Japans Engagement in Afrika – nicht neu, aber mit neuem Elan
Japans Engagement in Afrika ist nicht neu, erhält seit einigen Jahren jedoch einen sichtbar neuen Elan. Dafür dürfte auch die seit einem Jahrzehnt erheblich zunehmende chinesische Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent verantwortlich sein. Japan unterhält seit 1993 institutionalisierte Beziehungen zu afrikanischen Ländern und der Afrikanischen Union (AU), nicht zuletzt durch die Etablierung der Tokyo International Conference on African Development (TICAD) 1993. Seither tagen – in der Regel alle drei Jahre – japanische Regierungsvertreter mit ihren Amtskollegen aus verschiedenen afrikanischen Staaten, um über die gemeinsame Zusammenarbeit zu beraten. Nach der letzten Sitzung 2016 in Kenias Hauptstadt Nairobi trafen sich afrikanische und japanische Spitzenpolitiker vom 28. bis 30. August 2019 zur siebten TICAD-Konferenz im japanischen Yokohama. Im Mittelpunkt der hochkarätigen Konferenz standen Fragen der bilateralen Kooperation in den Bereichen Technologie, Investitionen, Bildung und Sicherheit. Im Vorfeld und im Nachgang der Konferenz in Yokohama berichteten senegalesische Medien ausführlich über die Themen der TICAD-Konferenz und lobten die Vielfältigkeit der senegalesisch-japanischen Beziehungen. Wie nach dem ersten Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping am 21./22. Juli 2018 im Senegal wird abermals deutlich, wie sehr die senegalesische Außenpolitik von einem multidimensionalen und pragmatischen Grundverständnis geprägt ist. So unterhält Senegal diplomatische Beziehungen mit Israel und tritt dennoch stark für palästinensische Interessen ein, stimmt in der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS für die Einführung der neuen ECO-Währung und spricht sich dann doch für die Beibehaltung der bestehenden FCFA-Währung aus, hofiert China und sucht gleichzeitig mit Japan einen neuen Schulterschluss.
China zählt zu Senegals wichtigsten Handelspartnern
Neben Frankreich und der Türkei nimmt China seit Jahren eine zunehmende Bedeutung für Senegal ein. Ohne chinesische Unternehmen wäre die Realisierung zahlreicher Großprojekte im Senegal, insbesondere im Infrastrukturbereich, nur schwer möglich. Seit einigen Jahren besteht in der sich rasch vergrößernden Satellitenstadt Diamniado 34 km vor den Toren der senegalesischen Hauptstadt Dakar eine Sonderwirtschaftszone nach dem Vorbild der Stadt Shenzhen in China. Wenig verwunderlich sind dort besonders viele chinesische Unternehmen angesiedelt, die dort zukünftig nach dem Willen der senegalesischen Regierung steuerfrei noch mehr ihrer Produktionsstätten ansiedeln sollen. Neben der China Geography Construction Overseas (CGCOC) und der China Road and Bridge Cooperation (Crbc) ist auch die China Water and Electric Cooperation (CWE) stark im Land vertreten, letztere erhält landesweite Aufträge der senegalesischen Regierung. Das wesentliche Prestigeprojekt des im Februar 2019 wiedergewählten senegalesischen Staatspräsidenten Macky Sall, der Nationale Entwicklungsplan PSE, wurde durch China in den vergangenen fünf Jahren mit mehr als 1,5 Mrd. Euro unterstützt. Seit 2005 investierte China knapp zwei Mrd. Euro im Senegal und ist somit zu einem der wichtigsten Handelspartner des westafrikanischen Landes ausgestiegen.
Das Engagement Chinas im Senegal ist jedoch nicht nur bei Investitionen im Infrastruktur- und Baubereich, bei der Finanzierung von Bussen für die kommunalen Transportgesellschaften oder dem chinesisch finanzierten Anschluss von Dörfern an das Elektrizitätswerk bemerkbar. Auch die kulturelle Komponente der Partnerschaft wird immer sichtbarer. Das an die Universität von Dakar angegliederte Konfuzius-Institut erhält einen immer größer werdenden Zustrom von jungen Senegalesen, die sich dort in Mandarin-Kurse einschreiben. Die größte Nachrichtenagentur des Landes, die Agence de presse sénégalaise (APS), bezieht einen Großteil ihrer Nachrichten aus chinesischen Presseagenturen, so dass das Informationsumfeld immer stärker von einem fernöstlichen Weltbild geprägt und beeinflusst wird. Senegals Präsident Macky Sall schwärmte 2018 von den ausgezeichneten Beziehungen zu China und sagte: „Die Beziehungen zwischen China und Senegal sind exzellent, sie sind hervorragend, da sie sich auf Solidarität, Respekt und gegenseitiges Vertrauen stützen. Wir arbeiten in enger Absprache für eine einvernehmliche Kooperation im gegenseitigen Vorteil.“ Obschon die chinesisch-senegalesischen Beziehungen sehr eng sind und auf wirtschaftlicher Ebene immer weiter zunehmen, sucht Senegal dennoch weiterhin nach neuen Partnern. Die Diversifizierung des Partnerspektrums wird von senegalesischen Außenpolitikern und Diplomaten als erklärtes Ziel formuliert und soll mit dazu beitragen, Senegal auf dem internationalen Parkett weiteres Ansehen und Einfluss zu verschaffen und neue Direktinvestitionen in dem sich entwickelnden Land zu begünstigen.
Die japanisch-senegalesischen Beziehungen: vielfältig und hochwertig
Japan betont im Rahmen seiner Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent wiederholt den Aspekt der Qualität der Zusammenarbeit und möchte sich dadurch gezielt von dem quantitativ deutlich höheren chinesischen Investitionsvolumen in Afrika absondern. Während die chinesischen Investitionen in Afrika sich in den letzten drei Jahren auf etwa 60 Mrd. Dollar beliefen, investierte Japan mit rund 30 Mrd. Dollar nur gut die Hälfte davon in afrikanischen Ländern. Gleichzeitig betont der japanische TICAD-Botschafter, Kiya Masahiko, dass Japan im Gegensatz zu anderen Akteuren großen Wert auf die Qualität und Nachhaltigkeit seiner Investitionen lege, und dürfte damit bewusst auf die Investitionen des chinesischen Nachbarn anspielen.
Die senegalesisch-japanischen Beziehungen sind vielfältig und konzentrieren sich vor allem auf die Bereiche Bildung, Gesundheitswesen, Fischerei und Sicherheit. Im Gesundheitsbereich finanziert Japan Projekte, die sich für die Einführung einer allgemeinen landesweiten Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung einsetzen. Dies ist wichtig in einem Land, in dem lediglich 50 Prozent der Bevölkerung krankenversichert sind. Im Bildungsbereich unterstützt die japanische Regierung Vorhaben zur Stärkung von naturwissenschaftlichen Fächern in den Schulen des Landes sowie die Förderung von Berufsausbildungszentren, nicht nur in der Hauptstadt Dakar, sondern wie in Fatick auch in den ländlicheren Regionen des Landes. Das reformbedürftige senegalesische Bildungssystem erhält durch die japanische Regierung ebenso finanzielle Unterstützung wie auch der landwirtschaftliche und maritime Sektor des Landes.
Japanische Experten schulen Senegalesen in einer nachhaltigen Reisanbauweise, um die eigenständige Reisversorgung in dem Land mit einer ansteigenden Bevölkerung zukünftig besser gewährleisten zu können. Mit einer Bevölkerung von ca. 16 Mio. Einwohnern verfügt Senegal bereits heute über keine gesicherte eigenständige Reisversorgung und ist auf Importe angewiesen. Mit einer sich bis 2050 vermutlich mehr als verdoppelnden Bevölkerung von dann ca. 34 Mio. Einwohner wird die Reisabhängigkeit immer größer, wenn nun nicht effektiv gegengesteuert wird. Senegalesische Landwirte sollen auch im Kontext des Klimawandels für Elemente einer schonenden, effizienten und nachhaltigen Landwirtschaft sensibilisiert werden.
Wesentliche Großprojekte, die durch den japanischen Staat im Senegal unterstützt werden, sind außerdem der Aufbau einer Entsalzungsmaschine von Meereswasser, Investitionen am Hafen von Dakar zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Großfischereien und die Schaffung von Wertschöpfungsketten in der Fischerei in der Küstenstadt Mbour südlich von Dakar. Der bilaterale Arbeitsplan der senegalesisch-japanischen Kooperation von 2015-2019 sieht neben einer japanischen Unterstützung bei der strukturellen Transformation der senegalesischen Wirtschaft auch Maßnahmen zur Förderung von sozialer Sicherung und (Aus-)Bildung vor. Zur Stärkung japanischer Privatinvestitionen im Senegal fand am 9. Januar 2018 zudem eine große internationale Konferenz in Dakar statt, die japanische und senegalesische Unternehmer und Regierungsmitglieder versammelte, um über Möglichkeiten einer intensivierten Wirtschaftspartnerschaft der beiden Staaten zu beraten.
7. TICAD-Konferenz – „EEII“ im Kern des neuen Dialogs
Vom 28. bis 30. August fand im japanischen Yokohama nunmehr zum siebten Mal seit 1993 die TICAD-Konferenz mit zahlreichen afrikanischen Staats-und Regierungschefs teil. Senegals Staatspräsident Macky Sall traf am 29. August mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe zusammen und vereinbarte eine weitere enge Zusammenarbeit der beiden Staaten. Abé sagte Sall eine finanzielle Unterstützung in Höhe von knapp 200 Mio. Euro für eine Entsalzungsanlage von Meereswasser zu. Ferner werde Japan nach Auskunft von Ministerpräsident Abé 5 Mio. Dollar in die Berufsausbildung im Senegal investieren. Außerdem werde seine Regierung auch in diesem Jahr das Internationale Dakar-Forum für Frieden und Sicherheit in Afrika finanziell unterstützen. In der Vergangenheit zählte Japan bereits zu einem der größten Geber dieser international anerkannten Sicherheitskonferenz in Westafrika.
Senegals Präsident Sall betonte während der TICAD-Konferenz in Japan, dass die Industrialisierung Afrikas eine drängende Herausforderung für die 54 Staaten des Kontinents sei, insbesondere um der jungen, weiter ansteigenden Bevölkerung ausreichend Arbeitsplätze bieten zu können. Hierfür seien verstärkte Privatinvestitionen vonnöten. „Der japanische Erfolg könnte als Beispiel für afrikanische Länder dienen“, so Macky Sall im Rahmen der Konferenz.
Japans Ministerpräsident Abe betonte, dass sich sein Land zukünftig noch stärker als bisher auf dem afrikanischen Kontinent engagieren werde und dabei von zwei E und zwei I in seiner Herangehensweise geleitet werde. Die zwei E stehen für entrepreneurship (Unternehmertum) und enterprise (Unternehmungsgeist), die zwei I für investment (Investition) und innovation (Innovation). Mit dieser „EEII“-Formel wolle Japan auf dem afrikanischen Kontinent durch qualitativ hochwertige Produkte und Leistung japanische Privatinvestitionen ermöglichen und stärken und zur Entwicklung afrikanischer Länder beitragen. Der japanische Regierungschef machte schließlich deutlich: „Ich verspreche: Die japanische Regierung strengt sich weiterhin an, um den Elan der Privatinvestitionen von 20 Mrd. Dollar der letzten drei Jahre täglich ansteigen zu lassen.“
Fazit und Einschätzung
Der japanische Ansatz der nunmehr formulierten „EEII“-Formel im Hinblick auf Japans Afrikapolitik ist löblich, jedoch international nicht neu. Auch andere Länder – nicht zuletzt Deutschland – setzen inzwischen verstärkt auf eine Stärkung von Privatinvestitionen in ihren Beziehungen zu afrikanischen Ländern und versuchen dadurch Wachstum, Arbeitsplätze und Perspektiven für die Jugend vor Ort zu ermöglichen. Die Intensivierung des seit Jahrzehnten bestehenden japanischen Engagements auf dem afrikanischen Kontinent ist dennoch zu begrüßen, auch da das Land im technologischen Bereich ein wichtiger Transporteur von Wissen für afrikanische Regierungen und Unternehmen sein kann. Bereits heute sind mehr als 800 japanische Unternehmen und 8.000 japanische Staatsbürger in verschiedenen Ländern Afrikas präsent. Im Wettrennen mit der kontinuierlich ansteigenden chinesischen Präsenz auf dem Kontinent besteht für Japan daher Aufholbedarf.
Der Afrikadirektor im japanischen Außenministerium, Shigern Ushio, bestätigte im Interview mit dem Magazin Jeune Afrique zuletzt auch, dass Japan bezüglich seiner wirtschaftlichen Beziehungen mit afrikanischen Ländern noch Aufholbedarf habe. Während Japan 2017 circa 8 Mrd. Euro an ausländischen Direktinvestitionen in afrikanischen Ländern tätigte, lag der chinesische Anteil im selben Jahr bei 37,7 Mrd. Euro. Die alternde Bevölkerung Japans und die sinkende Bevölkerungsentwicklung in den kommenden Jahrzehnten dürfte Japan in Afrika mit seiner sehr jungen Bevölkerung einen zunehmend interessanter werdenden Kontinent entdecken lassen, insbesondere im Hinblick auf neue Absatzmärkte und mögliche afrikanische Arbeitskräfte für den japanischen Dienstleistungssektor.
Darüber hinaus sind die 54 Staaten Afrikas auch geopolitisch und strategisch von steigender Bedeutung, z.B. im Hinblick auf die Arbeit in den Vereinten Nationen (VN). Japan strebt seit Jahren einen Ständigen Sitz im VN-Sicherheitsrat an, auch afrikanische Staaten postulieren inzwischen mindestens zwei Sitze in diesem wichtigen Gremium. Gemeinsam mit den Stimmen afrikanischer Staaten dürfte eine Reform des VN-Sicherheitsrates mittelfristig wahrscheinlicher werden. Die Türkei verfolgt bei ihren engen Beziehungen zu afrikanischen Staaten übrigens ähnliche Motive. Auch China und Indien streben in ihren Beziehungen mit afrikanischen Staaten nicht nur nach Ressourcen und neuen Absatzmärkten, sondern auch nach neuen politischen Verbündeten, um in einer zunehmend multipolaren Welt Möglichkeiten für neue Allianzen offen zu halten. Senegal, als Land mit einer traditionell multidimensionalen und pragmatischen Außenpolitik, dürfte daher für verschiedene Länder ein interessanter Akteur für wirtschafts-, sicherheits- und geopolitische Vorhaben sein. Das westafrikanische Land ist jedenfalls auch weiterhin offen für neue Partner.
Bereitgestellt von
Auslandsbüro Senegal und Gambia
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