Simbabwe und der Umgang mit COVID-19
Als die Verteidigungsministerin Oppah Muchinguri-Kashiri im März dieses Jahres das Coronavirus als „Gottes Strafe“ für diejenigen bezeichnete, die Sanktionen gegen das simbabwische Regime erlassen hätten, wurde dies mit einigem Kopfschütteln von internationalen Beobachtern quittiert. In Simbabwe hielt sich der Aufschrei jedoch in Grenzen. Zu häufig hat man es mit derartiger Rhetorik zu tun, welche verdeutlicht, wie sehr sich die politische Elite in ihren Überzeugungen vom Rest der Welt entfernt hat. Seit Beginn der Pandemie ist in Simbabwe viel passiert, was auch dem letzten Hardliner in der regierenden ZANU-PF begreiflich machen sollte, dass die Pandemie keine ideologischen, physischen oder gar ethnischen Grenzen kennt. Landwirtschaftsminister Shiri und zwei hochrangige Militärs sind inzwischen an oder mit COVID-19 gestorben; nach Fällen im Parlament ist die Volksvertretung handlungsunfähig, da der Betrieb ruht. Von März bis Juni sind die Fallzahlen moderat gestiegen, was vor allem an der niedrigen Testquote, der geringen Bevölkerungsdichte und dem begrenzten internationalen Austausch festzumachen war. Ferner folgte die Regierung nahezu auf den Fuß den Maßnahmen, welche im Nachbarland Südafrika ergriffen wurden: Am 23. März beschloss die Regierung die Schließung der Grenzen (mit Ausnahme von Fracht und Heimkehrern), das Verbot zum Betreiben von Gastronomie, Unterhaltungseinrichtungen und Sportstätten sowie das Verbot von Versammlungen über 50 Personen. Am 27. März folgte dann die Ausrufung eines nationalen „Lockdown“, welcher seither stetig verlängert wurde. Das Reisen zwischen Provinzen ist seither erheblich einschränkt, informellen Händlern war das Ausüben ihrer Tätigkeit für drei Monate verboten. Dies sorgte für die bisher gravierendsten Auswirkungen der Pandemie auf die Bevölkerung, da die überwiegende Mehrheit der Simbabwer im informellen Sektor beschäftigt ist.
Zusätzlich kam erschwerend hinzu, dass im ersten Quartal des Jahres Ärzte und Krankenschwestern streikten, da sie ohne notwendige Schutzausrüstung und ohne Bezahlung gezwungen waren, in den staatlichen Krankenhäusern Dienst zu tun, und gleichzeitig die Direktoren eben dieser Einrichtungen mit teuren ausländischen Geländewagen ausgestattet wurden. Diese Bilder verdeutlichten einmal mehr, woran es in Simbabwe auch in der Post-Mugabe-Ära noch immer am meisten mangelt: Dem Bewusstsein der regierenden Eilte für die reale Situation der Bevölkerung. Im Rahmen der übergreifenden Restriktionen rund um die aktuelle Covid-19-Pandemie zeigt sich sehr anschaulich, wie sehr die Korruption noch immer im Land grassiert und wie das Regime darauf reagiert, wenn Fälle öffentlich gemacht werden.
„COVID-Gate“
Als der profilierteste Investigativjournalist des Landes, Hopewell Chin’ono, am 12. August nach drei Wochen in Untersuchungshaft vor dem Richter im Magistrates Court in Harare erschien, trug er Fußfesseln. Chin’ono ist zusammen mit dem oppositionellen Jacob Ngarivhume, welcher zu einer Demonstration gegen Repression und Korruption aufgerufen hatte, zu einem Symbol der Rachsucht eines repressiven Staates geworden. Einige behaupten, dass Chin'onos Verbrechen darin besteht, dass er Korruption auf höchster Ebene aufgedeckt und angeprangert hat.
Die Geschichte rund um den Fall Chin´ono begann damit, dass sich ein Albaner mittels eines simbabwischen Agenten an das simbabwische Ministerium für Gesundheit und Kinderwohl wandte. Er bekundete Interesse an der Lieferung von medizinischen Gütern und Ausrüstungen an NatPharm, der staatlichen Agentur für die Beschaffung von medizinischem Gerät und Pharmazeutika. Das Auftragsvolumen betrug 20 Millionen US-Dollar. Eine gleichlautende Offerte hatte der Besagte kurz zuvor bereits unter einem anderen Firmennamen eingereicht. Diese wurde abgelehnt. Was danach geschah, konnte nicht abschließend geklärt werden, jedoch wurde der Zuschlag erteilt und die simbabwische Regierung unterzeichnete einen Vertrag zur Lieferung der Güter. Dabei war die Firma nicht wie vorgeschrieben beim staatlichen Procurement Board akkreditiert. Gleichwohl erhielt die Firma den öffentlichen Auftrag über 20 Millionen US-Dollar ohne einen Ausschreibungsprozess durchlaufen zu haben. Das Finanzministerium hatte anfänglich Einwände gegen das Abkommen erhoben, aber kapitulierte schnell. Es wird vermutet, dass von höchster Stelle Einfluss auf das Ministerium ausgeübt wurde um das Geschäft zu ermöglichen. Die Regierung zahlte eine erste Rate von zwei Millionen US-Dollar. Das Geld wurde auf ein ungarisches Konto überwiesen. Dies rief die ungarischen Behörden auf den Plan, welche Interpol informierten.
Als bekannt wurde, dass die Regierung exorbitante Preise für das PPE (Personal Protective Equipment) Material gezahlt hatte, löste dies einen öffentlichen Aufschrei aus. Waren im Wert von weniger als vier US-Dollar wurden für jeweils 28 US-Dollar an die Regierung verkauft. Als die investigative Recherche Chin´onos´ ferner ergab, dass einer der Söhne des Präsidenten scheinbar Beziehungen zu dem simbabwischen Agenten des Albaners unterhielt, war der Skandal perfekt.
Die Aufdeckung dieser Zusammenhänge kostete Gesundheitsminister Moyo sein Amt. Er musste zunächst vor Gericht erscheinen, wurde jedoch nach einer Zahlung von umgerechnet 50 US-Dollar auf freien Fuß gesetzt, während der Journalist, der den Skandal aufdeckte, im berüchtigten Hochsicherheitstrakt des Chikurubi Gefängnisses sitzt – verkehrte Welt.
Verfassungsänderungen im Schatten der COVID-19-Restriktionen
Das Beispiel des inhaftierten Journalisten steht stellvertretend für die Art und Weise, wie die Regierung während der Pandemie agiert. Im Schatten der notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus werden politische Reformen vorangerieben, deren Zweck die Konsolidierung der Macht der Regierungspartei, die Ausweitung exekutiver Vollmachten und Kontrolle der Justiz ist. Im Schatten der Pandemie schickt sich die Regierung zudem an, zweifelhafte Verfassungsänderungen durchzusetzen. Ganze 27 Verfassungsänderungen sollen nun im Eiltempo abgesegnet werden. All dies geschieht während des restriktiven „Lockdown“, der Bürgerpartizipation am Konsultationsprozess, der für solche Änderungen erforderlich ist, stark einschränkt.
Einige der von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen erscheinen auf den ersten Blick harmlos, ja sogar fortschrittlich. Dazu gehören die Einführung des Amtes eines sog. Ombudsmannes („Public Protector“), gemäß dem erfolgreichen Vorbild in Südafrika und Namibia, und die Ausweitung des Quotensystems auf die Vertretung von Jugendlichen im Parlament. Andere Änderungen jedoch sind umstrittener, da sie offensichtlich zur Ausweitung exekutiver Vollmachten dienen und so die politische Macht weiter konzentrieren.
Eine dieser Änderungen betrifft das Pensionierungsalter von Richtern. Die Richter am Obersten Gerichtshof haben mit 70 Jahren das niedrigste Pensionierungsalter der Region. Mit dem Gesetzentwurf soll es auf 75 Jahre erhöht werden. Auf den ersten Blick mag dies harmlos erscheinen, aber die zusätzlichen fünf Jahre unterliegen einer jährlichen Verlängerung, welche zukünftig nicht von der Judicial Service Commission, sondern nun vom Präsidenten persönlich genehmigt werden muss. Dies würde sich gravierend auf die Unabhängigkeit der Richter auswirken, da die Verlängerung der Amtszeit nun vom Gutdünken des Präsidenten abhängig wäre.
In dem Gesetzentwurf wird zusätzlich die parlamentarische Kontrolle über Kredite und Verträge zwischen Regierung und internationalen Akteuren eingeschränkt, indem das Vetorecht des Parlaments bei allen bilateralen Abkommen aufgehoben wird. Angesichts der intransparenten Beschaffungsprozesse ist dies ein besorgniserregender Vorgang. Ohne parlamentarische Kontrolle könnte die Staatskasse mit weiteren erheblichen Schulden belastet werden.
Die Staatsschulden des Landes basieren zum Teil noch auf Altschulden der Regierung Rhodesiens. Diese Verschuldung verschärfte sich nach der Unabhängigkeit im Jahre 1980 durch Kredite und korrupte Regierungsführung weitert. Das Parlament hat ab Juni 2020 mit öffentlichen Konsultationen zum Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung (Nr. 2) begonnen. Ohne die Möglichkeit der Bürgerpartizipation, welche angesichts der Corona-Maßnahmen kaum möglich ist, scheint die Verabschiedung der Gesetze im von der Regierungspartei dominierten Parlament nur noch Formsache. Angemerkt werden sollte jedoch, dass der Prozess zur Änderung der Verfassung bereits in Gang war, bevor die COVID-19-Beschränkungen eingeführt wurden. Den Prozess nun im Lichte von gravierenden Einschränkungen der Bürgerrechte fortzusetzen, zeugt von dem Willen, die Krise zum eigenen politischen Vorteil zu nutzen.
Die wirtschaftliche Lage verschärft sich weiter - 3,3 Mio. Menschen von Hunger bedroht
Das Welternährungsprogramm (WFP) schätzt, dass bis Ende des Jahres mehr als 3,3 Millionen Menschen im Land unter Lebensmittelunsicherheit leiden könnten, da die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie und die jüngsten Dürreperioden die Situation verschärften. Die COVID-19-Pandemie breitet sich zunehmend im ganzen Land aus und der landesweite „Lockdown“ hat die ohnehin marode Wirtschaft des Landes weiter geschwächt. Millionen Simbabwer haben seit März ihre Lebensgrundlage verloren. Das Virus verändert zudem die Dimensionen des Hungers. Es zieht nun auch städtische Bevölkerungsgruppen in die absolute Armut, die zuvor von den bereits vorhandenen sozioökono-mischen Schocks und den Auswirkungen des Klimawandels noch nicht in dem Maße betroffen waren wie die ländliche Bevölkerung.
Da die Regierung dieser Aufgabe nicht gewachsen ist, erweiterte das WFP seine Interventionen auf städtische Gebiete, um bis Ende des Jahres über eine halbe Million Menschen zusätzlich mit Nahrungsmitteln versorgen zu können. Die Herausforderung ist zudem größer geworden, da Dürre die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln in weiten Teilen des südlichen Afrika verringert hat. Dies bedeutet, dass Hilfsgüter von außerhalb des Kontinents beschafft werden müssen, wodurch sich die Vorlaufzeiten entsprechend verlängern. Das WFP hat in Johannesburg ein regionales Bereitstellungsdepot eingerichtet, um den Versand wichtiger humanitärer Güter über Land und auf dem Luftweg nach Simbabwe und anderswo zu erleichtern. Die südafrikanische Regierung hat versichert, dass dieser Verkehr ununterbrochen fortgesetzt werden soll. Angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Situation im südlichen Nachbarland, ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Versorgung über diesen Weg nicht vorbehaltlos garantiert werden kann.
Opposition und Zivilgesellschaft unter Druck
Das aktuelle Vorgehen der Regierung und die konfrontative Rhetorik gegenüber Kritikern erhöhen zunehmend den Druck auf die Zivilgesellschaft und die Opposition. Nichtregierungsorganisationen im In- und Ausland forderten von der südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) und der Afrikanische Union (AU), sich ausdrücklich gegen das Vorgehen der simbabwischen Regierung gegen friedliche Proteste auszusprechen. Die simbabwischen Behörden hatten im Zusammenhang mit für den 31. Juli angekündigten Protesten mindestens 60 Personen festgenommen, darunter die international bekannte Schriftstellerin Tsitsi Dangarembga und die Sprecherin der oppositionellen MDC Alliance, Fadzayi Mahere. Human Rights Watch betonte, dass es wichtig sei, dass SADC und AU der Regierung Simbabwes eindeutige Signale senden, dass Verstöße gegen die Afrikanische Charta der Menschenrechte inakzeptabel sind und geahndet werden müssen. Ausdrücklich bezog man sich dabei auf die Inhaftierung des Journalisten Chin’ono. Der Präsident reagierte am 4. August auf seine Kritiker in einer Rede und verunglimpfte sie als "dunkle Mächte" sowie "Schurken" und "terroristische Oppositionsgruppen". Auf die Vorwürfe zu Menschenrechtsverletzungen und die grassierende Korruption, welche der Wirtschaft die Luft zum Atmen rauben, ging er hingegen nicht ein.
Die katholische Kirche kritisiert die Regierung
Nach sehr langem Schweigen kritisierte auch die katholische Bischofskonferenz Simbabwes die Regierung wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen und des Vorgehens gegen Dissens. Die Bischöfe betonten in ihrem Hirtenbrief, dass sich das Land in einer „vielschichtigen Krise befände“. Es gäbe eine „Vertiefung von Armut, Korruption und Menschenrechts-verletzungen“. Das Vorgehen gegen Dissens sei beispiellos, heißt es in dem Brief, der landesweit in allen katholischen Kirchen verlesen wurde. Als Reaktion darauf kritisierte das Informationsministerium den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Ndlovu, und beschrieb den Hirtenbrief als eine „böse Botschaft“, die einen „Völkermord vom Typ Ruanda“ auslösen solle.
Die ungewöhnlich deutliche Kritik der Bischöfe, welche in den vergangenen Jahren häufig schwiegen, ist einerseits überraschend, andererseits verdeutlicht sie, wie sehr die Gesellschaft jegliches Vertrauen in die Regierung verloren hat.
Die regionale Kritik wird lauter – Die „Verschwörung des Westens“
Auch der Vorsitzende der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte, Solomon Dersso, forderte von der simbabwischen Regierung, dass die Maßnahmen im Kampf gegen COVID-19 den Grundsätzen der Legalität, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit entsprechen sollten. Diese böten keine Grundlage für willkürlichen Freiheitsentzug oder unmenschliche Behandlung und Folter. Die Regierung Simbabwes witterte hinter der Aussage jedoch ebenfalls eine „westliche Verschwörung“ und bestritt jegliches Fehlverhalten.
Ungewohnt deutlich äußerte sich auch der südafrikanische ANC (African National Congress). Die Regierungspartei im benachbarten „Bruderstaat“ gestand ein, dass sich Simbabwe in einer politischen Krise befände. Dies bedeutete die Abkehr von der über Jahrzehnte gepflegten diplomatischen Zurückhaltung Südafrikas, wenn es um die Verfehlungen der simbabwischen Regierung ging. Diese war seit der Regierungszeit des ehemaligen Präsidenten Thabo Mbeki gängige Praxis. Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa schickte nun zwei Gesandte nach Simbabwe, um sich vor Ort über die Lage zu informieren und sich mit allen Beteiligten auszutauschen. Ohne auch nur mit einem einzigen Oppositionellen oder Vertreter der Zivilgesellschaft gesprochen zu haben, kehrten diese nach nur zwei Tagen nach Südafrika zurück. Kritisiert wurde von vielen Experten, dass die Zusammenstellung der südafrikanischen Delegation nicht optimal war.
Das Dilemma der Befreiungsbewegungen
Angesichts der andauernden Krise im Nachbarland wächst die Besorgnis in der südafrikanischen Regierung. Immerhin leben geschätzt zwischen zwei und drei Millionen Simbabwer in Südafrika, damit bilden sie die größte Gruppe von Migranten im Land. Die Abordnung von Gesandten des südafrikanischen Präsidenten war zunächst allgemein begrüßt worden. Beobachter sind jedoch zurecht skeptisch, ob der Besuch überhaupt Ergebnisse zeigen wird. Noch wird gehofft, dass die südafrikanische Diplomatie zumindest die Freilassung von Journalisten, Oppositionellen und Vertretern der Zivilgesellschaft aus dem Gefängnis bewirken kann. Dies ist bislang jedoch nur teilweise erfolgt. Negativ stimmt hingegen das nahezu ständig wiederholte Schema, nachdem die Verhandlungen mit dem simbabwischen Regime ablaufen: Krise - Intervention - Versprechen des Regimes, ein kritisiertes Verhalten abzustellen - und dann nach einiger Zeit der Rückfall in die Art von Verhalten, welche die jüngste Krise ausgelöst hat.
Einer nachhaltigen Intervention Südafrikas steht die tiefgreifende und historisch bedingte Solidarität der Befreiungsbewegungen untereinander entgegen. Selbst wenn zwischen den Regierungen Differenzen bestehen, so bleiben der ANC und ZANU-PF durch die Überzeugung miteinander verbunden, dass sie nach der schmerzhaften Überwindung kolonialer Regimes die einzig legitimen Herrscher ihrer jeweiligen Länder sind. Als führende Entitäten des bewaffneten Freiheits-kampfes glauben sie bis heute, einzig und allein die wahren Interessen des Volkes vertreten zu können. Wenn Wahlen anderslautende Ergebnisse hervorbringen, spricht dies für ZANU-PF lediglich für Betrug und externe Einmischung in innere Angelegenheiten.
Im Augenblick geht niemand davon aus, dass eine ANC-Regierung, deren eigene Glaubwürdigkeit aufgrund von Korruption und der sich immer weiter zuspitzenden Wirtschaftslage im eigenen Land, erheblichen Schaden genommen hat, bereit ist, ernsthaft auf den nördlichen Nachbarn einzuwirken. In diesem Zusammenhang begünstigt die Schwäche Südafrikas das Vorgehen der simbabwischen Regierung gegen seine Kritiker. Großbritannien, die EU und die USA beklagen stets die Menschenrechtsverletzungen in Simbabwe. Aber sie haben es weitgehend aufgegeben, Einfluss auszuüben. Interventionen erfolgen zumeist nur in Form von dringend benötigter humanitärer Hilfe für die zunehmend verarmende Bevölkerung. Die langjährigen Sanktionen des Westens bestehen hingehen weiterhin. Simbabwe ist auf dem besten Weg, sich international wieder zunehmend zu isolieren. Die Hoffnungen auf eine ernsthafte politische Veränderung zum Positiven, welche mit der Absetzung des langjährigen Machthabers Mugabe im Jahr 2017 einhergingen, sind definitiv enttäuscht worden.
Entschädigungen an weiße Farmer – PR-Coup oder politischer Meilenstein?
Als die simbabwische Regierung am 29. Juli ein Abkommen mit der Commercial Farmers Union, der Interessenvertretung der im Zuge der Landreform zu Beginn der 2000er Jahre enteigneten weißen Farmer, unterzeichnete, bezeichnete der Präsident dies als ein historisches Ereignis. Was war geschehen? Die Entschädigungssumme beläuft sich gemäß Abkommen auf 3,5 Milliarden US-Dollar, wovon 50 Prozent innerhalb der nächsten 12 Monate ausgezahlt werden sollen, während die andere Hälfte innerhalb von fünf Jahren fließen soll. Wirtschaftswissenschaftler sind sich einig, dass die simbabwische Regierung, die nach Jahren der Inflation und des Missmanagements quasi bankrott ist, es sich nicht leisten kann, die vereinbarte Summe aufzubringen. Das Finanzministerium erklärte, eine langfristige Anleihe auflegen zu wollen sowie internationale Geber zu konsultieren, um die Zahlungen leisten zu können. Ferner wurde bekannt, dass die Vereinbarung die Landwirte nicht für den Wert des Landes, sondern lediglich für die Infrastruktur entschädigt, welche die ehemaligen Eigentümer verloren hatten. Kritiker merken an, dass die Landfrage in Simbabwe damit lange nicht gelöst sei, da das Geld für die Entschädigung zunächst beschafft werden müsse. Angesichts der feindseligen Rhetorik gegenüber den potentiellen Gebern und der andauernden Wirtschaftskrise, scheint eine baldige Beilegung des Konflikts derzeit äußerst unrealistisch.
Die Maßnahme greift jedoch ein seit der Absetzung Mugabes gängiges Stilmittel wieder auf: Die Symbolpolitik. Immer wieder hat die Regierung der Welt zu suggerieren versucht, dass sie an Reformen interessiert sei und eine Abkehr von der vielfach kritisierten Politik Mugabes vollzogen habe. Dies war insbesondere unmittelbar nach der Entmachtung Mugabes auf ein gewisses Wohlwollen gestoßen. Nun jedoch ist klar geworden, dass es sich bei den symbolischen Schritten zumeist nur um PR-Maßnahmen handelt, um von den eigentlichen Problemen und den Verfehlungen der Regierung und ihrer Mitglieder abzulenken. Die Tatsache, dass die Überschriften international anerkannter Medien die Meldung als Meilenstein aufbereiteten, kann im Zeitalter von Facebook und Twitter, in denen viele Konsumenten nicht über die Überschrift hinaus lesen, nur als äußerst bedenklich bezeichnet werden, fördert dies doch nur den falschen Eindruck, dass positiver Wandel in Simbabwe zu beobachten sei.
Der Elefant im Raum
Noch immer bleibt die unklare Machtfrage innerhalb der regierenden ZANU-PF ein entscheidender Faktor. Schon seit langem gibt es Gerüchte, dass sich der Präsident und sein Vizepräsident, der ehemalige Generalstabschef Chiwenga, überworfen haben sollen. Dies soll damit zusammenhängen, dass der Vizepräsident eigene Ambitionen auf das höchste Amt im Staat hegen soll. Schließlich war er derjenige, der Mnangagwa 2017 den Weg zur Macht ebnete.
Um den Vizepräsidenten zu besänftigen, ernannte ihn der Präsident, nach der aktuellen Entlassung des unter Korruptionsverdacht stehenden Vorgängers, zum Gesundheitsminister. Dass diese Ernennung eindeutig gegen die Verfassung verstieß, welche die Bekleidung von zwei exekutiven Ämtern durch ein und dieselbe Person untersagt, kann im Simbabwe des Jahres 2020, jedoch niemanden wirklich verwundern. Der Kurs des Landes hängt einmal mehr davon ab, ob die innerparteilichen Kämpfe überwunden werden können und sich nach Jahrzehnten des Missmanagements eine Strömung innerhalb der regierenden ZANU-PF herausbilden kann, welche das Wohl der Bevölkerung und nicht die Selbstbereicherung, in den Fokus ihrer Politik rücken. Dies ist aktuell jedoch nicht absehbar.
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