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7 Punkte für eine Zeitenwende in der Personallage der Bundeswehr.

Deutschland braucht eine – neue – Wehrpflicht! Wie geht man das am besten an? Peter Tauber macht sieben Vorschläge. Wie man die Bundeswehr auf neue Füße stellt.

Nach langer, intensiver Diskussion hat sich der CDU-Parteitag für die Wiedereinführung der Wehrpflicht ausgesprochen. In ihrem Grundsatzprogramm schlägt die CDU, beginnend mit einer Kontingentwehrpflicht, die Wehrpflicht als Teil einer allgemeinen Dienstpflicht vor und läutet damit nicht nur eine sicherheits-, sondern auch eine gesellschaftspolitische Wende ein.

Dem ging eine breite Debatte voraus, prallten doch selbst in der CDU sehr unterschiedliche Meinungen aufeinander. Und noch muss der Beweis erst erbracht werden, ob die Union, wenn sie dann in Regierungsverantwortung ist, die Kraft hat, diesen Beschluss umzusetzen und die dafür notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen.

„Viel zu lange hat man bei der Werbung für die Truppe falsche Akzente gesetzt und den eigentlichen Markenkern des Soldatenberufs vernachlässigt: der Dienst am Vaterland.“

Peter Tauber

Auslöser der Debatte über die Wehrpflicht ist der seit Februar 2022 andauernde zweite Krieg Russlands gegen die Ukraine. Inzwischen ist die Personalsituation der deutschen Streitkräfte ein größeres Problem als es Ausrüstung und Ausstattung der Truppe sind! Ein Teil der Probleme sind hausgemacht: Viel zu lange hat man bei der Werbung für die Truppe falsche Akzente gesetzt und den eigentlichen Markenkern des Soldatenberufs vernachlässigt: der Dienst am Vaterland.

Der Versuch, mit anderen attraktiven Arbeitgebern in Wettbewerb zu treten, ist kläglich gescheitert: Die Bundeswehr ist nicht Siemens, BMW oder Google. Sie ist kein Unternehmen, sie ist eine Armee. Und eine Armee braucht junge Leute, die sich beweisen wollen, die Herausforderungen suchen, die bereit sind, Risiken zu tragen und zu ertragen. Das muss man auch genauso benennen. Ansonsten tut man den jungen Bewerbern keinen Gefallen. Bilder und Sprache dürfen nicht davon ablenken, worum es geht: Der Wesenskern jeder Armee ist die Bereitschaft zum Kampf.

Ein anderer – zeitloser – Gedanke muss wieder Geltung bekommen. Wie der preußische Heeresreformer von Scharnhorst einst formuliert hat: „Alle Bürger eines Staates sind geborene Verteidiger desselben.“ Nimmt man ihn beim Wort, gilt es Nachfolgendes zu tun:

1. Mit der Wehrerfassung muss sofort begonnen werden. Sie sollte – wie in der Vergangenheit – jahrgangsweise erfolgen. Dafür braucht es die Infrastruktur von Kreiswehrersatzämtern. Um digitale Strukturen zur Erfassung zu nutzen, ist es erforderlich, das Datenrecht entsprechend anzupassen. Menschen aus den sogenannten „weißen Jahrgängen“ (Jahrgänge, die wegen nicht bestehender Wehrpflicht keinen Wehrdienst geleitet haben) sollten sich freiwillig erfassen lassen.

2. Die Einberufung von Wehrpflichtigen sollte umgehend beginnen: so wie nach Gründung der Bundeswehr, als zunächst nur Kontingente – also eine jeweils vorab festgelegte Zahl – eines Jahrgangs einberufen wurden. Übungsplätzen stehen zur Verfügung. Ausbilderinnen und Ausbilder hat die Bundeswehr: Jeder Leutnant oder Oberfeldwebel muss in der Lage sein, Rekruten auszubilden.

3. Es braucht Infrastruktur: Kasernen müssen gebaut oder – sofern vorhanden – wiederhergestellt werden. Von der Politik finanziert über eine Sondersteuer, Schulden oder Einsparungen in anderen Politikbereichen.

4. Die Dauer eines Wehrdienstes muss zeitnah geklärt werden. Nach Grundausbildung und Spezialisierung kann die restliche Wehrdienstzeit auch im Rahmen von Reserveübungen absolviert werden, sofern der Wehrpflichtige später im Heimatschutz eingeplant wird. Denkbar ist auch, den Wehrdienst vollständig zu absolvieren und eine Beorderung in die Ergänzungsreserve der aktiven Truppe anzustreben. Hier muss über die richtigen Modelle diskutiert werden. Eine Dienstzeit von mindestens 12 Monaten erscheint sinnvoll. Zudem braucht es Strukturen im Zivildienst und Dienstmöglichkeiten in THW und Feuerwehr.

5. Erforderlich ist eine neue Strategie der Reserve. Im Heimatschutz müssen die militärischen Strukturen ausgebaut werden. Die Bundeswehr braucht zudem für die aktive Truppe eine auf einer Reserve aufbauende Aufwuchsfähigkeit. Die gekaderten Verbände müssen materiell hinterlegt sein. Es braucht volle Depots. Auch hier werden Kosten in Milliardenhöhe anfallen.

6. Eine Ausweitung der Wehrpflicht ist gesellschaftspolitisch geboten: Die Gesellschaft wird sich der Diskussion stellen müssen, ob die Wehrpflicht nicht auch Frauen und Menschen, die ihr Geschlecht anders definieren, umfassen sollte.

7. Am Ende des Prozesses muss die wiedereingeführte Wehrpflicht in eine allgemeine Dienstpflicht überführt werden. Die CDU hat sich hier klar bekannt. Starke Stimmen wie der Bundespräsident plädieren ebenfalls für ein Gesellschaftsjahr.

„Wir haben keine Zeit zu verlieren! Wenn Putin weiter aufrüstet und in wenigen Jahren in der Lage ist, das Baltikum oder Polen anzugreifen, dann müssen wir vorbereitet sein.“

Peter Tauber

Über allem steht: Wir haben keine Zeit zu verlieren! Wenn Putin weiter aufrüstet und in wenigen Jahren in der Lage ist, das Baltikum oder Polen anzugreifen, dann müssen wir vorbereitet sein. Wenn wir es versäumen, wird der Preis hoch sein, den wir zu zahlen haben. Schlimmstenfalls werden wir im Schnellverfahren junge Menschen in Turnhallen versammeln und mit unzulänglichen Mitteln militärisch ausbilden. Oder wir kapitulieren, die NATO wird scheitern, wir Europäer verlieren unsere Freiheit und werden unter russischer Hegemonie leben: in Unfreiheit und Mangelwirtschaft. Das alleine sollte uns motivieren, alles zu tun, um die Freiheit unseres Vaterlands und Europas mit allen Mitteln zu verteidigen.

Wie ist die Lage in der Bundesregierung einzuschätzen? Minister Pistorius scheitert an den Bedenkenträgern im Apparat, an denen in seiner eigenen Partei und im Kanzleramt. Man neidet ihm die Sympathie, die er nicht nur in der Truppe erfährt. Man fürchtet, dass er weitergehende Ambitionen auf politische Ämter in Berlin entwickelt könnte. Mützenich, Esken und Kühnert haben ihre innere Ablehnung gegen die Bundeswehr nicht abgelegt. Ob die SPD ihrer gefährlichen Nähe zu Russland wirklich abgeschworen hat, bleibt abzuwarten. In jedem Fall braucht es die Union, damit die Deutschen auch künftig in Frieden und Freiheit leben können.

Mit dem Verein „Charlie Delta Uniform. Mit Sicherheit Union. e.V.“ gibt es inzwischen ein Netzwerk aus Mitgliedern und Sympathisanten der CDU, die der Bundeswehr als aktive Soldaten, als Reservisten, zivile Mitarbeitende oder einfach als Staatsbürger angehören oder verbunden sind. Auch andere Parteien haben inzwischen solche Netzwerke etabliert. Die CDU ist gut beraten, das große Wissen, über das all diese klugen Köpfe verfügen, für seine verteidigungspolitische Positionierung zu nutzen. Das gilt erst recht für eine von der CDU nach der Bundestagswahl wiedereingeführte Wehrpflicht.

Die CDU ist gut beraten, das große Wissen dieses Netzwerkes und die klugen Köpfe, die hier zusammenkommen, für ihre verteidigungspolitische Positionierung künftig zu nutzen. Dies gilt auch für die wahrscheinlich erst von der CDU nach der Bundestagswahl durchzuführende Wiedereinsetzung der Wehrpflicht.

Tobias Koch

Dr. Peter Tauber ist drei Mal direkt in den Deutschen Bundestag gewählt worden, war CDU-Generalsekretär von 2013 bis 2018 und im letzten Kabinett von Angela Merkel Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung. Der promovierte Historiker ist heute u.a. Geschäftsführer der Strategie- und Kommunikationsagentur vierfichten, Autor und Redner. Außerdem engagiert sich weiter ehrenamtlich in der CDU und als Offizier der Reserve.

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