10 Thesen zu den EP-Wahlen
1. Es gibt drei Stichdaten für das Wahlergebnis: Das erste Stichdatum ist die Sitzverteilung nach der Wahl am 26. Mai, das zweite ist die Fraktionsbildung im EP – bis dahin wird sich die Zusammensetzung der Fraktionen noch verändern: unabhängige Parteien schließen sich Parteienfamilien an oder wechseln die Lager. Das dritte Datum wäre der Austritt Großbritanniens und damit der Wegfall der britischen Abgeordneten. Einige Länder erhalten dann zusätzliche Sitze, die Zahl der MdEPs sinkt von 751 auf 705.
2. Es wird nach wie vor eine klare pro-europäische Mehrheit im EP geben. Die vier moderaten Fraktionen werden abhängig vom Szenario wohl zwischen 63% und 69% der Abgeordneten stellen.
3. Die EVP und die Sozialisten werden zusammen wohl nicht auf eine Mehrheit der Sitze kommen und werden einen dritten Partner benötigen, wahrscheinlich die Fraktion der liberalen ALDE und Macrons Renaissance.
4. Die EVP wird wahrscheinlich größte Fraktion bleiben – selbst wenn Fidesz die EVP-Fraktion verlässt. Allerdings würde dann der Vorsprung vor den Sozialisten je nach Szenario erheblich schrumpfen.
5. Es ist wahrscheinlich, dass es künftig nur noch zwei Fraktionen rechts der EVP gibt: es ist unwahrscheinlich, dass sich nach einem Brexit eine dritte Fraktion (EFDD) halten könnte. Gleichzeitig ist un-wahrscheinlich, dass alle Parteien rechts der EVP in einer Fraktion aufgehen, Zu groß sind Differenzen (u.a. zu Russland) und Rivalitäten. „Moderate“ ECR-Parteien würden kaum zu einer Le-Pen/AfD-Gruppe gehen.
6. Es wird keine (moderate) linksliberale Mehrheit im EP geben. Selbst eine Hinzunahme des linken Randes (VEL/NGL) wird nicht zu einer arbeitsfähigen Mehrheit links von der EVP führen.
7. Umgekehrt sieht es aber auch nicht nach einer dauerhaft arbeitsfähigen Mehrheit ohne Sozialisten aus.
Mehrere Faktoren erhöhen die Unsicherheit des Wahlausgangs und können zu Verschiebungen führen:
8. Unklar ist, wo sich die Abgeordneten der 5-Sterne verorten werden (vielleicht eigene Fraktion?).
9. Die britische Beteiligung erhöht die Unsicherheit jenseits des unklaren Austrittsdatums: Die Umfragen sind extrem volatil. Das Ergebnis besonders von Sozialisten/Rechten kann sich noch spürbar verändern.
10. Die Suspendierung und unklare Zukunft großer Mitgliedsparteien der moderaten Kräfte in ihren Parteienfamilien (Fidesz/PSD) erhöht die Möglichkeit erheblicher Verschiebungen nach den Wahlen.
Ausblick auf die Europawahlen 2019 - Quintessenz
Basierend auf den aktuellen Umfragen und die jeweiligen Szenarien gewichtend, wäre folgende Sitzverteilung (nach der Fraktionsbildung) wahrscheinlich:
•EVP: ca. / knapp 180 Sitze, ohne die suspendierte ungarische Fidesz unter 170 Sitze
•S&D: ca. 150 Sitze (ohne die rumänische PSD 140), post-Brexit: ca. 140 Sitze
•ALDE/Renaissance: ca. 100, mglw. bis 110 Sitze
•Grüne/EFA: über 50 Sitze, bis ca. 60 so lange das Vereinigte Königreich Mitglied ist
•ECR: Konkurrenz mit der EAPN (ex-ENF)-Fraktion, mit UK von 60-80 Sitze, ohne 55-70 Sitze
•VEL/NGL: ca. 50 Sitze
•EAPN (ex-ENF): Konkurrenz mit der ECR-Fraktion, mind. 70 bis zu 100 Sitze
•5-Sterne-geführte Fraktion (oder die alte EFDD mit BREXIT von Nigel Farage): Aussichten: eher unwahrscheinlich, da mglw. nicht genug Länder vertreten für Fraktionsbildung. Potential bei 25-30 Sitzen (vor-Brexit bei über 40 Sitzen)