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Nachlese zur US-Wahl: Was deutsche Medien hätten besser machen können

Der Durchmarsch von Donald Trump oder Lektionen für eine ausgewogenere Berichterstattung

Was können deutsche Medien aus der US-Präsidentschaftswahl 2024 lernen? Manuel Schwalm analysiert, warum die Berichterstattung oft unausgewogen wirkte und wo es Potenzial für Verbesserungen gibt.

Die 60. Präsidentschaftswahlen war für den republikanischen Kandidaten Donald Trump ein großer Erfolg. Seine demokratische Rivalin Kamala Harris unterlag ihm deutlich. Trump versammelt im Electoral College voraussichtlich 312 Wahlleuten hinter sich und liegt mit weitem Abstand vor Kamala Harris mit 226 Wahlleuten. Er gewann alle Swing States und brach in die Blue Wall der Demokraten ein. Auch bei der Popular Vote lag er mit etwa 75 Millionen abgegebenen Stimmen ca. 3 Millionen Stimmen vor Harris. Die Vizepräsidentin erreichte in keinem Bundesstaat die Ergebnisse von Joe Biden aus dem Jahr 2020; mehr noch: Sie hatte etwa 13 Millionen Stimmen weniger als Biden vor vier Jahren. Ihre Wahlkampagne scheiterte offenkundig daran, dass sie nicht genügend mobilisieren konnte. Laut CNN-Nachwahlbefragungen hatten sich ca. 80 Prozent der Trump-Wähler schon vor September für ihn entschieden. Das Rennen war nie eng. Doch genau das wurde sehr lange von den Wahlbeobachtern in den deutschen Medien vermittelt. Und das wirft Fragen auf.

„Wenn Medien ihrem Auftrag, sachlich und objektiv zu informieren, nicht nachkommen, ist das für uns alle von Schaden. Und der Schaden ist noch größer, wenn sie nicht mehr berichten, wie die Welt ist, sondern wie sie gern hätten, dass sie ist.“

Manuel Schwalm

Ich bezeichne die Medien gern als „Nachrichtendienste der Öffentlichkeit“: Sie sammeln und werten Informationen aus. Von Journalisten ausgewählten Informationen sind die Basis für viele öffentliche Debatten in unserem Land. Und nicht wenige politische Entscheidungen werden im Ergebnis öffentlicher Debatten getroffen. Wenn Medien ihrem Auftrag, sachlich und objektiv zu informieren, nicht nachkommen, ist das für uns alle von Schaden. Und der Schaden ist noch größer, wenn sie nicht mehr berichten, wie die Welt ist, sondern wie sie gern hätten, dass sie ist. Und man wird das Gefühl nicht los, dass wir genau das erlebt haben, lässt man die deutsche Medienberichterstattung während des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs noch einmal Revue passieren.

Ich möchte mit diesem Beitrag über niemanden richten. Mir geht es auch nicht um eine pauschale Medienschelte. Ich habe drei Punkte ausgewählt, die meiner Ansicht nach verbesserungswürdig sind. Im Sinne einer guten Berichterstattung.

1. Das Korrespondentennetz

Für gute Auslandsberichterstattung braucht es ein dichtes Korrespondentennetz. In den USA gab es das augenscheinlich nicht: Zu viele Informationen fielen durchs Netz. Schon allein wegen der Größe des Landes. Es gibt nicht die USA, es gibt derer vier: im Osten, Süden, Norden und Westen. Hinzu kommt – so mein Eindruck, dass einige Korrespondenten die Fakten keiner Analyse unterzogen haben. Das Problem war nicht, dass sie den Wahlausgang nicht vorhergesehen haben – das hat niemand von ihnen erwartet. Problematisch war, wie sehr ihre Ansichten von der einen großen Erzählung bestimmt waren, die von einem sehr europäischen Blick auf die USA getrübt war. Über den ganzen Wahlkampf wölbte sich die Erzählung von den guten Demokraten und den bösen Republikanern.

2. Die Experten

Eine wichtige Säule guter Berichterstattung sind Expertengespräche oder -interviews. Ob im Print oder im TV-Studio. Wer sich lange und intensiv mit einem Thema befasst, der flößt Vertrauen ein, er ist glaubwürdig, dem hört man zu. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen erschien mir die Auswahl der Experten jedoch ein wenig einseitig zu sein. Statt Experten mit einer gewissen Bandbreite an Erkenntnissen und politischen Positionierungen einzuladen, schienen viele von ihnen eher dem linksliberalen Spektrum anzugehören. Ein um Ausgewogenheit bemühtes Einladungsmanagement hätte auch eine ausgewogenere Meinungsvielfalt gespiegelt. Niemand erwartet, dass man in einer Talkshow oder als Interviewgast seine weltanschaulichen Positionen ablegt. Das in der Wahlauseinandersetzung von den deutschen Medien vermittelte Bild bestätigte allerdings die oben beschriebene Erzählung von den guten Demokraten und den bösen Republikanern.

3. Die Auswahl

Korrespondenten sammeln Informationen, sie gewichten sie und dann entscheiden sie, ob sie Gegenstand ihrer Berichterstattung werden. Während des Präsidentschaftswahlkampfs unterschieden sich die Gütekriterien sehr, ob etwas berichtenswert war oder nicht. Ereignisse, die die Wahlkampfkampagne von Donald Trump in ein schlechtes Licht rückten, fanden sehr viel häufiger den Weg in die Medien als eine kritische Berichterstattung über die Harris-Kampagne oder die augenscheinliche Zurückhaltung von Kamala Harris, sich zu Sachverhalten zu äußern, die ihr nicht lagen. Auch mit Auslassungen kann man Botschaften platzieren, kann man Diskurse lenken.

Zu guter Letzt: Das war ein Meinungsbeitrag von mir. Ich habe Vorurteile, und ich bin auch voreingenommen. Persönlich hege ich wenig Sympathien für Donald Trump. Und damit bin ich nicht allein. Aber genau deshalb, müssen wir uns in Deutschland darauf verlassen können, dass unsere Medien uns möglichst umfassend und ohne Verzerrungen informieren. Wir dürfen uns nicht hinter den Mauern der Voreingenommenheit verbarrikadieren. Es lohnt sich, immer mal zurückzuschauen. Auch auf den US-Präsidentschaftswahlkampf in den USA.

privat

Manuel Schwalm, geboren 1986 in Berlin, studierte Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Masterstudiengang an der Georg-August-Universität in Göttingen. Nach seinem Studium stieg er als Berater in die Werbebranche ein. Heute ist er in der politischen Kommunikation tätig. Er lebt und arbeitet in Berlin.

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