Eine Bewerbung mit einem längeren Vorlauf
Die Pläne zur Kandidatur Sloweniens für den UN-Sicherheitsrat hatten einen längeren Vorlauf. Bereits im Jahr 2021 fasste die damalige Regierung unter Ministerpräsiden Janez Janša (SDS) eine Bewerbung für den Sicherheitsrat ins Auge. Mit der Vorbereitung wurde Außenminister Anže Logar (ebenfalls SDS) beauftragt. Dass solche Bewerbungen langfristig vorbereitet werden, ist nicht ungewöhnlich, da der eigentlichen Wahl in der UN-Generalversammlung einige weitere Zwischenschritte vorausgehen und im Laufe der Kampagne die Unterstützung möglichst vieler anderer Länder eingeworben werden muss.
Wie kommt man in den Sicherheitsrat? – Der Wahlvorgang
Neben den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien besteht das Gremium aus zehn nichtständigen Mitgliedern, die jeweils für einen Zeitraum von zwei Jahren gewählt werden. In der Praxis wählt die dafür zuständige UN-Generalversammlung einmal im Jahr fünf neue nichtständige Mitglieder, die dann im auf die Wahl folgenden Jahr ihr Amt antreten. Anders als die fünf ständigen Mitglieder verfügen die nichtständigen Mitglieder über kein Vetorecht bei Entscheidungen des UN-Sicherheitsrats.1 Ansonsten sind die nichtständigen Mitglieder den ständigen hinsichtlich ihrer Funktion gleichgestellt.
Die Wahl der nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrats erfolgt aufgeteilt in regionale Ländergruppen. Dabei stehen den Staaten Afrikas und Asiens fünf Sitze, den Staaten in Osteuropa ein Sitz, den Staaten in Lateinamerika und der Karibik zwei Sitze sowie den Staaten Westeuropas und „anderer Staaten“ zwei Sitze zu.2 Um gewählt zu werden, muss ein Staat mindestens 2/3 der Stimmen in der Generalversammlung erhalten.
Sloweniens erste Mitgliedschaft im UN Sicherheitsrat 1998/99
Slowenien erklärte sich am 25. Juni 1991 für selbständig und erfuhr am 15. Januar 1992 die internationale Anerkennung durch eine Vielzahl von Staaten, unter anderem auch von Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft, heute EU. Die Aufnahme in die UN erfolgte am 22. Mai 1992. Seitdem wird jedes Jahr der 22. Mail als Tag der slowenischen Diplomatie gefeiert.3 Die zweite Hälfte der 1990er Jahre waren von dem Bemühen des Landes geprägt, sich international aufzustellen. Dabei war das klare Ziel die Zugehörigkeit zur NATO (Beitritt 2007) und der EU (2009). Gleichzeitig bemühte sich Slowenien um einen nichtständigen Sitz im UN Sicherheitsrat. Diese Bemühungen wurden am 14. Oktober 1997 von Erfolg gekrönt, als Slowenien sich bei der 52. Sitzung der UN Generalversammlung in einer Kampfabstimmung um den Sitz Osteuropas im Sicherheitsrat mit 140 Stimmen gegen Mazedonien (30 Stimmen) bei vier Enthaltungen durchsetzte.4 Dass sich ein noch so junges und dazu noch relativ kleines Land so früh in seiner Geschichte einen Sitz im wichtigsten Gremium der UN sichern konnte, gilt als einer der größten diplomatischen und außenpolitischen Erfolge Sloweniens.5
Während der slowenischen Mitgliedschaft beschäftigte sich der Sicherheitsrat unter anderem mit der Situation in Angola, der Westsahara, Irak, Kuweit, Kosovo und Montenegro.6 Im August 1998 fungierte Slowenien als Präsident des Sicherheitsrats.
Milan Jazbec,7 ehemaliger slowenischer Diplomat und Professor für Diplomatie hält die Erfahrungen, die Slowenien damals gemacht hat, nach wie vor für entscheidend und einschlägig, sollte es dem Land gelingen, zum zweiten Mal in den Sicherheitsrat gewählt zu werden. Gerade für kleine Länder mit einem relativ überschaubaren diplomatischen Corps sei die Mitgliedschaft in diesem Gremium eine große Herausforderung, aber andererseits biete sie auch die Chance, sich international zu profilieren. Dazu brauche es unter anderem eine gut funktionierende diplomatische Maschinerie, die sich schnell auf immer neu auftauchende Sachverhalte einstellen kann, eine enge Abstimmung zwischen Außenministerium, den diplomatischen Vertretungen weltweit und der (möglichst gut funktionierenden) Vertretung des Landes bei der UN. Er vergleicht diese Aufgabe mit einer Postdoc-Studie in praktischer Diplomatie.8
Die slowenische Kandidatur im Jahr 2022 – Hintergründe
Bevor Slowenien seine Kandidatur verkündete, war Belarus der einzige Staat aus der osteuropäischen Gruppe, der seine Absicht bekundet hatte, dem Sicherheitsrat angehören zu wollen. Auch für Belarus wäre es bei einem Wahlerfolg das zweite Mal, dass das Land dem UN-Sicherheitsrat angehören würde. Allerdings liegt die erste Mitgliedschaft beinahe 50 Jahre zurück (1974/75).9
Die slowenische Kandidatur kam für viele überraschend und sorgt für mannigfaltige Spekulationen. Viele Beobachter sehen die USA als den eigentlichen Initiator der slowenischen Bewerbung. Ziel sei es gewesen, dem stark von Russland beeinflussten Belarus (Russland ist auch der Hauptsponsor der belarussischen Kandidatur) einen verlässlichen Kandidaten entgegenzustellen, der einerseits fest im westlichen Verteidigungsbündnis verankert ist, andererseits aber pragmatische Beziehungen zu Russland unterhält.10
Als Slowenien im Dezember 2021 die Unterstützung der USA offiziell erhielt, wurde der damalige slowenische Außenminister Anže Logar auch auf diese Spekulationen angesprochen. Er antwortete nicht direkt darauf, sondern erklärte, es gehe bei der slowenischen Kandidatur darum, die eigenen Botschaften zu transportieren. Er nannte die Kandidatur ein „gemeinsames slowenisches Projekt“11 und man hoffe, auch die Unterstützung Russlands zu erhalten.12
„Building Trust. Securing Future.” – Das Programm der
slowenischen Bewerbung
Die slowenische Kandidatur wurde am 26. September 2022 von Staatspräsident Bohut Pahor, der gemeinsam mit Außenministerin Tanja Fajon nach New York gereist war, offiziell vorgestellt. Pahor betonte in seiner Rede, dass Slowenien in einer guten Position sei, ein nichtständiges Mitglied im UN Sicherheitsrat für den Zeitraum 2024/25 zu werden. Es sei in der DNA des Landes, „dass wir dem Multilateralismus verpflichtet sind, mit der UN im Zentrum“. Gleichzeitig verurteilte er den russischen Angriff auf die Ukraine scharf.13
Er erinnerte an die erste Mitgliedschaft Sloweniens in dem Gremium und verwies auf die damals zu behandelnden Fragestellungen: der Schutz von Zivilisten in bewaffneten Konflikten und die Konfliktprävention, die Situation auf dem westlichen Balkan, im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika und Lateinamerika. Er hob den slowenischen Beitrag zu UN-Friedensmissionen weltweit hervor sowie die Anstrengungen des Landes in der Durchsetzung der Menschenrechte, hier insbesondere das Recht von Menschen auf eine saubere, gesunde und nachhaltig gestaltete Umwelt und Umgebung, des internationalen Rechts und der Ernährungssicherheit.14
Er fasste die slowenische Kandidatur mit folgenden Worten zusammen: „Heute – in Zeiten von geopolitischer Teilung und vielen neuen Herausforderungen – müssen wir unsere Zusammenarbeit verstärken. Wir müssen uns gegenseitig zuhören. Wir müssen einander hören. Und wir müssen versuchen, einander zu verstehen und zu vertrauen. Es ist meine persönliche Überzeugung, dass wir alleine dadurch, dass wir gemeinsam vorwärtsschreiten, eine bessere und sichere Zukunft für alle sichern können“.15
Außenministerin Fajon hob in ihrer Ansprache hervor, dass es das Ziel einer slowenischen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat sei, international Frieden und Sicherheit zu gewährleisten, den Dialog zwischen den UN- Mitgliedsstaaten zu fördern sowie das Vertrauen in den Multilateralismus zu schaffen. Im Falle einer Wahl werde Slowenien immer ein ehrlicher Vermittler und ein zuverlässiger Partner für alle sein. Sie erklärte weiterhin, das Land verfolge als Mitglied des Sicherheitsrats zwei Ziele, gemäß dem Motto der Kandidatur: Vertrauen schaffen (Building Trust) durch die Einhaltung des internationalen Rechts sowie der UN Charta und die Sicherung der Zukunft (Securing the Future) durch das Hervorheben der Gleichstellung und der unverzichtbaren Rolle von Frauen und jungen Menschen in allen Phasen eines Konflikts.16
In einem Aide-Mémoire werden die fünf Schwerpunkte der slowenischen Kandidatur und die mögliche Mitgliedschaft im Sicherheitsrat beschrieben: 1. Multilateralismus ist wichtig (Multilateralism matters), 2. Frieden sicherstellen (Promoting Peace), 3. Menschenwürde und die Zukunft der Menschheit (Human Dignity and the Human Future. „Slovenia is committed to the promotion of prosperity, dignity and a better future for all.”), 4. Stabilität und Rechtsstaatlichkeit (Stability and the Rule of Law), 5. Sloweniens Verpflichtung (Sovenia´s Pledge. „As a non-permanent member of the UN Security Council, Slovenia pledges to be a positive and harmonious driving force for partnership among nations in maintaining international peace and security for all.”)17
Ausblick – Chancen und Risiken der slowenischen Bewerbung
Seit den ersten Überlegungen hinsichtlich einer möglichen Kandidatur hat sich die Situation in der Welt und der internationalen Politik und Diplomatie durch den russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar stark verändert. Nahezu unversöhnlich stehen sich Russland und seine Unterstützer und Verbündete, und diejenigen, die auf der Seite der Ukraine stehen, gegenüber.
Dies hat natürlich auch Einfluss auf die Kandidaturen von Slowenien und Belarus für den UN-Sicherheitsrat. Gerade vor dem Hintergrund der Schnelllebigkeit der internationalen Ereignisse ist es schwer, Voraussagen darüber zu treffen, wie die UN Generalversammlung im Sommer 2023 über die beiden Kandidaturen entscheiden wird. Sicher ist allerdings zumindest für den Moment, dass es zu einer sehr starken Polarisierung gekommen ist, die Slowenien wohl eher helfen als schaden könnte.
Zu sehr wird momentan Belarus als Handlanger und Steigbügelhalter der russischen Aggression in der Ukraine gesehen, als dass das Land als „ehrlicher Makler“ im Sicherheitsrat gesehen werden könnte. Dies wurde besonders in der Sondersitzung der UN Generalversammlung vom 28. Februar bis 2. März 2022 nach dem russischen Angriff deutlich. Diplomaten aus Südost-, Ost- und Nordeuropa, Japan und den USA wandten sich mit teilweise deutlichen Worten an Belarus und warfen dem Land und seiner Führung vor, es gebe sein Territorium als Ausganspunkt der russischen Aggression her, sei klar erkennbar an der russischen Aggression beteiligt, und ermögliche sie. Zwar sei Russland der Aggressor, aber Belarus sei der „Möglichmacher“ (enabler).18
In der selben Debatte wies der belarussischen UN Botschafter die Vorwürfe zurück und betonte seinerseits, dass der Präsident Weißrusslands, Alexander Lukashenko, alles in seiner Macht Stehende tue, um Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine zu ermöglichen. Bei der Abstimmung über die Resolution der Generalversammlung, in der der russische Angriff auf die Ukraine verurteilt und Russland aufgefordert wurde, seine Truppen schnellstmöglich aus der Ukraine abzuziehen, war dann Belarus neben Russland, Eritrea, Nordkorea und Syrien einer von fünf Staaten, die die Resolution ablehnten.19
Vor diesem Hintergrund scheint, wie bereits erwähnt, Slowenien einen Vorteil gegenüber der belarussischen Bewerbung zu haben, für den Moment. Da die Besetzung der nichtständigen Sitze im Sicherheitsrat nicht immer der Logik vorhersehbarer Mehrheitsentscheidungen folgt,20 bleibt die Entscheidung aber weiter abzuwarten.
1 Artikel 27 der Charta der Vereinten Nationen: https://www.un.org/en/about-us/un-charter/chapter-5, abgerufen am 22.10.2022.
2 Resolution 1991 (XVIII) der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1963: https://documents-dds-ny.un.org/doc/RESOLUTION/GEN/NR0/186/66/PDF/NR018666.pdf?OpenElement, abgerufen am 22.10.2022.
3 https://www.gov.si/en/registries/projects/slovenias-candidature-for-un-security-council-membership-in-the-20242025-period/, abgerufen am 22.10.2022.
4 Protokoll der 52. Sitzung der UN Generalversammlung am 14. Oktober 1997, https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N97/862/06/PDF/N9786206.pdf?OpenElement, abgerufen am 22.10.2022.
5 Milan Jazbec, „Slovenia in the UN Security Council 1998-1999: Experiences and Approaches”, in: Tirana Observatory, 13. Juni 2022, https://tiranaobservatory.com/2022/06/13/slovenia-in-the-un-security-council-1998-1999-experiences-and-approaches/, abgerufen am 22.10.2022.
6 http://unscr.com/en/country/SVN?topic_id=40, abgerufen am 22.10.2022.
7 Siehe Fußnote 4.
8 “The SC nonpermanent membership is a kind of postdoctoral study of diplomatic practice. Diplomats learn to grasp the moment, establish deep understanding and knowledge of world affairs. Coordination, nonstop briefing, debriefing, following sessions, on – off the record, being active around the clock, this is diplomatic business. This assembly line does never stop.“, ebd.
9 https://www.un.org/securitycouncil/content/countries-elected-members, abgerufen am 22.10.2022.
10 Sebastijan R. Maček, “Slovenia wins US support for UN Security Council bid”, https://www.euractiv.com/section/politics/short_news/slovenia-wins-us-support-for-un-security-council-bid/, abgerufen am 22.10.2022.
11 Ebd.
12 All diese Aussagen wurden vor dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 getätigt.
13 https://www.predsednik.si/up-rs/uprs-eng.nsf/pages/A49326FF807F2A31C12588CA00335485?OpenDocument, abgerufen am 23.10.2022.
14 Ebd.
15 Ebd.
16 https://www.gov.si/en/news/2022-09-27-minister-fajon-in-new-york-on-slovenias-candidature-for-a-non-permanent-seat-on-the-un-security-council/,abgerufen am 23.10.2022.
17 https://www.gov.si/assets/ministrstva/MZZ/projekti/VS-OZN-KANDIDATURA/Aide-Memoire-ENG.pdf, abgerufen am 23.10.2022.
18 Dawn Clancy: “Could Belarus, a ‘100% Pariah Now,’ Lose Its Bid for a UN Security Council Seat?”, in https://www.passblue.com/2022/03/04/could-belarus-a-100-pariah-now-lose-its-bid-for-a-un-security-council-seat/, abgerufen am 23.10.2022.
19 Ebd.
20 https://english.sta.si/3085459/delo-looks-at-broader-implications-of-security-council-candidacy,
abgerufen am 23.10.2023.
Bereitgestellt von
Auslandsbüro Kroatien und Slowenien
Über diese Reihe
Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist in rund 110 Ländern auf fünf Kontinenten mit einem eigenen Büro vertreten. Die Auslandsmitarbeiter vor Ort können aus erster Hand über aktuelle Ereignisse und langfristige Entwicklungen in ihrem Einsatzland berichten. In den "Länderberichten" bieten sie den Nutzern der Webseite der Konrad-Adenauer-Stiftung exklusiv Analysen, Hintergrundinformationen und Einschätzungen.