Das Logo von „Extinction Rebellion“ ist eine stilisierte Sanduhr, in einem Kreis, der die Erde symbolisiert. Die Sanduhr steht für die Zeit. Sie läuft uns davon. Wir, die jungen Menschen, pochen darauf, sie zu nutzen: Unser aller Lebensraum steht auf dem Spiel. „Extinction Rebellion“ bedient sich radikaler Methoden, ruft zu zivilem Ungehorsam auf. Konservative Politik handelt aus, sucht nach Kompromissen. Das ist zeitraubend, und die Zeit drängt. Widersprechen ihre Prämissen einem konstruktiven und konsequenten Klimaschutz?
Kompass einer konservativen Klimaschutzpolitik
„Wut und Verblendung können in einer halben Stunde mehr niederreißen, als Klugheit, Überlegung und weise Vorsicht in hundert Jahren aufzubauen imstande sind“, so Edmund Burke in seinen 1790 erschienenen „Betrachtungen über die Französische Revolution“. Er warnt vor radikalen Veränderungen, spricht vom Erbe der Älteren, die die Gegenwart mit „Klugheit, Überlegung und weiser Vorsicht“ aufgebaut haben und plädiert für ein Band zwischen den Generationen: ein Vertrag zwischen den Erblassern, den Entscheidungsträgern und künftigen Generationen. Die Chancen künftiger Generationen zu wahren, gehört zur DNA christdemokratischen Handelns. Und der Erste, der das nicht nur moralisch oder religiös fasste, sondern politisch, war der „Father of conservatism“ Edmund Burke.
In der klimapolitischen Öffentlichkeit führen konservative Handlungsmaximen ein Schattendasein. Sie werden übertönt. Mit einer Ausnahme: Die „Bewahrung der Schöpfung“ ist in aller Munde – ein fast schon geflügeltes Wort. Bewahren, ein Ur-Anliegen konservativer Politik, meint jedoch nicht, an Überholtem festzuhalten. Es ist der Gegenpol zu revolutionären Veränderungen, es setzt auf Reformen. Konservative Reformpolitik ist rational und kontinuierlich, sie agiert mit Maß und Mitte. Die Welt wandelt sich, und die Politik muss es ihr gleichtun. Wie schon Franz Josef Strauß wusste: „Konservativ heißt, nicht nach hinten blicken, konservativ heißt, an der Spitze des Fortschritts marschieren“. Wenn es in der Fridays-for-Future-Bewegung einzelne Aktivisten gibt, die von einem „radikalen Systemwandel“ schwärmen, dann nur, weil die aktuelle Politik ihnen keine angemessenen Reformen anzubieten scheint. Reformen werden immer mehrheitsfähiger sein als Revolutionen. Die Annahme, die Klimaschutzbewegung sei im Kern radikal, ist nicht richtig. Kämpfen ihre Anhänger doch vehement gegen das radikalste aller Szenarien: den Klimawandel.
Schon jetzt übertreffen die Folgen des Klimawandels die wissenschaftlichen Prognosen. Seine Ausmaße sind existenziell bedrohlich, vergleichbar mit den Auswirkungen eines Asteroideneinschlags. Das ist keine hysterische Panikmache, es ist die nüchterne, ungeschönte Beschreibung eines Tatbestands, dem es zu begegnen gilt. Wir brauchen vernünftige Lösungen und beherzte Krisenmanager, die mit Vernunft agieren, die Weit- und Vorsicht walten lassen – klassisch konservative Eigenschaften.
Klimaschutz – Ein Querschnittsthema
„Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ lautete das Motto der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020. Die umwelt- und klimapolitischen Ziele des Programms waren der Schutz der Biodiversität, der Ausbau von erneuerbaren Energie, die Kreislaufwirtschaft und ein Europäisches Klimagesetz. Klimafreundliche Mobilität fand mit einem Satz Erwähnung. Selbstredend wurden die klimapolitischen Vorhaben von der COVID-19-Pandemie in den Schatten gestellt. Doch Klimaveränderungen pausieren nicht während einer Pandemie. Sie laufen weiter, verschärfen sich unaufhörlich. Genannt seien nur das Abschmelzen des arktischen Eises und der Andengletscher, Extremwettereignisse wie in Indien, Bangladesch und auf den pazifischen Inseln, steigende Meeresspiegel und extreme Dürren. Die Folgen sind Wanderbewegungen, Ressourcenknappheiten, Artensterben und im schlimmsten Fall sogenannte Klimakriege. Aus solchen Konflikten resultieren Fluchten, die auch die Interessenbereiche der Europäischen Union berühren. Doch im Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft findet sich kein Satz zu den gegenwärtigen Klimafolgen und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Europäische Union.
Deutschland hat sich gemeinsam mit Portugal (EU-Ratspräsidentschaft 1. Halbjahr 2021) und Slowenien (EU-Ratspräsidentschaft 2. Halbjahr 2021) auf eine Triopräsidentschaft mit entsprechendem Programm verständigt: ein nachhaltiger und vorausschauender Beschluss. Das Trioprogramm nennt das starke Ziel einer „Energieunion“ und eines gemeinsamen Energiemarkts; der Schwerpunkt liegt auf dem Übergang zur Klimaneutralität. Diese Ziele sind nicht unter dem Thema „Europäische Klimaneutralität“ subsumiert, sie werden beiläufig in anderen Abschnitten erwähnt. Möglicherweise ist damit die Absicht verbunden, dass klimatische Auswirkungen auch in allen politischen Ressort der Europäischen Union mitbedacht werden.
Konservative Politik zeichnet sich dadurch aus, dass sie einen Sachverhalt aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Das führt zwangsläufig zu der Frage, „Und wer soll das bezahlen?“ Hinter der Frage nach der Finanzierbarkeit verbirgt sich konservative Vorsicht, geht es doch um die Steuergelder der Bürger. Ähnlich lässt sich aus klimapolitischer Perspektive argumentieren: Auch hier geht es um den Besitz der Bürger – um unsere natürlichen Grundlagen. Bei aller Differenz – in der Finanz- und der Klimapolitik wird der Umgang mit endlichen Ressourcen verhandelt. Es ist also zutiefst konservativ, alle politischen Ideen und Initiativen unter dem Gesichtspunkt ihrer klimatischen Auswirkungen zu betrachten. In einigen Kommunen wird das heute schon so gehandhabt: Gemeinde- und Stadträte beziehen in jede Entscheidung über neue Vorhaben die ökologischen Auswirkungen ein. Würden wir, die Bürger, unseren Alltag genauso konsequent hinterfragen, wären wir einen Riesenschritt weiter. Wir wären also gut beraten, uns schon heute in allen Belangen zu fragen „Und was macht das mit dem Klima?"