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Der WHO-Austritt der USA und Argumente, dem Beispiel nicht zu folgen

Der WHO-Austritt der USA hat weitreichende Folgen für die Globale Gesundheit. Warum es sich für Deutschland lohnt, weiterhin stark in internationale Gesundheitsstrukturen zu investieren – und welche Risiken ein Rückzug mit sich bringt.

Gleich in den ersten Stunden nach der Amtseinführung unterzeichnete Donald Trump zahlreiche Präsidentenerlasse. Darunter einen, mit dem er den Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte und Schritte zur möglichst schnellen Umsetzung anordnete.

Die WHO gibt sich in öffentlichen Erklärungen zwar optimistisch, dass es noch gelingen könne, Trump binnen der nun laufenden Jahresfrist bis zum Wirksamwerden des Austritts umzustimmen, stellt sich aber auch auf das Szenario eines endgültigen Ausstiegs ein. Da der Präsidentenerlass anweist, Zahlungen an die WHO schnellstmöglich einzustellen und US-Personal abzuziehen, sind die Auswirkungen ohnehin unmittelbar spürbar. Die WHO, zu deren Gesamtbudget die USA bislang fast ein Fünftel beitrugen, reagierte mit sofortigen Einstellungsstopps, dem Verzicht auf Dienstreisen und der Neuverhandlung von Lieferverträgen, um Kosten zu sparen.

Die Auswirkungen sind jedoch nicht nur finanzieller Natur. Der Abzug des US-Personals bedeutet einen enormen Verlust an Expertise. Der internationale Informationsaustausch wird in Mitleidenschaft gezogen. US-Institutionen, wie dem Center for Disease Control and Prevention (CDC), wurde untersagt, mit der WHO zu kommunizieren. Das betrifft u. a. den Wissenstransfer zur saisonalen Grippe und könnte die Entwicklung von Impfstoffen erschweren, die jährlich an neue Virenstämme angepasst werden. Der etablierte Mechanismus hierzu liegt bei der WHO.

Begründet wird der Austritt mit einem zu langsamen und mangelhaften Management der Covid-19-Pandemie durch die WHO, fehlendem Reformwillen, unverhältnismäßig hohen Zahlungen der USA, insbesondere im Vergleich zu China, und unangemessen hohem politischen Einfluss anderer WHO-Mitglieder, womit auch China gemeint sein dürfte.

Um die richtigen Lehren aus der zurückliegenden Pandemie zu ziehen, künftig effizienter reagieren zu können und die Prävention zu stärken, wird derzeit ein internationales Pandemieabkommen verhandelt. Die internationalen Gesundheitsvorschriften wurden bereits angepasst. Weitere Reformen der WHO zu mehr Effizienz und Transparenz werden auch von anderer Seite angemahnt. Untätig war die WHO in den letzten Jahren jedoch nicht. So hat sie versucht, die Kosten breiter zu verteilen und erkannt, wie riskant es ist, auf wenige große Geber angewiesen zu sein, wie sich jetzt am Beispiel der USA zeigt. Dass deren Ausstieg wiederum den Einfluss anderer, allen voran China, stärkt, könnte zu einer self fulfilling profecy werden.

Ebenfalls am Tag der Amtseinführung wurde angeordnet, jegliche Mittel der amerikanischen Entwicklungshilfe für 90 Tage einzufrieren. Betroffen ist vornehmlich die US Agency for International Development (USAID). Zwar gibt es für einige wenige Nothilfe-Programme Ausnahmeregelungen, doch die Folgen in vielen Ländern sind fatal, wurden nicht nur Gelder eingefroren, sondern auch in großem Umfang Personal beurlaubt oder freigestellt.

Die Auswirkungen auf die Globale Gesundheit sind enorm. Rund ein Viertel des USAID-Haushalts fließt in Gesundheitsprogramme. Millionen von Menschen sind von der Versorgung mit Medikamenten abgeschnitten oder haben keinen Zugang mehr zu Ärzten. Betroffen sind Programme zur Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und anderen Tropenkrankheiten, zur Mütter- und Kleinkindergesundheit und zur Stärkung von Gesundheitssystemen. In Krisenländern, wie dem Kongo, steigt die Gefahr, dass sich epidemische Krankheiten wie Mpox verstärkt ausbreiten.

Sowohl der Austritt aus der WHO als auch das Einfrieren der Mittel für USAID folgen einer Logik, die seit dem 20. Januar auch in anderen Politikfeldern erkennbar ist. Dort, wo aus Trumps Sicht die Kosten-Nutzen-Rechnung negativ ausfällt, fahren die USA ihr internationales Engagement zurück. Geopolitische Zusammenhänge und Partnerschaften werden ignoriert oder fallen sehr viel weniger ins Gewicht, als man vermuten würde.

Was spricht für ein starkes Engagement in die Globale Gesundheit? Nach den USA ist Deutschland der zweitgrößte Geber der WHO, und auch bei den öffentlichen Mitteln für Entwicklungsleistungen  (ODA , engl. für Official Development Aid) insgesamt. Die Kosten-Nutzen-Rechnung bestimmt also nicht nur amerikanisches Handeln, sie könnte auch für Deutschland an Bedeutung gewinnen, das derzeit von vielen sehr genau beobachtet wird.

„Globale Gesundheit ist eine Frage der nationalen Sicherheit.“

Lukas Lingenthal

Globale Gesundheit ist eine Frage der nationalen Sicherheit. Covid-19 hat gezeigt, wie schnell und brutal eine Pandemie globalen Ausmaßes zuschlagen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in den nächsten 25 Jahren eine Pandemie ähnlichen Ausmaßes ereignet, wird auf 48 Prozent geschätzt. Die Vorbereitung auf ein solches Szenario bedarf weltweiter Koordinierung und Standards. Für die Prävention braucht es weltweit intakte und resiliente Gesundheitssysteme, weil nur so Pandemiepotenziale früh erkannt, Pathogene geteilt und schnelle Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen werden können. Eine Investition in die Stärkung von Gesundheitssystemen anderer Länder ist immer auch eine Investition in die eigene Gesundheitssicherheit.

Globale Gesundheit hat auch eine geopolitische Komponente. Deutschland genießt in der globalen Gesundheitspolitik hohes Ansehen: wegen der finanziellen Beiträge, die es leistet, der verlässlichen Wissenschaftskooperationen und Partnerschaften und der Qualität von Forschung und Entwicklung hierzulande. Mit diesem Pfund an Soft Power kann Deutschland international Einfluss geltend machen – und nicht nur in der Globalen Gesundheit.

Die industrielle Gesundheitswirtschaft ist eine tragende Säule in der deutschen Wirtschafts- und Innovationslandschaft. Etwa eine Million Menschen arbeiten in diesem Wirtschaftszweig. Deutsche Produkte aus den Bereichen Diagnostika, Arzneimittel, Medizintechnik, Biotechnologie und KI-Anwendungen in der Medizin sind auf dem Weltmarkt führend. Die deutsche Standortpolitik ist gefordert, dieses Niveau zu halten. Mit Innovationen aus Deutschland werden die drängendsten Probleme der Globalen Gesundheit bekämpft.

Starke Gesundheitssysteme und gute Lebensbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern mindern Fluchtbewegungen. Gesundes Leben ist ein Menschenrecht. Deutschland hat sich den Zielen für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen verpflichtet, deren drittes Ziel Gesundheit und Wohlergehen für alle ist.

Die Kosten, die etwa durch die Beiträge an die WHO und an Programme wie Gavi (The Vaccine Alliance, ein weltweit tägiges Impfprogramm) oder den Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria entstehen, in bilaterale Entwicklungsprojekte zur Stärkung von Gesundheitssystemen fließen oder in wissenschaftliche Projekte mit internationalen Partnern, sind im Verhältnis zu den Gesundheitsausgaben in Deutschland gering. Den Nutzen haben dabei nicht nur die direkten Empfänger solcher Mittel, sondern durch die globalen Zusammenhänge auch wir selbst. Ein starkes Engagement für die Globale Gesundheit liegt somit auch im Eigeninteresse Deutschlands.

Konrad-Adenauer-Stiftung

Lukas Lingenthal arbeitet bei der Konrad-Adenauer-Stiftung und ist in der Hauptabteilung Analyse und Beratung zuständig für Globale Gesundheit. Bei der Stiftung ist er seit 2011 beschäftigt mit vorherigen Tätigkeiten in der Europäischen und Internationalen Zusammenarbeit, insbesondere mit Fokus auf Lateinamerika, sowie im Leitungsstab. Er studierte Politik und Recht in Münster sowie Europäisches Recht in Saarbrücken.

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