hand eine große goldfarbene Katze reitet, begreifen das als Erstes vermutlich diejenigen, die ihr halbes (digitales) Leben in rechtspopulistischen Echokammern verbracht haben.

X/DonaldJTrumpJr

Am Ende hoffentlich kein Katzenjammer

In der Vergangenheit haben bei den US-Wahlen oftmals die Kandidaten gewonnen, die vor allen anderen ein neues Medium für sich einzusetzen wussten. Das lässt sich 1960 für John F. Kennedy und das Fernsehen ebenso beobachten wie 2016 für Donald Trump und den Kurznachrichtendienst Twitter. 2024 dürfte es die massenhafte „Memisierung“ ideologisch-politischer Botschaften und Inhalte in den Social Media sein, die dem einen oder dem anderen Lager den entscheidenden Vorteil bringen könnte, wenn es ihm gelänge, seine Anhänger dadurch besser zu mobilisieren. Cat Content spielt in diesem Zusammenhang offenbar eine wichtige Rolle und erfüllt insofern seinen Zweck, als hier aus einem popkulturellen Phänomen im Netz aktive Unterstützungshandlungen entstehen.

Freilich nützt die Flut der Katzen-Memes in den Social Media gleichermaßen den Demokraten und den Republikanern. Entsprechend eng ist der Abstand zwischen Kamala Harris und Donald Trump in den aktuellen Umfragen zur Wahl, wobei die Unterschiede im Bereich der Fehlertoleranz solcher Meinungserhebungen liegen. Der Ausgang am 5. November ist jedenfalls völlig offen, was auch am komplizierten Wahlsystem in den USA liegt, wo die Entscheidung über Sieg oder Niederlage de facto in wenigen Bundesstaaten, den Swing States, fällt. Es bleibt also spannend bis zum Schluss. Seit der messianische Jubel der Nominierungsparteitage im Juli und August verklungen ist, warnen Skeptiker auf beiden Seiten vor übertriebener Euphorie und vorzeitiger Siegesgewissheit, so dass es am Ende zumindest keinen Grund für Katzenjammer geben sollte.

Matthias Krüger, geboren 1972, ist ein studierter Historiker. Er arbeitet als Referent in der Abteilung Medienanalyse und -archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung und verantwortet dort verschiedene Publikationsprojekte und den Bereich von Social Media Monitoring und Social Listening.

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