In einer knapp achtminütigen Pressekonferenz haben überraschend am Freitagnachmittag Präsident Alejandro Giammattei und Vizepräsident Guillermo Castillo, 14 Tage nach dessen Vorschlag, gemeinsam von ihren Ämtern zurückzutreten, der Bevölkerung von Guatemala versprochen, ihre Zusammenarbeit zu erneuern und wieder aufzunehmen. Die Regierung reagiert damit auf die öffentlichen Proteste, die aus der gesamten Gesellschaft laut geworden waren, seit der Kongress in einer Nachtsitzung und ohne Aussprache das Haushaltsgesetz für 2021 verabschiedet hatte.
Durchgesetzt hat sich Vizepräsident Castillo mit seiner Forderung, das von vielen Seiten kritisierte sog. Regierungszentrum (Centro de Gobierno), mit dem Präsident Giammattei die Regierungsarbeit koordinieren wollte, zu schließen. Laut der Verfassung hat diese Aufgabe nämlich der Vizepräsident. Er leitet auch das sog. Wirtschaftskabinett, das nun im ganzen Land Beratungen mit Vertretern der Bevölkerung über die Prioritäten und Struktur des Haushalts für das kommende Jahr abhalten soll. Genau dieser Aufgabe hatte sich Castillo bereits in den letzten Wochen intensiv gewidmet. Neu eingesetzt wird unter seiner Leitung zudem ein Kabinettsausschuss, der sich um die Beseitigung der Schäden nach den beiden Wirbelstürmen Eta und Jota kümmern soll. Im Übrigen steht die Arbeit des gesamten Kabinetts auf dem Prüfstand und wird in den nächsten Wochen vom Präsidenten und Vizepräsidenten evaluiert. Im Falle des Innenministers ist wegen der Vorfälle bei den jüngsten Demonstrationen auch die Generalstaatsanwaltschaft beteiligt. Im Januar könnte es dann zu einer Umbildung des Kabinetts durch den Präsidenten kommen.
Giammattei, der in der Pressekonferenz sichtlich gezeichnet wirkte, hatte versucht, sich durch eine Intervention der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) Luft zu verschaffen. Wie man einer kurzen Presseinformation der OAS-Delegation entnehmen kann, fiel aber das Ergebnis von deren Gesprächen im Land ganz anders, aus als vom Präsidenten erwartet. Die Delegation stellte ein hohes Maß an Unzufriedenheit in allen Teilen der Bevölkerung mit der Regierungsführung, dem Haushalt, der Weigerung des Kongresses, die Richter des Obersten Gerichthofes und der Appellationsgerichte zu wählen, sowie der Einschränkung der Presse- und Demonstrationsfreiheit fest.
Der Schritt des Präsidialduos ist daher auch bloß der Anfang, bzw. die Grundlage für die Arbeit an der Behebung der Probleme des Landes. Der weiterhin größte Unsicherheitsfaktor dabei ist der Kongress, in dem gut zwei Drittel der Abgeordneten ohne Rücksicht auf diejenigen, die sie gewählt haben, ihre eigenen Interessen verfolgen. Am Wochenende gingen daher auch die öffentlichen Proteste im ganzen Land weiter. Auf dem Platz vor dem Kulturpalast und der Kathedrale der Hauptstadt wurden sie angeführt von einer neu formierten sog. Universitären Bewegung (Movimiento universitario), die von Studierenden der staatlichen Universität San Carlos sowie der beiden privaten Universitäten Rafael Landívar und Valle de Guatemala ins Leben gerufen wurde. Mit allen drei Hochschulen verbindet die KAS eine langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit.
Auch mehr als drei Wochen nach den Wirbelstürmen Eta und Jota sind in Guatemala noch 234 Ortschaften in den Bezirken Quiché, Alta Verapaz, Huehuetenango und Izabal komplett von der Außenwelt abgeschlossen. In vielen davon sind fast alle Häuser bis unter den Dachfirst überschwemmt. Das Wasser wird noch mindestens drei Wochen brauchen, bis es abgeflossen ist. Insgesamt sind fast 400.000 Häuser beschädigt. Einige der Dörfer wurden daher von den Bewohnern und den Behörden bereits aufgegeben. Die Bevölkerung soll an anderer Stelle wieder angesiedelt werden.
Zwar sind in Honduras die sieben wegen der Corona-Pandemie beschafften transportablen Krankenhäuser immer noch nicht in Betrieb. Der Kongress hat aber bereits beschlossen, dass die gesamte Bevölkerung des Landes kostenlos gegen das Virus geimpft werden soll. Unklar ist jedoch, welcher der Impfstoffe überhaupt beschafft werden kann und zu welchen Kosten.
Am Donnerstag, 3. Dezember, mussten die drei großen Parteien in Honduras – das sind die Nationalpartei (PNH), die Liberale Partei (PLH) und die Linkspartei Libre – die Listen mit den Namen der Kandidatinnen und Kandidaten für die Vorwahlen zum Amt des Präsidenten, der Kongressabgeordneten und der Bürgermeister beim Nationalen Wahlrat (CNE) einreichen. Die Vorwahlen finden im März 2021 statt. Der CNE hat nun 20 Tage Zeit, die Listen zu prüfen und zu bestätigen bzw. diejenigen Personen, die aus welchen Gründen auch immer am passiven Wahlrecht gehindert sind, zu streichen.
PNH uns PLH haben je drei Präsidentschaftskandidaten benannt. Für die Nationalpartei treffen dabei der populäre Bürgermeister der Hauptstadt Tegucigalpa, Nasry Asfura, sowie der dem Amtsinhaber Juan Orlando Hernandez nahestehende Parlamentspräsident Mauricio Oliva aufeinander. Aussichtsreichster Bewerber bei der PLH ist der Bankier und einflussreiche Geschäftsmann Yani Rosenthal, der erst vor kurzer Zeit aus den USA zurückkehrt war, wo er eine mehrjährige Haftstrafe wegen Korruption absitzen musste. Sollte Rosenthals sich bei den Liberalen durchsetzen, könnte es zu einer Wahlabsprache mit der Libre kommen, die sogar vier Bewerberinnen und Bewerber um das Präsidentenamt in die Vorwahlen schickt. Die besten Chancen werden dabei der Frau des ehemaligen Präsidenten Mel Zelaya, Xiomara Castro de Zelaya, eingeräumt. Die Libre würde aber auch Rosenthal unterstützen, wenn ihr die PLH dafür das Amt des Parlamentspräsidenten überlässt. Gegen diese Allianz hätte voraussichtlich keiner der Bewerber der Nationalpartei bei der eigentlichen Abstimmung im November 2021 eine Chance.
In den beiden kommenden Wochen laden wir zu den folgenden Veranstaltungen ein
11.12.2020 (HON): Abschlusssitzung des Kurses zum Thema „Öffentliche Politik“ für Studierende der Katholischen Universität
15.12.2020 (HON): Abschlusssitzung des Kurses in Wahlrecht für Studierende der Juristischen Fakultät der Nationalen Autonomen Universität