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Klimareport 2017: USA

von Max Grünig

Privatsektor und Klimafinanzierung in den G20-Staaten

Der Privatsektor spielt in den USA traditionell eine große Rolle. Der US-Finanzsektor ist der volumenstärkste der Welt, auch weil die Alterssicherung zu großen Teilen auf privater Vorsorge beruht. Dadurch verfügen institutionelle Investorenüber erhebliche Mittel, die auch in die Klimafinanzierung fließen, jedoch bislang nur in sehr geringem Umfang. Darüber hinaus existiert in den USA eine Reihe von Nachhaltigkeitsindizes, die bislang aber erst wenig Verbreitung gefunden haben. Zugleich entscheiden sich immer mehr große Unternehmen für eine Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen.

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Mit mehr als 5.000 Windturbinen zählt der Alta Wind Energy Center in Bakersfield zu den größten Windparks weltweit. royalty free (iStockPhoto, Bildnr. 509170104)
Mit mehr als 5.000 Windturbinen zählt der Alta Wind Energy Center in Bakersfield zu den größten Windparks weltweit.

PRIVATE KLIMAFINANZIERUNG IM WACHSTUM

Das Thema Private Klimafinanzierung ist medial spätestens seit dem Beginn der Divestment-Debatte vor ca. fünf Jahren stark präsent. Die Divestment-Bewegung richtet sich derzeit vor allem an die Finanzabteilungen privater Universitäten, die über beachtliche Mittel verfügen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um eine Umschichtung von Kohle-, Erdgas- und Mineralöl-Investitionen in andere Sektoren. Explizite Klimainvestitionen sind hiermit allerdings noch nicht verbunden. Die Diskussion über private Klimafinanzierung konzentriert sich größtenteils auf die Investitionen großer Unternehmen in die eigene Versorgung mit erneuerbaren Energien. Sowohl IT-Unternehmen wie Amazon, Apple, Google, Facebook oder Microsoft als auch Dienstleister wie die MGM Group koppeln sich vom Angebot des jeweiligen örtlichen Energieversorgers ab und entscheiden sich für kostengünstige langfristige Verträge für den Bezug erneuerbarer Energien. Die USA sind in diesem Markt weltweit führend und stellen einen erheblichen Anteil an den privaten Investitionen in erneuerbare Energien.

DIE BEDEUTUNG DES PARISER ABKOMMENS FÜR PRIVATE KLIMAFINANZIERUNG

Mindestens 81 große Unternehmen haben sich im Jahr 2015 zur Unterstützung des Pariser Abkommens (PA) dem „American Business Act on Climate Pledge” angeschlossen und in diesem Zusammenhang eigene Klimaschutzbeiträge formuliert. Auf nationaler Ebene besteht jedoch kein direkter Zusammenhang zwischen den Ambitionen des Privatsektors und dem Nationally Determined Contribution (NDC), also dem national festgelegten Beitrag der USA im Rahmen des PA. Der NDC der USA umfasst Emissionsminderungen in allen Sektoren, legt jedoch keine sektorspezifischen Unterziele fest. Der Privatsektor ist von etlichen der steuernden Politiken direkt betroffen (Clean Air Act, Energy Policy Act, Energy Independence and Security Act). Eine offene Diskussion über eine proaktive Rolle des Privatsektors zum Erreichen des NDC hat in der Schlussphase der Obama-Administration ansatzweise begonnen, brach jedoch mit der neuen Regierung 2017 ab. Auf der Ebene der Bundesstaaten nehmen einzelne Unternehmen vermutlich aber größeren Einfluss auf die klimapolitischen Entwicklungen, so z. B. der Technologiesektor in Kalifornien.

WICHTIGE INSTRUMENTE ZUR STEIGERUNG PRIVATER KLIMAINVESTITIONEN

Auf der föderalen Ebene existieren vor allem drei, in der Regel nicht kombinierbare, Steueranreize für Klimainvestitionen:

  1. Seit dem 31. Dezember 2016 wurde der Renewable Electricity Production Tax Credit (PTC) angepasst und beschränkt sich nun auf die Förderung von Windenergieanlagen, die bis Ende 2019 gebaut werden (aktuell 2,3 US-Cent pro Kilowattstunde für maximal zehn Jahre).
  2. Der Residential Renewable Energy Tax Credit, der seit diesem Jahr nur noch für Photovoltaikanlagen (PV) und Solarthermie für Privathäuser gilt, ermöglicht noch bis Ende 2019 einen 30-prozentigen steuerlichen Abzug der Anlagenkosten. Die steuerliche Entlastung nimmt danach, bis zum Auslaufen des Programms Ende 2021, schrittweise bis auf 22 Prozent ab.
  3. Der Business Energy Investment Tax Credit (ITC) ermöglicht Unternehmen Steuerminderungen, die technologieabhängig von aktuell bis zu 30 Prozent schrittweise abnehmen. Nach 2022 werden nur noch geothermische Stromerzeugung und Photovoltaik mit jeweils zehn Prozent berücksichtigt.
Diese Steuergutschriften sind in den USA landesweit handelbar, sodass Projektentwickler die Gutschriften mit Abschlag veräußern können. Der Markt ist wenig transparent oder reguliert und besteht ausnahmslos aus Over-the-Counter- und Broker-Transaktionen ohne Nutzung eines Börsenplatzes. Es gibt unterschiedliche Annahmen darüber, wie groß der Markt ist und ob er noch ausgeweitet werden kann.

Wichtige Anreize setzen auch die Bundesstaaten, die insbesondere mit ihren Mindestquoten für erneuerbare Energien im Strommix private Klimainvestitionen auslösen. Versorger müssen die Quoten erfüllen, indem sie entweder selbst in erneuerbare Energien investieren oder stattdessen entsprechende Zertifikate auf dem offenen Markt erstehen. Weiterhin gehen auch von Einspeisevergütungen (Net-Metering) wichtige Anreize aus, insbesondere für den Bau kleinerer Anlagen.

Der Ausbau erneuerbarer Energien hat sich in den USA zu einem sehr erfolgreichen Geschäftsfeld entwickelt, vor allem auch dank sehr günstiger Bedingungen für Windkraft und Solarstrom, aber auch dank der flankierenden, kostensenkenden Steuerbestimmungen. Die wichtigste Rolle des Staates besteht derzeit darin, die bestehenden Steuervorteile weiterzuführen. Der wesentliche Grund hierfür liegt aus Sicht der politischen Entscheider in der Wirtschaftskraft, die mittlerweile hinter den erneuerbaren Energien steckt, sei es als Steuereinnahmequelle oder als Beschäftigungsträger mit über 670.000 direkten Arbeitsplätzen. Klimaanpassung und Klimaschutz als Motivatoren spielen hingegen – wenn überhaupt – nur eine deutlich untergeordnete Rolle.

Darüber hinaus bestehen in den USA zwei regionale Emissionshandelssysteme: das kalifornische Handelssystem sowie das System der Ostküstenstaaten, die Regional Greenhouse Gas Initiative (RGGI). Die RGGI besteht seit dem Jahr 2009 und umfasst heute die Bundesstaaten Connecticut, Delaware, Maine, Maryland, Massachusetts, New Hampshire, New York, Rhode Island und Vermont. Die RGGI verpflichtet die Teilnehmer, ihre CO2-Emissionen aus der Stromerzeugung durch Emissionszertifikate zu decken. Verpflichtet sind fossile Stromerzeugungsanlagen über 25 Megawatt. Die Gesamtmenge an Zertifikaten (Cap) lag 2016 bei 86,5 Millionen Tonnen und wird jährlich um 2,5 Prozent gemindert. Im kalifornischen Handelssystem besteht eine Preisuntergrenze, die jedoch dazu geführt hat, dass seit Anfang 2016 bei den Auktionen die Angebotsmenge nicht mehr abgesetzt werden konnte. Bei der letzten RGGI-Auktion im März 2017 lag der Preis bei nur noch drei US-Dollar je Tonne CO2. Insgesamt befindet sich der Emissionshandel in den USA wegen der niedrigen Zertifikatspreise bzw. der geringen Nachfrage in keinem guten Zustand. Besserungen sind kurzfristig nicht zu erwarten.

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Quelle: DSIRE 2016

INITIATIVEN DES FINANZSEKTORS

Der Finanzsektor ist in verschiedenen Bereichen aktiv: Wichtige nachhaltige Fonds in den USA sind u. a. der Green Century Equity Fund, der Vanguard FTSE Social Equity Fund sowie das Calvert Large Cap Core Portfolio und das Fidelity Select Environment & Alternative Energy Portfolio. Mittlerweile haben sich Green Bonds in den USA zu einem wachsenden Markt entwickelt mit 7,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016. Die weltweit größte grüne Anleihe emittierte Apple mit 1,5 Milliarden US-Dollar. Unter den Bankhäusern führt die Bank of America den globalen Green-Bond-Markt an.

Etliche Banken sind Selbstverpflichtungen eingegangen, aus der Kohleförderung und -nutzung auszusteigen, darunter Citigroup, Bank of America, Morgan Stanley und Wells Fargo. Auch haben sich fast alle wichtigen Banken in den USA zu den Equator Principles für das Management von ökologischen und sozialen Risiken in Projekten bekannt. Außerdem haben sich einige Banken dazu verpflichtet, Klimainvestitionen in einem bestimmten Umfang zu tätigen. So setzte sich die Citigroup bereits 2015 das Ziel, 100 Milliarden US-Dollar in den Klimaschutz zu investieren, allerdings weltweit verteilt und über einen Zeitraum von zehn Jahren, wodurch sich diese Zahl wieder relativiert.

EINSCHRÄNKUNGEN UND HEMMNISSE

Ungeachtet der genannten Selbstverpflichtungen sind etliche Banken weiterhin im Mineralölsektor aktiv. Unter anderem finanzieren Citigroup, SunTrust Robinson Humphrey, TD Bank und Wells Fargo die umstrittene Dakota Access Pipeline bzw. deren Muttergesellschaft Energy Transfer Partners. Ein weiteres Beispiel zeigt, wie kompliziert die Einhaltung freiwilliger Selbstverpflichtungen ist: Obwohl sich JPMorgan Chase dazu bekannt hatte, keine Kohleprojekte mehr zu fördern, hat das Bankhaus nun gemeinsam mit BNP Paribas damit begonnen, Käufer für eine Anleihe über 250 Millionen Euro der polnischen ENERGA Finance AB, der Finanztochter des polnischen Energieunternehmens ENERGA S.A., zu suchen. Da die Anleihe nicht direkt dem Kraftwerksneubau zugeschrieben werden kann, ist JPMorgan Chase im engeren Sinne nicht wortbrüchig. Während die Erfahrungen der Investoren aufgrund der Steuervergünstigungen bei Wind- und Solarenergie sehr positiv sind, fielen sie im Bereich der Biokraftstoffe eher negativ aus, insbesondere bei den Biokraftstoffen der sogenannten dritten Generation, also den Enzym- und Algen-Biokraftstoffen.

Nach aktuellem Stand verfolgt die neue US-Regierung nicht das Ziel, die private Klimafinanzierung zu stärken. Folglich ist auch die G20 als Rahmen oder Motor hierfür aus Sicht der USA wenig geeignet. Bereits beim Treffen der G20-Finanzminister im März 2017 setzte sich die neue US-Regierung damit durch, dass das Thema Klimafinanzierung nicht im Communiqué erschien. Die Erwartungen der heimischen Akteure in den USA, dass die G20 im Bereich der privaten Klimafinanzierung einen Beitrag wird leisten können, sind vor diesem Hintergrund äußerst verhalten.

FAZIT UND AUSBLICK

Private Akteure werden in den USA bis auf weiteres die treibende Kraft für private Klimainvestitionen in den USA sein. Aus Sicht der Finanzakteure, die sich für Klimainvestitionen einsetzen, sind die Geschäftsaussichten in den USA allerdings nicht günstig, auch wenn etliche große Unternehmen an ihren Klimainvestitionen festhalten werden, allen voran die Technologieunternehmen. Trotz der vorhandenen Anreize für Klimainvestitionen fehlt privaten Investoren in den USA vor allem langfristige Planungssicherheit. Der regulatorische Rahmen unterliegt erheblichen Schwankungen, was langfristige Investitionen bremst. Darüber hinaus fehlt eine preisliche Berücksichtigung von Umwelt-, Ressourcen- und Klimarisiken für Investitionsentscheidungen. Die staatlichen Stellen sind seit neuestem angehalten, die sozialen Kosten des Klimawandels nicht mehr zu berücksichtigen. Eine nationale Bepreisung von Treibhausgasemissionen ist derzeit nicht absehbar. Der Clean Power Plan wird vermutlich – wenn überhaupt – nur in sehr abgeschwächter Form weiterbestehen, was die klimapolitischen Ambitionen der Bundesstaaten in den kommenden Jahren verringern dürfte.

ÜBER DEN AUTOR

Max Grünig ist Präsident des Ecologic Institute, Washington D.C.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR:

National Renewable Energy Laboratory 2017: Energy Analysis: Voluntary Green Power Procurement, in: http://bit.ly/2v6flmz (04.07.2017).

National Renewable Energy Laboratory 2016: Corporate Renew-able Energy Procurement, in: http://bit.ly/2uLXh1Y (04.07.2017).

Regional Greenhouse Gas Initiative 2017: Annual Report on the Market for RGGI CO2 Allowances: 2016, in: http://bit.ly/2ucRqWb (04.07.2017).

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6. Juli 2017
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