Einzeltitel
Die aktuelle Lage: Trotz Erfolgen unter Druck
Im vergangenen Jahr konnte die WTO einen öffentlich wenig beachteten Erfolg erzielen und ein Abkommen über Handelserleichterungen abschließen. Es soll den Güterimport und -Export technisch erleichtern und Zoll- und Transitbestimmungen festlegen. Allerdings geht es für die WTO heute weniger um technische Details des internationalen Güterhandels, sondern um die Abwendung umfassender wohlstandsschädlicher Handelspraktiken. Diese könnten langfristig, so dramatisch muss man es formulieren, ein wichtiges multilaterales Forum zersetzen.
Insbesondere US-Präsident Donald Trump hat sich, entgegen der republikanischen Tradition, mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Freihandel hervorgetan. Die WTO sei eine „Katastrophe“ und schade den USA, so Trump. Diese Behauptung ist wenig stichhaltig, denn von den drei Säulen der WTO, dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT), dem Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) und dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) profitiert vor allem auch die amerikanische Wirtschaft enorm.
Die Kritik der jetzigen US-Regierung konzentriert sich auf den Umgang mit China und das Streitbeilegungsorgan der WTO, das bei Handelskonflikten bindende Urteile fällt und als zu langsam kritisiert wird. Paradoxerweise blockieren die USA selbst aber seit längerem die Besetzung von Richterposten, so dass das Streitbeilegungsgremium bald handlungsunfähig sein könnte.
Darüber hinaus befeuert Donald Trump mit seinen bilateralen „Deals“ und seiner aggressiven Zollpolitik zahlreiche Konflikte; jüngst mit der Europäischen Union, China und der Türkei, ausgelöst durch Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium oder chinesische Industrieprodukte. Dies hat das Potenzial, eine Eskalationsspirale in Gang zu setzen.
Ausblick und Reformbedarf
Eigentlich kann keine Volkswirtschaft Interesse an weltwirtschaftlichen Verwerfungen haben. Dies dämmert - unter dem Eindruck der nahenden Kongresswahlen - auch dem US-Präsidenten, dessen Wählerschaft die Auswirkungen der Handelskonflikte teilweise schon zu spüren bekommt. Extrem wichtig sind in diesem Zusammenhang, neben dem bilateralen Dialog über Streitfragen, die verschiedenen Arbeitsgruppen, in denen die Europäische Union mit Japan, den USA sowie mit China Reformen der WTO bespricht. Dabei stehen grundsätzliche Fragen im Raum:
- Generell müssen sich 164 Mitgliedsstaaten fragen, ob das Konsensprinzip zielführend ist. Neben Blockaden durch die großen Industrienationen können kleine Staaten dadurch wirtschaftlich unter Druck gesetzt werden.
- Reformbedarf besteht auch beim „single-undertaking- Prinzip“, welches besagt, dass alle Verhandlungen einer Handelsrunde an einem gemeinsamen Stichtag beendet werden müssen. Hierdurch droht die Gefahr, dass aus Zeitdruck undurchsichtige Tauschgeschäfte eingefädelt werden.
- Ein jüngst diskutierter Reformvorschlag ist das Initiativrecht, welches dem WTO-Sekretariat ermöglichen würde, eigene Vorschläge zu erarbeiten und den Mitgliedsstaaten zur Diskussion zu stellen.
- Ohne Zweifel müssen die WTO-Regeln für Industriesubventionen und Technologietransfer verschärft werden, damit China sich nicht auf Kosten anderer Volkswirtschaften entwickelt.
- Es bräuchte eine Regelung, die verhindert, dass die USA durch die Blockade der Besetzung freier Richterstellen das WTO-Streitschlichtungsverfahren bedrohen.
- Die Ausnahmeregelung zum Schutz „nationaler Sicherheit“, auf die sich die Trump-Regierung, bei einigen ihrer handelsbeschränkenden Maßnahmen berufen hat, ist in der bestehenden Form ein Hindernis für die Ziele der WTO.
- In einem multilateralen Handelssystem sind bilaterale oder regionale Präferenzzollabkommen (TPP, CETA, JEFTA) höchstens zweitbeste Lösungen.
Fazit
Als Schiedsrichter in einer verflochtenen Weltwirtschaft wird die WTO auch zukünftig gebraucht, gerade damit Schwellen- und Entwicklungsländer ihre Interessen einbringen können. Bleibt zu hoffen, dass in den kommenden Monaten die Einsicht bei Staats- und Regierungschefs wächst, umfassende Veränderungen einzuleiten. Die Alternative zur WTO-basierten Weltwirtschaftsordnung wäre eine Weltwirtschaftsunordnung. Dies liegt nicht im deutschen Interesse.
Bitte melden Sie sich an, um kommentieren zu können.