Verfassungsänderungen und vorgezogene Präsidentschaftswahlen in Usbekistan
Am 9. Juli fanden in Usbekistan vorgezogene Präsidentschaftswahlen statt, die der amtierende Präsident Schawkat Mirsijojew mit großem Abstand vor drei Kandidaten ohne eigenes politisches Gewicht gewann. Das vorliegende Ergebnis verzeichnet für ihn 87,05 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Die vorgezogenen Wahlen waren durch eine Verfassungsänderung möglich geworden, durch die Mirsijojews bisherige Amtszeiten, ähnlich wie bei seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin im Jahr 2020, „annulliert“ wurden.
Bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2021 war Schawkat Mirsijojew für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden, diese Amtszeit wäre 2026 ausgelaufen. Nach der alten Verfassung hätte er nicht das Recht gehabt, 2026 erneut zu kandidieren, da das Mandat des Präsidenten auf zwei fünfjährige Amtszeiten begrenzt war.
Die Verfassungsänderungen, die am 30. April per Referendum beschlossen worden waren, verlängern die Amtsperioden von Präsidenten von fünf auf sieben Jahre und ermöglichen Mirsijojew damit zum jetzigen Zeitpunkt die Möglichkeit von zwei neuen, siebenjährigen Amtszeiten. In Usbekistan ist es das siebte Mal seit 1992, dass wesentliche Änderungen an der usbekischen Verfassung vorgenommen wurden, um früher Amtszeiten des Präsidenten „auf null“ zu setzen und Amtszeitbeschränkungen zu umgehen.
Neben der „Annullierung“ der bisherigen Amtszeiten des Präsidenten wurden 2023 eine Vielzahl weiterer Verfassungsartikel geändert. Usbekistan wird zu einem „sozialen“, „rechtsstaatlichen“ und „säkularen“ Staat erklärt (zusätzlich zu „souverän“ und „demokratisch“); die Zahl von Senatoren im Oberhaus des Parlaments verringert sich von 100 auf 65; die Gesetzgebungskammer (Unterhaus) erhält zusätzliche Befugnisse, die Kontrolle des Staatshaushaltes betreffend, die Todesstrafe wird abgeschafft (ein Moratorium über deren Nichtanwendung besteht seit 2008), die Auslieferung usbekischer Staatsbürger an ausländische Staaten wird verboten, den Gerichten wird das ausschließliche Recht gewährt, über die Einschränkung von Eigentumsrechten und des Briefgeheimnisses zu entscheiden, die Gleichberechtigung von Mann und Frau wird ausgeweitet, Kinderzwangsarbeit – früher auf den Baumwollfeldern weit verbreitet – wird abgeschafft und Eingriffe in der Arbeit der Medien werden verboten. Auf die ursprünglich geplante Streichung des Autonomiestatus der Autonomen Republik Karakalpakstan (ein Gliedstaat Usbekistans) wurde nach Massenprotesten in Karakalpakstan verzichtet.
Ein großer Teil dieser Änderungen muss nun den Praxistest bestehen. Von Beginn seiner Amtszeit an zeigte Mirsijojew allerdings, dass er sich von seinem Vorgänger unterscheidet. Während Karimow sich stets als harter und autoritärer Präsident positionierte, pflegt Mirsijojew das Image eines Reformers. Das gesellschaftliche Klima hat sich im Vergleich zur Karimow-Zeit verbessert, was der politischen Transformation seit 2017 geschuldet ist.
Dennoch bleibt Usbekistan ein autoritär ausgerichteter Staat mit einem Präsidialsystem, dessen institutionelle Grundlagen nicht in Frage gestellt werden. Präsident Mirsijojew muss nun diese Autorität für die nächsten sieben Jahre gebrauchen, um dringende radikale und unpopuläre strukturelle Reformen durchzusetzen, darunter besonders schmerzhafte Reformen des kollabierenden Wohnungs-, Gesundheits- und Rentensystems. Die Hauptaufgabe besteht allerdings darin, die korrupte Bürokratie einzudämmen und radikal-islamische Gruppierungen, die das säkulare Gesellschaftsmodell und damit auch die Stabilität und den gesellschaftlichen Frieden in Frage stellen, nicht an Zulauf gewinnen zu lassen.
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