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Vorteile der Ehe gegenüber nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften

Vor 20 Jahren war die Ehe für junge Leute ein Auslaufmodell, heute ist sie wieder populär. Dr. Gudrun Lies-Benachib im Interview

Nichteheliche Lebensgemeinschaften sind derzeit die am schnellsten wachsende Familienform. Junge Menschen in Deutschland halten die Ehe für überholt. Warum raten Sie jungen Paaren zur Heirat?

Dr. Gudrun Lies-Benachib: Lieben kann man sich auch ohne Heirat – ganz ohne Frage. Ich argumentiere aber völlig unromantisch mit dem „schnöden Mammon“. Alle Partnerschaften enden – entweder durch Trennung oder durch den Tod. Die Argumentation für eine Ehe beginnt mit dem „dicken Ende“: Denn wie man am Ende einer Ehe wirtschaftlich aufgestellt ist, ist wesentlicher Grund für eine Heirat. Ein Drittel der Ehen in Deutschland wird geschieden, mindestens genauso so oft trennen sich nichtverheiratete Paare. Nur bei einer Ehe werden die Nachteile ehemals gemeinsamer Lebensentscheidungen zur Rollenverteilung nicht einseitig von einem Partner getragen. „In guten und in schlechten Zeiten“ – dieses Eheversprechen aus kirchlichen Trauungen spornt dazu an, sich gegenseitig beizustehen. Unser Gesetz überträgt dieses Versprechen auch auf die Zeit nach der Trennung.

 

Bei 65 Prozent erwerbstätiger Elternpaare in Deutschland arbeitet der Vater in Vollzeit und die Mutter in Teilzeit. Warum sind  Entscheidungen über die Rollenverteilung in einer Ehe am besten aufgehoben?

Dr. Gudrun Lies-Benachib: In den meisten Fällen bleibt der Elternteil vollzeiterwerbstätig, der das höhere Einkommen hat. Das sind häufig die Väter. Der andere Elternteil, meistens die Mutter, bleibt nach der Geburt des Kindes ein oder zwei Jahre zu Hause und arbeitet dann oft in Teilzeit. Vergleichen wir doch einmal die wirtschaftliche Situation eines verheirateten und eines unverheirateten Paares nach der Scheidung oder Trennung im 15. Lebensjahr des zweiten Kindes: Wenn sich die Eheleute scheiden lassen, hat der Elternteil, der sich hauptsächlich um die Kinderbetreuung und den Haushalt gekümmert hat, Anspruch auf die Hälfte der Vermögenswerte, die während der Ehe angeschafft wurden. Dazu gehören zum Beispiel das Haus, das Auto, die Möbel oder die Bankkonten. Die rechtliche Grundlage dafür ist der Zugewinnausgleich (§§ 1372 ff. BGB). Und durch das Versorgungsausgleichsgesetz (§ 2 VersAusglG) wird die Care-Arbeit der Erwerbsarbeit gleichgestellt. Außerdem bekommt der Elternteil, der sich um Kinder und Haushalt gekümmert hat, im Trennungsfall Rentenansprüche des Hauptverdieners aus der gemeinsamen Ehezeit. Das Familienrecht macht also deutlich, dass der Beitrag, der durch die Pflege und Erziehung von Kindern und die Haushaltsführung geleistet wird, genauso viel wert ist wie der durch die Erwerbsarbeit erbrachte Anteil! Der Elternteil, der weniger verdient, kann außerdem Unterhalt vom anderen Elternteil verlangen. So kann der eheprägende Lebenszuschnitt für eine Übergangszeit aufrechterhalten werden. Wenn die Karrierechancen eines Elternteils durch die jahrelange Kinderpause gelitten haben, muss der in Vollzeit arbeitende Elternteil die Nachteile des anderen Elternteils ausgleichen und länger Unterhalt zahlen (§ 1578b BGB).

 

Ist die Situation eines unverheirateten Paares nach der Trennung denn deutlich anders?

Dr. Gudrun Lies-Benachib: Ja, die Situation ist dramatisch anders. Den meisten jungen Paaren ist das nicht bewusst. Trennt sich ein nicht verheiratetes Elternpaar, bleibt dem Elternteil, der sich vorwiegend um Kinder und Haushalt kümmerte, buchstäblich nichts außer den geringen eigenen Rentenanrechten aus den Kindererziehungszeiten. Der Elternteil, der zum Beispiel 15 Jahre lang dem vollzeitbeschäftigten Elternteil den Rücken freigehalten und so die Karriere ermöglicht hat, geht bei einer Trennung leer aus. Es gibt keinen Unterhaltsanspruch, weil das jüngere Kind im Rechtssinne kein Kind mehr ist, das betreut werden müsste (§ 1615 I BGB). Mit Mitte vierzig ist es nicht einfach, eine anspruchsvolle Stelle zu finden und berufliche Nachteile aufzuholen. Der Elternteil, der Vollzeit gearbeitet hat, kann nach der Trennung einfach weitermachen wie bisher, während der andere den Nachteil hat. Was während der Beziehung angeschafft wurde, gehört nach der Trennung auch nur dem, der das Geld verdient hat und auf dessen Namen in der Regel die Vermögensgegenstände erworben worden sind. Auch nimmt der vollzeiterwerbstätige Elternteil bei einer Trennung alle Rentenansprüche mit.

 

Welche Ansprüche bestehen, wenn ein Partner in einer nichtehelichen Paargemeinschaft stirbt?

Dr. Gudrun Lies-Benachib: Wenn in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft derjenige stirbt, der die Hauptfinanzierung der Familie garantiert hat, bekommt der oder die Zurückbleibende nichts aus der Rentenkasse. Bei Ehepaaren trägt die Witwenrente dazu bei, die Versorgungslücke zumindest teilweise zu schließen. Beide Ehegatten sind gesetzliche Erben und genießen zudem mit 500.000 Euro den höchsten Steuerfreibetrag, auf den keine Erbschaftssteuer anfällt (§§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Nichteheliche Partner erben ohne Testament nichts. Wenn die Vermögenswerte aus dem Einkommen des Besserverdienenden angeschafft wurden und diese Person zuerst stirbt, geht das eigentlich durch gemeinsame Lebensführung aufgebaute Vermögen ausschließlich in das Eigentum der gesetzlichen Erben über. Nicht selten sind das die Kinder aus einer ersten Ehe des oder der Verstorbenen.

 

In Deutschland arbeiten knapp zwei Drittel der erwerbstätigen Frauen mit mindestens einem Kind unter 12 Jahren in Teilzeit. Muss sich das ändern?

Dr. Gudrun Lies-Benachib: Ich finde es wichtig, die Realität der Rollenaufteilung in Familien mit minderjährigen Kindern zu respektieren. Ich erlebe oft, dass ein Elternteil nicht voll in den Beruf zurückkehren kann, weil das Kind krank ist und Therapien braucht. Das gilt auch für immer mehr Kinder mit ADHS. Oft fehlen Kinderbetreuungsplätze. Das Paar muss selbst entscheiden, wer wie viel arbeitet. Vielleicht sind einem Paar auch Zeiten für Partnerschaft, Freunde und Hobbys wichtig. Diese Freiräume werden durch die familiäre Arbeitsteilung geschaffen, bei der ein Elternteil beruflich zurücksteckt und dafür mehr Kinderbetreuung, Hausarbeit und Beziehungspflege übernimmt. Wenn man bedenkt, dass auch während der guten Zeiten der Paarbeziehung zwischen verheirateten und unverheirateten Paaren mit zwei Kindern ein Einkommensgefälle herrscht, das auf unterschiedliche Steuerklassen fußt – bei Durchschnittsverdienenden sind das etwa 400 Euro pro Monat –, dann ist schwer nachzuvollziehen, warum Paare nicht heiraten.

 

Warum entscheiden sich immer mehr junge Paare für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft?

Dr. Gudrun Lies-Benachib: Ich glaube, viele kennen schlicht nicht die Rechtsfolgen von Ehe oder nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Wären sie bekannt, würden die wirtschaftlichen Konsequenzen einer Trennung mehr bedacht werden.  – Jedenfalls dann, wenn man auf den besserverdienenden Partner oder die besserverdienende Partnerin schaut. Aus deren Sicht entstehen durch eine Ehe vermeidbare Risiken. Viele junge Paare heiraten sicher auch nicht, weil ihnen das Scheidungsfolgenrecht sehr komplex erscheint. Aber die Probleme entstehen bei jeder Trennung, und nur das Scheidungsfolgenrecht zielt auf eine faire Lösung für beide Teile. Eine Heirat sichert nicht nur steuerliche und soziale Vorteile während der Ehe und füllt die Haushaltskasse auf. Im Trennungsfall bietet das Scheidungsfolgenrecht ein gerechtes Abwicklungsreglement für die unterschiedlichsten Lebenslagen. Die Zivilehe ist letztlich nichts anderes als ein Vertrag, dessen Einzelheiten der Gesetzgeber geregelt hat. So ist sichergestellt, dass am Ende einer Beziehung nicht der Stärkere gewinnt. Wenn Paare eine verantwortliche Partnerschaft auf Augenhöhe wollen, können sie bedenkenlos vor dem Standesamt „Ja“ sagen.

privat

Dr. Gudrun Lies-Benachib ist Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Vorsitzende des 2. Familiensenats in Kassel und Mitglied des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen. Sie ist außerdem Mitglied in der neuen Richtervereinigung und im Deutschen Juristinnenbund. Auch ist sie eine häufig gefragte Autorin für Stellungnahmen bei Öffentlichen Anhörungen des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag.

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