Hierzulande - Die Kolumne von Stefanie Renz, immer frisch vom Land
Stefanie Renz lebt auf dem Dorf – zwischen Schwäbischer Alb und Donau. Sie ist landwirtschaftliche Unternehmerin und hat viele Fragen. Manche kann sie sich selbst beantworten. Auf andere sucht sie Antworten. Stefanie Renz ist die Autorin unserer neuen Kolumne „Hierzulande“. Sie beobachtet die gesellschaftlichen Debatten rund ums Thema Landwirtschaft – kritisch und konstruktiv.
Stefanie stellt sich und ihren Hof vor. Mehr in den kommenden Wochen!
Früher war das Wetter mal ein unverfängliches Smalltalk-Thema. Man freute sich, dass die Sonne scheint, oder beklagte, je nach persönlicher Vorliebe, dass es zu heiß ist. Regen im Sommer fanden die meisten unerfreulich, musste man doch auf den Freibadbesuch verzichten.
Unter „Wetteraspekten“ hatte es der vergangene Sommer in sich. Glühende Hitze und Dauerregen wechselten einander ab. Der Wetter-Smalltalk bekam eine andere Tonlage. Aus der Politik kamen Rufe nach einem Hitzeschutzplan, die mit sinkenden Temperaturen verhallten. In einigen Teilen Europas zerstörten tagelange Wolkenbrüche ganze Landstriche. Vielerorts brannte es – auch weil ständig wechselnde Winde die Feuer anfachten. Über das Wetter zu plaudern, hat seine Unschuld verloren. Schwingt doch, gleichsam drohend, immer etwas anderes mit – der Klimawandel.
Dass nun jede kritische Wetterlage gleich dem Klimawandel geschuldet ist, glaube ich nicht. Woran es aber nichts zu rütteln gibt: Der Klimawandel betrifft uns alle, und es muss etwas geschehen. Als Landwirtin weiß ich genau, wovon ich rede.
„Dass nun jede kritische Wetterlage gleich dem Klimawandel geschuldet ist, glaube ich nicht. Woran es aber nichts zu rütteln gibt: Der Klimawandel betrifft uns alle, und es muss etwas geschehen. Als Landwirtin weiß ich genau, wovon ich rede.“
Stefanie Renz
Mehr als ein Standort
Die Energie-, die Mobilitäts- und die Agrarwende sind in aller Munde. Im richtigen Leben stellt sich manches etwas anders dar. Seit Jahren schießen, im Norden mehr als bei uns in Süddeutschland, die Windkraftanlagen aus dem Boden. Inzwischen kommt immer mehr Fotovoltaik dazu. Waren es bislang vereinzelte Standorte, entstehen jetzt große Solarparks. Die Meinungen dazu sind geteilt. Mit der Energiewende lässt sich Geld verdienen: Sie bringt Jobs und Einkommen in die Dörfer. Aber sie verändert auch das Gesicht der „Provinz“. Ganz gleich, ob Windrad oder Solarfläche, die Energiewende findet im ländlichen Raum statt. Und schöner wird der nicht. Wenn die weniger angenehmen Auswirkungen der Energiewende Eingang in die großen Debatten fänden, würden wir auf dem Dorf sie auch eher akzeptieren. Davon bin ich überzeugt. Und nebenbei: Wenn ich mal eine Großstadt besuche, fällt mir immer auf, wieviel Dächer es dort gibt, auf denen noch Platz für „Sonnenenergie“ ist.
„Und nebenbei: Wenn ich mal eine Großstadt besuche, fällt mir immer auf, wie viele Dächer es dort gibt, auf denen noch Platz für 'Sonnenenergie' ist.“
Stefanie Renz
Notwendig statt bequem
Für die Mobilitätswende auf dem Land braucht es Kraft und Geduld. Am besten beides. Mit dem Lastenrad zehn Kilometer zum Supermarkt für den Großeinkauf? Viel Spaß. Bei uns immer schön bergauf, bergab. Nach dem Clubbesuch am Wochenende mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause? Geht schon, aber rechtzeitig den „Rufbus“ buchen oder besser noch, bis Montag bleiben, dann fahren ein paar Busse mehr.
Im Ernst: Ohne Auto, mit egal welcher Antriebsform, geht im ländlichen Raum – bislang – gar nichts. Wir sind aufs Auto angewiesen – nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Notwendigkeit. Wer das ändern will, soll uns zeigen wie. Offen sind wir dafür allemal. Überschaubar wird die Bereitschaft zur Mobilitätswende allerdings, wenn sie nur über steigende Kosten erzwungen wird – ohne taugliche Alternativen. In städtischen Ballungszentren ist man mit einer Netzkarte für den öffentlichen Nahverkehr mühelos mobil. Auf dem Land sieht das anders aus. Ich nutze das Auto täglich, wie die meisten bei uns im Dorf. Und wir freuen uns über jeden Vorschlag zur Mobilitätswende, mit dem wir unseren Alltag stemmen können.
„In städtischen Ballungszentren ist man mit einer Netzkarte für den öffentlichen Nahverkehr mühelos mobil. Auf dem Land sieht das anders aus. Ich nutze das Auto täglich, wie die meisten bei uns im Dorf.“
Stefanie Renz
Alles muss sich rechnen
Die dritte anstehende „Wende“ ist die für den Agrarsektor. Meine Familie und ich sind als Landwirte unmittelbar davon betroffen. Weniger Tierhaltung, eine stärker pflanzenbasierte Ernährung und ein Anteil der Bio-Landwirtschaft von 30 Prozent bis zum Jahr 2030 – das sind die zentralen Forderungen. In vollem Gange ist das politische Vorhaben, die Tierhaltung zu reduzieren. Laut statistischem Bundesamt sind allein die Schweinebestände seit 2020 um ein Fünftel zurückgegangen. Gut so, sagen vielleicht einige. Aber es steht die Frage im Raum: Wie die stets geforderte „Regionalität“ liefern, wenn dieser Trend anhält? Wenn sich Produktionsweisen nicht mehr rechnen – angesichts steigender Kosten für Energie und Futter – verabschieden sich die Landwirte von ihnen. Was in der Stadt vielleicht nicht jedem klar ist: Landwirte sind Unternehmer, und am Ende muss etwas übrigbleiben.
Auch der Umstieg auf Öko-Produktion ist nicht nur eine Frage der Haltung. Was politisch gewollt ist, muss sich in der Praxis rechnen. Das hat lange unter großer medialer Beachtung mehr oder minder funktioniert, jetzt stagniert der Markt erstmals. Die wirtschaftliche Situation lässt Verbraucher seltener zur hochpreisigeren Bio-Ware greifen. Einige Landwirte stellen bereits wieder auf konventionelle Produktion um.
„Die wirtschaftliche Situation lässt Verbraucher seltener zur hochpreisigeren Bio-Ware greifen. Einige Landwirte stellen bereits wieder auf konventionelle Produktion um.“
Stefanie Renz
Risikobereitschaft gehört dazu
Für das Ziel „30 Prozent Öko-Landwirtschaft“ habe ich einen Vorschlag: Die Politik verhandelt mit dem Einzelhandel, dass der 30 Prozent Bio-Ware in seine Regale stellt. Wenn das funktioniert, liefert die Landwirtschaft auch – vorausgesetzt Einzelhandel und Nahrungsmittelhersteller greifen auf heimische Produkte zurück. Nur die landwirtschaftliche Produktion auf „Öko“ – mit vager Vermarktungschance – umzustellen, ist zu kurz gedacht. Tiefe Eingriffe in die Betriebsführung, und damit ist nicht nur gemeint, eine Produktionsform politisch zu favorisieren, mindert die Möglichkeiten von uns Landwirten, erfolgreich zu sein. Wir sind bereit, Risiken einzugehen. Risiken gehören nun mal zum Unternehmertum. Nehmen wir nur mal das Wetter: Das Wetter kann unsere Ernte massiv gefährden. Das hat sich in diesem Jahr wieder gezeigt. Nach einem zu trockenen Frühling droht nun die Ernte zu verregnen. Geringere Mengen und Qualitätsverluste sind die Folge. Damit müssen wir langfristig klarkommen, und wir Landwirte schaffen das, wenn man uns lässt.
Wer ständig wendet, kommt allerdings kaum voran. Mit der Energie-, Mobilitäts- und Agrarwende verhält es sich nämlich ein bisschen wie mit dem Navigationssystem im PKW: „Wenn möglich, bitte wenden“, heißt nicht, abrupt umzudrehen. Wenden Sie bitte nur, wenn es Ihnen gefahrlos und ohne Crash möglich ist.
Frisch vom Land | KAS
Stefanie Renz ist Argrarwissenschaftlerin. Sie leitet den Schirmerhof in Ehingen, Baden-Württemberg. Der Schirmerhof ist ein traditioneller Familienbetrieb, in mittlerweile fünfter Generation. Die Familie Renz betreibt Ackerbau und Tierzucht. Besonders am Herzen liegt ihr die Erhaltung des deutschen Sattelschweins. Jung und Alt leben und arbeiten zusammen: langjährige landwirtschaftliche Erfahrung trifft auf neue Ideen, Traditionen werden weitergeführt, und der Betrieb wird zukunftsfähig ausgerichtet.