1. Erfolg im Megawahljahr 2018
Zwölf Jahre hat es gedauert und drei Anläufe hat Andrés Manuel López Obrador, kurz AMLO, gebraucht, bevor er bei der Präsidentschaftswahl am 1. Juli diesen Jahres mit rund 53% der Stimmen als eindeutiger Sieger hervorging und die Gegenkandidaten der PRI und der PAN in ihre Schranken wies.
Beachtlich ist neben der absoluten Parlaments-mehrheit in beiden Kammern auch wie flächendeckend der Wahlsieg AMLOs war: Bis auf den Bundesstaat Guanajuato konnte dieser in allen weiteren 31 Bundesstaaten eine klare Mehrheit erzielen.[1] In zwanzig davon überzeugte er mehr als die Hälfte der Wähler. In Tabasco, seinem Heimatbundesstaat, waren es imposante 80 Prozent. In 19 der 26 neu zu wählenden Landesparlamente erzielte AMLOs Partei MORENA ebenso eine Mehrheit und zwingt so zahlreiche Gouverneure in Landesregierungen ohne parlamentarische Mehrheit.
Einen so eindeutigen Wahlsieg hat es in Mexiko seit mehr als 30 Jahren nicht gegeben. AMLO ist zudem derzeit mit Zustimmungswerten von knapp 70 Prozent der mit Abstand beliebteste Spitzenpolitiker. Aus dieser Gemengelage des hohen Wahlsieges und seiner großen persönlichen Popularität ergibt sich eine formal starke demokratische Legitimation gepaart mit einer enormen Erwartungshaltung. Dies ist die Ausgangslage für den neuen Präsidenten Mexikos, der sein Amt am 1. Dezember nun auch offiziell antritt.
2. Entwicklungen seit der Wahl
Während AMLO und seine Anhänger euphorisch dem Beginn der sogenannten „Vierten Transformation“ entgegenfiebern, blickt der Rest der Nation mit gemischten Gefühlen auf den 1. Dezember.
Auf der einen Seite hegen viele nicht-traditionelle Links-Wähler die Hoffnung, dass mit ihm unliebsame oder vernachlässigte Themen aufgegriffen und ernsthaft angegangen werden. Armut, schlechte Bildungsmöglichkeiten, mangelnde Effizienz öffentlicher Dienste, Korruption und Gewalt bestimmen in Mexiko den Alltag vieler Menschen. Die vorherige PRI-Regierung unter Enrique Peña Nieto konnte hier nicht viel ausrichten, im Gegenteil, 2018 wird wahrscheinlich das Jahr mit den meisten gewaltsamen Toten in der jüngeren Geschichte Mexikos sein, während die Regierung die eigene Legislaturperiode bis zuletzt als Erfolg verkauft. Der Triumph AMLOs beruht deshalb nicht zuletzt darauf, dass er die strukturellen Missstände in Mexiko in den Fokus seines Wahlkampfes setzte, sondern auch darauf, dass er die Bürgerferne der alt eingesessenen politischen Eliten anprangerte und damit einen Nerv vieler seiner Landsleute traf. Sein Engagement für soziale Gerechtigkeit und die Tatsache, dass er in seiner Rhetorik die Unter- und Mittelschicht Mexikos stärker miteinbezog, wurde von vielen Wählern honoriert.
Populistische Tendenzen zeigen sich schon vor der Amtseinführung
Auf der anderen Seite bereitet der populistische Politikstil des künftigen Präsidenten vielen Demokratieverfechtern Sorge. Komplexen Sachverhalten begegnete er im Wahlkampf, aber auch in der laufenden Transitionsphase mit extrem vereinfachten Antworten. Seine Diskurse haben häufig einen moralisierenden Charakter und beruhen deswegen oft weniger auf einer rationalen Analyse der Situation oder der politischen Vorhaben. Er polarisiert gerne und spaltet so die Gesellschaft in zwei antagonistische Gruppen: Zum einen das „weise Volk“ und zum anderen die „korrupten Eliten“, wobei er nicht müde wird, das gute Urteilsvermögen des „Volkes“ zu betonen. [2] Gleichzeitig denunziert er die „Machenschaften“ der traditionellen politischen und ökonomischen Eliten des Landes. Gemeinhin bezeichnet er sie als „la mafia del poder“, also „die Mafia der Macht“. Gegen kritische Medien wehrt er sich ebenfalls zunehmend mit Spötteleien und typischen „Lügenpresse“-Vorwürfen. Als beispielsweise die konservativ-moderate Zeitung „Reforma“ im Juni den Skandal rund um MORENA und die Veruntreuung von Hilfsgeldern der Erdbebenopfer für Wahlkampfzwecke dokumentierte, stempelte AMLO das Nachrichtenblatt als „fifí“ ab, was so viel wie „Schickimicki“ bedeutet.[3]
Mehr Zentralismus und Autoritarismus
Ebenfalls noch vor Amtsantritt und mittels der Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses begann AMLO die Macht der nationalen Exekutive gegenüber den Landesregierungen massiv auszubauen und damit gleichzeitig oppositionelle Kräfte zu schwächen (die stärkste und im Grunde einzige Oppositionspartei im Land, die PAN, regiert aktuell 11 von 32 der mexikanischen Bundesstaaten). Am 22.11.2018 billigten beide Kammern des Kongresses die Schaffung von sogenannten „Superdelegierten“, die als Bindeglied zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen dienen sollen. AMLO verkauft diese föderale Strukturreform als Instrument für mehr Transparenz und zum Bürokratieabbau. Die Opposition, aber auch Journalisten und renommierte Akademiker sehen in dieser neuen Figur vielmehr einen raffinierten, machtpolitischen Schachzug. Denn de facto werden diese vom Präsidenten persönlich ernannten 32 regionalen Statthalter die Kontrolle über die Verteilung erheblicher Bundesmittel haben und somit die gewählten Landesregierungen, die wiederum in hoher finanzieller Abhängigkeit von den Zuwendungen des Bundeshaushaltes stehen, in Schach halten. Darüber hinaus wurde im gleichen Reformpaket darüber entschieden, das Militär weiter auf den Straßen Mexikos einzusetzen. Sie sollen auch ganz normale polizeiliche Aufgaben übernehmen, eine klare Kehrtwende von seinen Wahlversprechen. Ein anderes Alarmsignal bildet die baldige Ernennung des neuen Bundesstaatsanwalts, der entgegen aller Expertenmeinungen keine institutionelle Unabhängigkeit genießen, sondern direkt vom Präsidenten ernannt und ihm nahe stehen wird. Zudem kündigte AMLO an, das „Nationale System gegen Korruption“ beenden zu wollen, was im direkten Widerspruch mit seinem wichtigsten Wahlversprechen, die Korruption in Mexiko beenden zu wollen, steht.
Der Stopp des Flughafenbaus und eine verunsicherte Wirtschaft
Mexikos Wirtschaftselite, die Finanzwelt und ausländische Investoren sind seit dem Wahlergebnis stark verunsichert. Zunächst schien eine vorsichtige Annäherung stattzufinden, doch ihre Beziehung zum zukünftigen Präsidenten ist in den letzten Monaten komplizierter geworden. AMLO lud während seines Wahlkampfes und auch kurz nach den Wahlen zu gemeinsamen Gesprächen ein. Wochen später verhärteten sich die Fronten jedoch wieder[4], und spätestens seitdem der Bau des neuen Mega-Flughafens in Mexiko-Stadt durch eine vom zukünftigen Präsidenten organisierte „Volksbefragung“ abgesagt wurde, herrscht Eiszeit.[5] Unternehmerverbände reagierten mit vehementer Kritik. Die Absage sende eine „Botschaft der Unsicherheit an Märkte und Investoren“, warnte Juan Pablo Castañón vom Unternehmerverband CCE. Tatsächlich sank der Wert des mexikanischen Pesos um 3,6 Prozent gegenüber dem Euro und Dollar, der stärkste Verlust seit fast zwei Jahren. Der IPC-Index der mexikanischen Börse fiel um 4,2 Prozent.[6] Ein neuer Tiefstand wurde am 26.11. nach einer ähnlichen, noch umfangreicheren und ebenso improvisierten „Volksbefragung“ erreicht, nach der die Börse auf den Stand von 2014 zurückfiel. Wirtschaftsexperten schätzen die Kosten für den Baustopp des Flughafens auf 100 bis 150 Milliarden mexikanische Pesos (4,5 bis 7 Milliarden Euro).[7] Rund 500.000 Arbeitsplätze wären rund um das Bauvorhaben entstanden, mit diesen ist unter den Alternativplänen AMLOs vorerst nicht zu rechnen. Neben den verheerenden wirtschaftlichen Folgen wird der Entschluss auch wegen der nicht vorhandenen demokratischen Legitimität und Rechtskraft der Volksbefragung in Frage gestellt.
Von NAFTA zu USMCA
Zusätzlich zu diesen hausgemachten Unsicherheitsfaktoren kommen noch externe Faktoren hinzu, auf die die Regierung López Obradors wird reagieren müssen.
Am 30. September 2018 einigten sich Mexiko, die USA und Kanada auf das Nachfolgeabkommen NAFTAs, dem United States-Mexico-Canada-Abkommen, kurz USMCA. Wichtigste Änderungen sind hier die Modernisierung des Handelsabkommens, bspw. hinsichtlich Dienstleistungen und intellektuellen Eigentumsrechten, einem deutlich höheren Anteil von nordamerikanischer Eigenproduktion einschließlich eines Mindestlohnes im Automobilsektor, sowie einer sogenannten „sunset clause“. Das Abkommen läuft nach 16 Jahren aus, kann aber nach einer Überprüfung nach sechs Jahren um weitere 16 Jahre verlängert werden. Die meisten Experten stimmen damit überein, dass das neue USMCA-Abkommen trotz der Konzessionen im Automobilsektor ein Erfolg für Mexiko ist, vor allem vor dem Hintergrund, dass ein Freihandelsabkommen mit den USA für die mexikanische Wirtschaft alternativlos ist. Der jetzige Zeitplan sieht die Unterschrift des Vertrags durch Präsident Enrique Peña Nieto am 30.11., also an seinem letzten Amtstag, sowie die Abstimmung im US-Abgeordnetenhaus und Senat im Frühjahr 2019 vor. Durch den Gewinn des Abgeordnetenhauses durch die Demokraten in den Midterm-Wahlen am 6.11. haben diese jedoch stark an Einflussmöglichkeiten bzgl. des USMCA-Abkommens gewonnen und könnten diese nutzen, um Neuverhandlungen, z.B. bezüglich eines höheren Mindestlohns im Automobilsektor zu erzwingen. Die Regierung López Obradors wäre dann aufgrund der starken Abhängigkeit der mexikanischen Wirtschaft höchstwahrscheinlich zu weiteren Konzessionen gezwungen, die Obrador aber im Rahmen seiner nationalistischen Rhetorik der eigenen Bevölkerung nur schwerlich verkaufen könnte.
Die Migrantenkarawane als Beispiel eines weitreichenderen Problems
Ein weiterer externer Faktor, der jedoch starke innenpolitische Auswirkungen hat und weiter haben wird, ist die Migration aus dem „Nördlichen Dreieck“ Zentralamerikas, Honduras, El Salvador und Guatemala, durch Mexiko mit dem Ziel USA. Die am 13. Oktober aus Honduras gestartete „Migranten-Karawane“, die auf bis rund 7500 Personen angewachsen war, sorgte vor allem vor den Midterms am 6.11. durch die Tweets von Präsident Trump für öffentliches Aufsehen. Danach ebbte das öffentliche Interesse trotz der Ankunft eines Teils der Karawane in der Grenzstadt Tijuana merklich ab, bis eine Gruppe von rund 500 Migranten am 25.11. versuchte, die Grenze „gewaltsam“ zu überwinden. Unterdessen verhandeln beide Regierungen über das weitere Vorgehen: Grundzüge des Abkommens, das im Mai 2019 beschlossen werden soll, sind, dass Migranten, die Asyl in den USA beantragen wollen, während der Bearbeitung ihrer Anträge in Mexiko ausharren müssen, ein durch die USA finanziell unterstützter Entwicklungsplan für den Süden Mexikos sowie für das „Nördliche Dreieck“ Zentralamerikas.[8] Die zentralamerikanische Migration Richtung USA wird sich dadurch nur bedingt reduzieren lassen und López Obrador wird sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, Handlanger des Präsidenten Trump zu sein, wenn zentralamerikanische Migranten zu Tausenden in der Grenzregion zu den USA stranden. Schon jetzt warten mehr als 9000 Zentralamerikaner an der Grenze auf ihre Weiterreise in die USA und es kommt zu ersten sozialen Spannungen mit der mexikanischen Bevölkerung. Dass die Regierung AMLOs diese humanitäre und finanzielle Herausforderung bewältigen kann, ist vor dem Hintergrund der geplanten wirtschafts- und sozialpolitischen Vorhaben stark zu bezweifeln.
3. Wirtschafts- und sozialpolitische Vorhaben
Weitere Volksbefragungen
López Obrador will Geld sparen, aber vor allem will er die vermeintliche Machtposition der nationalen Wirtschaftsoligarchen einschränken.[9] „Die Zeit der Dominanz einer Minderheit und die Verquickung zwischen den politisch und wirtschaftlich Mächtigen ist nun vorbei. […] Die Regierung vertritt das ganze Volk“, sagte López Obrador während einer Pressekonferenz.[10] Es bleibt jedoch nicht bei der Volksbefragung zum Flughafenbau: Am 24. und 25. November ließ Lopez Obrador erneut über zehn zentrale Regierungsvorhaben „abstimmen“, wiederum mit einer fraglichen und kaum repräsentativen Methode. Es wurde über weitere große Infrastrukturprojekte, wie den Bau eines Touristenzugs „Tren Maya“, der wichtige Städte auf der yukatekischen Halbinsel, in Campeche und Tabasco verbinden soll, oder die Entwicklung einer Bahnverbindung zum Gütertransport zwischen dem pazifischen und atlantischen Ozean im Bundesstaat Oaxaca, eine Raffinerie in seinem Heimatstaat Tabasco sowie über Kernelemente seines Wohlfahrtsprogramms abgestimmt. Alle Vorhaben erfuhren eine breite „Zustimmung“ der Bevölkerung bei der Umfrage, was angesichts der Fragestellungen und der aktuellen Stimmung alles andere als verwunderlich ist. AMLO hat angekündigt, auch in Zukunft zahlreiche Volksbefragungen durchführen lassen zu wollen, um seine Politik zu „legitimieren“.
Eine staatsgeleitete Wirtschaft
Unter AMLO ist mit der Subventionierung strauchelnder Industrien oder die Bevorzugung des heimischen Produktionsstandortes durch protektionistische Maßnahmen zu rechnen. Wirtschaftsexperten und Unternehmerverbände fürchten, dass die genannten Infrastrukturprojekte nur ein erster Vorgeschmack sind: „Es ist schlecht um Mexiko bestellt, wenn AMLO sagt, dass es unerlässlich sei, mexikanische Industriezweige und Unternehmen zu schützen. Denn dafür ist es im besten Fall notwendig, ausländische Einfuhren zu beschränken und, im schlimmsten Fall, zu verbieten“, so Wirtschaftswissenschaftler und Journalist Arturo Damm.[11] Der Finanzexperte Fernando López Macari warnt: “Die Dominanz von MORENA im Kongress könnte bedeuten, dass Politikvorhaben durchgesetzt werden, ohne deren Kosten vorher abzuwägen.“ Juan Pablo Castañón vom CCE verglich AMLOs wirtschaftspolitische Vorhaben mit denen der 70er und 80er Jahre: „Wir befürchten, dass einige seiner Aussagen einer echten freien Marktwirtschaft und Offenheit entgegenstehen. Wir sind wegen jüngster Vorschläge zu Gunsten eines Importsubstitutionsmodells nervös. Dass er zudem für eine Selbstversorgung Mexikos wirbt, macht es nicht besser, im Gegenteil. Dies spricht von einer protektionistischen und geschlossenen ökonomischen Vision wie wir sie in den 70er und 80er Jahren erlebt haben“.
Revidierung der Energiesektorreform einschließlich bestehender Verträge?
Mitte August trat AMLO vor die Presse und kündigte an, elf Milliarden US-Dollar in die nationale Ölbranche investieren zu wollen. Es geht dabei vor allem um den Neubau und die Instandsetzung von Raffinerien im Land. Mexiko ist einer der größten Ölexporteure Lateinamerikas. Zugleich aber ist das Land der größte Importeur von Ölprodukten aus den USA. Davon will sich López Obrador freimachen. Im Jahr 2012 beschloss sein Vorgänger eine umfangreiche Energiereform, die den mexikanischen Energiesektor für ausländische Investoren öffnete. Seitdem wurden zahlreiche Konzessionen an ausländische Firmen für die Erdölförderung vergeben. Obwohl seine Parteifreunde beteuern, dass ihr Präsident keinerlei Einwände gegenüber ausländischem Kapital habe, geben sie auffällig schwammige Antworten auf die Frage nach der Einhaltung bereits abgeschlossener Verträge. "Wir von MORENA sind offen für Investitionen, wir sind offen für die Welt, wir sind offen für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Was die Ölverträge anbelangt, haben wir bereits oft genug gesagt, dass wir sie alle nacheinander, jeden einzelnen für sich, analysieren werden", so Rocío Nahle, die zukünftige Energieministerin.[12]
Konkrete Pläne für Ausgaben, nicht ausreichende Pläne für Einnahmen
Viel eindeutiger sind AMLOs Pläne im Bereich Soziales. Um größtmögliche gesellschaftliche Gleichheit zu schaffen, setzt er auf Reformen im Erziehungswesen, bei der Rente und für die Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Erwachsene. Für die Einführung einer erhöhten Pension für Rentner und Menschen mit Behinderung werden 132 Milliarden Pesos benötigt. Für sein staatliches Stipendienprogramm für Grundschulkinder wird mit einem Budget von 35 Milliarden Pesos gerechnet. Zudem kommen erhebliche Kosten für die Unterstützung von vier Millionen Oberstufenschülern und 300.000 Studenten dazu. Diese sollen vom Staat 2.400 Pesos monatlich erhalten. Vom Berufsschulprogramm „Jóvenes Construyendo Futuro“ („Jugend bildet Zukunft“), das AMLO ins Leben rufen möchte, sollen zwei Millionen junge Erwachsene profitieren. Hier werden sich die monatlichen Ausgaben voraussichtlich auf 3.600 Pesos pro Auszubildenden belaufen.
Für die Finanzierung dieser staatlichen Hilfsmaßnahmen setzt AMLO auf zwei Instrumente: Einen eisernen Sparplan und eine Reform zur Korruptionsbekämpfung im öffentlichen Dienst. Mitinbegriffen ist hier die Aufhebung der politischen und parlamentarischen Immunität. Korrupte Praktiken, wie Wahlbetrug, die Verwendung von staatlichen Haushaltsmitteln zur Bevorzugung von Kandidaten und politischen Parteien sowie Aktenfälschungen jeglicher Art sollen zukünftig als schwere Verbrechen gelten und somit härter geahndet werden als zuvor. Sein sogenannter „republikanischer Austeritätsplan“ besteht im Kern aus Gehaltskürzungen und der Abschaffung von Bonuszahlungen für Mandatsträger und Beamte des höheren und gehobenen Dienstes - das Präsidentenamt mit eingeschlossen - sowie umfangreiche Bürokratieabbauinitiativen.[13] Es darf aber angesichts der systemischen Korruption in Mexiko bezweifelt werden, dass diese volkswirtschaftliche Rechnung aufgeht: Finanzierung der sozialen Wohltaten durch Einsparungen, die sich durch die quasi auf Anordnung abgeschaffte Korruption ergeben. Es ist vielmehr zu befürchten, dass die Korruption, auch wenn der Präsident als Person mit gutem Beispiel vorangeht, auch weiterhin ein schwerwiegendes Problem in Mexiko bleiben wird, wenn die neue Regierung die Institutionen zu deren Bekämpfung nicht stärkt, sondern schwächt und wenn Gehaltskürzungen in so massiver Form eher als Anreiz dienen werden, die entgangenen Gehaltseinnahmen durch korrupte „Nebeneinnahmen“ zu kompensieren.
4. Ausblick
Die Erfahrung in Lateinamerika hat allzu oft gezeigt, dass das Zusammentreffen von komplexen Sachverhalten, strukturellen Problemen und institutionellem Versagen einerseits zu messianischen Versprechungen auf schnelle, unkomplizierte und schmerzfreie Lösungen für das gesamte Volk, andererseits - mehr oder minder rasch - in erneute Enttäuschung, Frustration und letztlich in autoritäre Strukturen führt. Venezuela und Nicaragua haben dies vorexerziert, Brasilien scheint auf einem ähnlichen Weg zu sein. Dabei ist es vergleichsweise irrelevant, ob diese populistischen Tendenzen linker oder rechter Ausprägung sind. Das Endergebnis ist eine sukzessive Schwächung der Demokratie (auch wenn diese durch Wahlen legitimiert wird) und eine Verhärtung autoritärer Praktiken und Strukturen. Noch ist es zu früh, dies im mexikanischen Fall abschließend zu konstatieren. Die AMLO-Begeisterung, die so weit geht, seinen Wahlsieg vom 1.7. als den „Beginn der Demokratie in Mexiko“ zu feiern, ist allerdings von gefährlicher Naivität. Die in diesem Bericht geschilderten Maßnahmen und politischen Entscheidungen, alle noch vor dem Amtsantritt AMLOs eingeleitet, weisen jedoch in eine besorgniserregende Richtung mit mehr Autoritarismus, weniger demokratischen Freiheiten, Schwächung des demokratischen Systems und Zuspitzung der Politik auf eine Person, den mexikanischen Messias AMLO. Es darf und muss bezweifelt werden, dass dieses Experiment die strukturellen Probleme Mexikos löst und erst Recht, dass dieser Weg zu einer Stärkung der Demokratie in Mexiko führt. Auch die mexikanische Bevölkerung scheint daran erste Zweifel zu haben, wenn man bedenkt, dass AMLOs jüngste Zustimmungswerte wenige Tage vor seiner Amtseinführung von zuletzt knapp 70 Prozent auf 55,6 Prozent gefallen sind.[14]
[1] Blomeier, Hans (2018): Mexiko vor der Wahl. Fußball statt Politik?, entnommen von: https://www.kas.de/laenderberichte/detail/-/content/mexiko-vor-der-wahl, am 14.11.2018.
[2] Sarmiento, Sergio (2018): Pueblo sabio, entnommen von: https://www.reforma.com/aplicacioneslibre/preacceso/articulo/default.aspx?id=138993&urlredirect=https://www.reforma.com/aplicaciones/editoriales/editorial.aspx?id=138993, am 15.11.2018.
[3] Monroy, Jorge (2018): AMLO seguirá usando el término “prensa fifí”, entonmmen von: ttps://www.eleconomista.com.mx/politica/AMLO-seguira-usando-el-termino-prensa-fifi-20181021-0003.html, am 15.11.2018.
[4] Ramírez Tamayo, Zacarías (2018): Aún está a prueba la relación entre AMLO y empresarios, entnommen von: https://www.forbes.com.mx/aun-esta-a-prueba-la-relacion-entre-amlo-y-empresarios/, am 16.11.2018.
[5] Maldonado, Mario (2018): AMLO y la nueva relación gobierno-empresarios, ennommen von: https://www.eluniversal.com.mx/columna/mario-maldonado/cartera/amlo-y-la-nueva-relacion-gobierno-empresarios, am 16.11.2018, und: Maldonado, Mario (2018): El hielo entre AMLO y Slim, entnommen von: https://www.eluniversal.com.mx/columna/mario-maldonado/cartera/el-hielo-entre-amlo-y-slim, am 16.11.2018.
[6] Ehringfeld, Klaus (2018): Künftiger Präsident Mexikos stoppt Milliarden teuren Flughafen-Neubau, entnommen von: https://www.handelsblatt.com/politik/international/mexico-city-kuenftiger-praesident-mexikos-stoppt-milliarden-teuren-flughafen-neubau/, am 16.11.2018.
[7] N.n. (2018): Costo de cancelar el NAIM será de 150 mil mdp… más la confianza en el país: IP, entnommen von: http://www.elfinanciero.com.mx/empresas/costo-de-la-cancelacion-del-naim-es-en-la-confianza-y-certidumbre-ip, am 16.11.2018.
[8] Lafuente, Javier (2018): Mexico negotiating “Marshall Plan” with Trump to combat Central American migration, entnommen von: https://elpais.com/elpais/2018/11/26/inenglish/1543213483_532579.html
[9] Maldonado, Mario (2018).
[10] Maldonado, Mario (2018).
[11] Damm, Arturo (2018): AMLO, proteccionista, entnommen von: https://heraldodemexico.com.mx/opinion/amlo-proteccionista-pesos-y-contrapesos/, am 18.11.2018.
[12] N.n. (2018): ¿Para qué quiere AMLO construir más refinerías en México?, entnommen von: https://adnpolitico.com/presidencia/2018/02/24/para-que-quiere-amlo-construir-mas-refinerias-en-mexico, am 16.11.2018.
[13] N.n. (2018): Trabaja el presidente electo de México, Andrés Manuel López Obrador en dos paquetes de iniciativas de reformas, entnommen von: https://lopezobrador.org.mx/2018/08/10/conferencia-de-prensa-posterior-a-reunion-con-ministros-de-la-sjcn/, am 18.11.2018.
[14] El Universal,, 26.11.2018
Bereitgestellt von
Auslandsbüro Mexiko
Themen
Über diese Reihe
Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist in rund 110 Ländern auf fünf Kontinenten mit einem eigenen Büro vertreten. Die Auslandsmitarbeiter vor Ort können aus erster Hand über aktuelle Ereignisse und langfristige Entwicklungen in ihrem Einsatzland berichten. In den "Länderberichten" bieten sie den Nutzern der Webseite der Konrad-Adenauer-Stiftung exklusiv Analysen, Hintergrundinformationen und Einschätzungen.
Bitte melden Sie sich an, um kommentieren zu können.