Hierzulande - Die Kolumne von Stefanie Renz, immer frisch vom Land
Stefanie Renz mag es nicht bevormundet zu werden, aber genau das droht aus ihrer Sicht mit dem Vorhaben namens „Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz“.
In Sachen Weihnachten hat jeder so seine eigenen Vorstellungen: ob traditionell mit Familie, Baum und Braten oder eben das Gegenprogramm – bar jeder Besinnlichkeit oder Mitternachtsmesse. Und dann gibt es noch die vermeintlich Gleichgültigen – die, die von sich behaupten, dieses Feiertagsbrimborium sei ihnen völlig egal. Aber völlig entkommen kann Weihnachten keiner. Spätestens wenn landauf, landab der weihnachtliche Deko-Wahn ausbricht. Für den Einzelhandel fängt die Vorweihnachtszeit nicht im Advent, sondern im September an. Jahr für Jahr ist man aufs Neue verwundert: Verbraucher in spätsommerlichem Outfit langen bei Lebkuchen und Spekulatius zu.
Und dann das Weihnachtsessen: Bei den meisten wird üppig aufgetischt. Je nach Tradition schon am Heiligabend oder erst an den Feiertagen. Neuerdings hört man immer wieder von vegetarischen oder veganen Varianten zu Gänsebraten, Rinderrouladen und Frankfurter Würstchen. Mein Eindruck: Das ist ein Medien-Hype. Noch ist die Realität eine andere.
Überflüssiges Gesetz
Im Windschatten vieler Ernährungsdebatten: Lebkuchen & Co. Selbst wer sich unterm Jahr „gesund“ ernährt, zu Weihnachten lässt fast jeder alle fünfe gerade sein: Süß geht immer. Und bei Kindern sowieso.
Doch das soll sich ändern. Und das, was da geplant ist, hat auch schon einen Namen. Und der klingt nach Spaßbremse: Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz. Initiiert vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), geleitet von Cem Özdemir. Es geht auch nicht nur um Süßes, sondern um alles, was den Ruf hat, nicht gesund zu sein. Kinder sollen vor Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker- Fett- oder Salzgehalt geschützt werden. Ich finde, das Gesetz ist überflüssig.
„Wer glaubt, Kinder greifen nach Pommes, Schokolade oder Chips, weil sie sie aus der Werbung kennen, der hat seine eigene Kindheit vergessen.“
Stefanie Renz
Wer glaubt, Kinder greifen nach Pommes, Schokolade oder Chips, weil sie sie aus der Werbung kennen, der hat seine eigene Kindheit vergessen. Werbung kann Konsum lenken oder fördern, aber gegessen wird am Ende nur, was schmeckt. Und dass das nicht im Übermaß geschehen sollte, versteht sich von selbst. Doch darüber entscheiden die Eltern und nicht der Staat. Noch ist das Gesetz nicht beschlossen, und doch muss ich an mich halten: Es fällt schwer, sich angesichts solcher Pläne nicht bevormundet zu fühlen.
Man wolle ja nichts verbieten, sondern nur keine falschen Anreize setzen – so sinngemäß aus dem Ministerium. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Klar verbietet man nichts, aber es steht zu befürchten, dass wir uns schon bald in einem Dschungel übergriffiger Vorschriften verlaufen. Nochmal: Keiner bestreitet, dass ein Zuviel an Zucker, Salz oder Fett der Gesundheit von Kindern und Erwachsenen schadet. Wie wir uns ernähren, hängt von vielen Faktoren ab, aber nicht zuallererst von der Werbung.
Spaß nicht vergessen
Ernährungsgewohnheiten werden zuhause „gemacht“, am Familientisch – und nicht von ein paar Werbeclips. So wie die Erwachsenen sich ernähren, tut es in aller Regel auch der Nachwuchs. Nun könnte man den Eltern ja vorschreiben, was auf den Teller kommt. Und manch einer meint, dem wäre auch schon so …
Statt sich gleich am Familienessen zu vergreifen, kann man die Kleinen in Sachen Ernährung auch bilden. Dafür braucht es nicht gleich ein neues Schulfach. Aber mitkochen und – schnippeln macht Spaß und unsere Kinder kompetenter. Essen wird aus Lebensmitteln gemacht, und wenn möglich aus frischen. Eine Binse, aber nicht jedes Kind weiß das. Bei uns auf dem Land, und noch dazu in der Landwirtschaft, lernt man das früh. Aber auch in der Stadt kann man „frisch“ kaufen. Am Angebot scheitert es sicher nicht.
Und an alle Ernährungs-Missionare da draußen! Macht Eure Art zu essen nicht zum Maßstab für alle. Und schon gar nicht für Kinder. Zeigt lieber, wie man mit wenig Aufwand gutes Essen (mit oder ohne Fleisch!) zubereitet. Und vergesst bitte die Lebensfreude nicht. Essen soll nicht nur satt, sondern auch Spaß machen.
„Es gibt keine gesunden und ungesunden Lebensmittel. Jede einseitige Ernährung, mit egal welchen Lebensmitteln, schadet auf Dauer.“
Stefanie Renz
Doch zurück zum geplanten Werbeverbot, von dem die Initiatoren nicht möchten, dass man‘s so nennt – das „Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz“. Es gibt keine gesunden und ungesunden Lebensmittel. Jede einseitige Ernährung, mit egal welchen Lebensmitteln, schadet auf Dauer. Ich bin Landwirtin, und ich halte Schweine – mit sehr hohen Tierwohlstandards, und wir vermarkten das Fleisch auch selbst. Unsere Zukunft bereitet mir schon Kopfzerbrechen: Heute sollen bestimmte Nahrungsmittel nicht in der Nähe von Schulen oder zu bestimmten Uhrzeiten beworben werden?! Werden diese Nahrungsmittel als nächstes limitiert? Entscheidet zu Guter Letzt die Politik, was gegessen werden darf? Keine schönen Aussichten.
Aber jetzt steht erst einmal Weihnachten vor der Tür. Und diese Aussicht befriedet mich: Gutes Essen, ruhig mal auch reichhaltiger. So wie es die meisten Menschen zu den Feiertagen tun. Aber natürlich kann das jeder halten, wie er will. Auch meine Familie möchte selbst bestimmen, was bei uns auf den Tisch kommt und was nicht.
Frisch vom Land | KAS
Stefanie Renz ist Argrarwissenschaftlerin. Sie leitet den Schirmerhof in Ehingen, Baden-Württemberg. Der Schirmerhof ist ein traditioneller Familienbetrieb, in mittlerweile fünfter Generation. Die Familie Renz betreibt Ackerbau und Tierzucht. Besonders am Herzen liegt ihr die Erhaltung des deutschen Sattelschweins. Jung und Alt leben und arbeiten zusammen: langjährige landwirtschaftliche Erfahrung trifft auf neue Ideen, Traditionen werden weitergeführt, und der Betrieb wird zukunftsfähig ausgerichtet.