Veranstaltungsberichte
Als Anlass der Veranstaltung stand folgende Feststellung: Die Koordinierung globaler Herausforderungen von Handelsregeln über Klimaschutz bis hin zur Lösung diplomatischer und politischer Konflikte ist heutzutage ohne die Einbindung der BRICS-Staaten, die bereits 40% der gesamten Weltbevölkerung repräsentieren und ein Fünftel des globalen BIPs ausmachen, weder denkbar noch machbar.
Was diese Tatsache für die europäischen Länder sowie die Zusammenarbeit zwischen der EU und den BRICS bedeutet, war Gegenstand der Diskussion, an der ausgewiesene Experten aus den fünf BRICS-Staaten sowie Deutschland und der EU mit Impulsvorträgen mitwirkten. Der Schwerpunkt des Austauschs lag zuerst bei den Interessen und Konfliktlinien in der Wirtschaftspolitik (Panel I), dann bei dem Angebot und der Nachfrage in der Energie- und Ressourcenpolitik (Panel II) und schließlich bei der Konsenssuche und der Machtsicherung in der Außen- und Sicherheitspolitik (Panel III).
Neue Gestaltungskräfte
Im Mittelpunkt der Diskussionen standen folgende Fragen:
- Befindet sich Europa auf dem absteigenden Ast? Läuft die EU Gefahr, in der entstehenden globalen und multipolaren Welt den Anschluss zu verpassen? Können überdehnte Haushalte, stockende Integrationsfortschritte und ein perspektivisch absoluter wie relativer Bevölkerungsrückgang als Anzeichen der „Götterdämmerung Europas“ betrachtet werden?
- Kann man andererseits von einem „Goldenen Zeitalter“ der BRICS-Staaten sprechen? Und wenn ja: Welche Pflichten gehen damit für diese Länder einher und wo gibt es Raum für Kooperation und gemeinsame Strategien zwischen der EU und den BRICS-Staaten?
Zudem: Die Kooperation der BRICS-Staaten untereinander nimmt stetig zu. Bestes Beispiel ist der fünfte BRICS-Gipfel in Durban, der im Frühjahr 2013 stattfand. Dabei ging es u.a. um engere Wirtschaftsbeziehungen und die Gründung einer gemeinsamen Entwicklungsbank als Gegengewicht zur Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds. Es entsteht also der Eindruck, dass die BRICS-Länder ihre wirtschaftliche Macht in politischen Einfluss umzusetzen gedenken.
Noch keine gemeinsam agierende Gruppe
Dennoch darf man nicht übersehen, dass die BRICS-Gruppe sehr heterogen ist und dass jedes Land unterschiedliche politische, ökonomische und soziale Akzente setzt. Dies wird bereits mit Blick auf die verschiedenen politischen Systeme und die unterschiedlichen komparativen Kostenvorteile ihrer Volkswirtschaften deutlich.
Einigkeit herrschte daher im Raum, dass der Zusammenschluss der BRICS vor allem von gegenseitigem, wirtschaftlichem Nutzen geleitet sei, denn von einem gemeinsamen Vorgehen im Bereich der Handels-, der Umwelt-, Klima- und Ressourcen- oder der Außen- und Sicherheitspolitik könne nicht die Rede sein.
Das derzeitige Verhältnis der BRICS-Staaten zueinander wurde von Catherine Grant, Leiterin des Programms „Economic Diplomacy” am South African Institute of International Affairs in Johannesburg, als eine vorläufige Kennenlernphase beschrieben. Es sei abzuwarten, ob sich hieraus eine Ehe in Form etablierter Institutionen entwickle.
Europa entscheidet über seine Zukunft
Die EU – und somit auch Deutschland – wird sich an die neuen Akteure auf der Weltbühne anpassen müssen, was u.a. die Notwendigkeit einer soliden, gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik unterstreicht. Die Teilnehmer der Konferenz stimmten aber darin überein, dass Europa sich wegen der aufsteigenden Schwellenländer nicht vom Untergang bedroht fühlen müsse.
So schauen beispielsweise indische Akteure noch immer positiv nach Europa, gerade hinsichtlich europäischer soft power-Möglichkeiten. Hierzu gehöre genauso die ordnungspolitische Umsetzung sozialer Marktwirtschaft, die breite Bevölkerungsschichten am Wohlstand teilhaben lasse, wie die internationale Zusammenarbeit interdependenter Akteure, so Brahma Chellaney, Professor für strategische Studien am Centre for Policy Research in New Delhi. Letztendlich werde Europa sich angesichts dieser Fragen bald entscheiden müssen, ob es sich eher als „role-taker“ oder „role-maker“ in der Welt von morgen sieht.