Das Coronavirus SARS-CoV-2 hat die Welt fest im Griff und wird schon heute als eine Jahrhundertkrise bezeichnet. Während fast alle Länder weltweit die Übertragung des Virus mittels massiver Einschränkungen des sozialen Lebens zu stoppen versuchen, nimmt der Einbruch der Weltwirtschaft immer drastischere Formen an. Auf den Energiemärkten zeigt sich das u.a. an den historisch niedrigen Ölpreisen. Für Asien könnten daraus erhebliche Konsequenzen entstehen. Die Sicherheit der Energieversorgung hat dort traditionell eine hohe politische Priorität. Das rasante Bevölkerungswachstum und die ökonomische Entwicklung der vergangenen Jahre haben die Region zudem zum weltweit führenden Energienachfrager gemacht. Schon jetzt zeigt sich, dass Asien von niedrigen Energiepreisen profitieren kann. Allerdings stehen dem zusätzlichen Kosten durch die Aufrechterhaltung der heimischen Energieproduktionskapazitäten gegenüber. Zudem verzögern unterbrochene Wertschöpfungsketten die Zulieferung von Bauteilen für erneuerbare Energie-Anlagen. Beim Klimaschutz zeigt sich, dass dieser relativ teurer wird und nach der Krise nicht zwingend an erster Stelle des Wiederaufbaus stehen muss.
Pandemie und Energie in Asien
Die ökonomischen Verwerfungen der Coronavirus SARS-CoV-2-Pandemie sind erheblich. Die Pandemie wirkt aufgrund der politisch herbeigeführten Vollbremsung der Wirtschaft – Lockdowns – als massiver Nachfrage-Schock. Während die Politik in Industrieländern für die Privatwirtschaft erhebliche Kredite zur Verfügung stellt, um die Solvenz für Dienstleistungen und Produktionsbetriebe aufrechtzuerhalten – aber auch, damit aus der Wirtschaftskrise keine Finanzkrise wird –, zeichnen sich erste konkrete Auswirkungen auf einzelne Sektoren ab. Der Energiesektor, einer der aussagekräftigsten Indikatoren für wirtschaftliche Entwicklungen lässt dabei leider nichts Gutes erahnen.
Die Preise für Öl und Gas befinden sich auf einem historischen Tiefststand. Ausgangspunkt für diese Entwicklung waren zeitweise Produktionsausfälle, während des Coronavirus SARSCoV- 2-Ausbruchs in China, dem größten Öl- und Gasimporteur der Welt. Verschärft wird der Energienachfrage-Schock durch einen Ölpreiskrieg zwischen Russland und Saudi-Arabien in Folge des chinesischen Energienachfrageeinbruchs. Beide gehören zu den größten Ölexporteuren der Welt und überschwemmen gegenwärtig den Weltmarkt mit billigem Öl. Andere Anbieter, vor allem unabhängig und privatwirtschaftlich agierenden Energieunternehmen geraten deshalb zunehmend in Finanzierungsschwierigkeiten. Von dieser Entwicklung sind auch die USA schwer betroffen, deren Schieferölindustrie in den vergangenen Jahren mit einer aggressiven teilweise schuldenfinanzierten Preispolitik global expandiert hat. Aber auch Länder deren Staatshaushalte sich vorwiegend aus dem Export fossiler Energieträger finanzieren, müssen erhebliche Einbußen hinnehmen. Mit einer schnellen Erholung der Energienachfrage ist indes nicht zu rechnen ist. Immer mehr Länder weltweit gehen in den Lockdown.
China hat das Virus mittlerweile weitgehend unter seine Kontrolle gebracht und versucht, seine Wirtschaft schrittweise wieder hochzufahren. In diesem Kontext profitiert es auch von dem niedrigen Ölpreis, indem es Öl jetzt kauft und seine Reserven aufstockt.1 Allerdings ist China zugleich Ölproduzent und muss Verluste der heimischen Ölindustrie auffangen. Die chinesischen Raffinerien, die u.a. Diesel und Benzin herstellen und sich in der Region in den vergangenen Jahren zu einem Hub entwickelten, können nun zwar günstiger produzieren allerdings muss sich noch zeigen, ob regionale Nachfrage ausreicht, um davon tatsächlich zu profitieren. Die Hoffnung, dass Südkorea und Japan, zwei der größten Energieimporteure in der Region, die regionale Energienachfrage wieder ankurbeln könnten, ist gegenwärtig kein Automatismus. Dessen ungeachtet stellt die Erholung der chinesischen Energienachfrage für die weitere Entwicklung der Wirtschaft in der Region eine zentrale Orientierungsgröße dar.
Die Pandemie trifft in Asien auch auf einen Energiemarkt, der sich gerade erst von den Auswirkungen des Handelskonflikts zwischen den USA und China erholt. Die chinesische Energieversorgungssicherheit berührte der Konflikt zwar kaum, da China über ausreichend Energieimportalternativen verfügte. Allerdings ließ der Konflikt vor dem Hintergrund einer allgemeinen Investitionsunsicherheit in der Region eine Restrukturierung der Energiemärkte erkennen. Die Pandemie verschärft zudem den Druck auf die Umsetzung des Phase 1 Handelsabkommens. Darin verpflichtet sich China nämlich, den USA u.a. Energiegüter im Wert von über 54 Milliarden USD abzukaufen. Eine Vereinbarung, die gegenwärtig nur schwer zu erfüllen ist. In Asien trifft der Energienachfrage-Schock im Grunde alle Energieexporteure. Im Bereich Gas sind es in Zentralasien Turkmenistan, Kasachstan, und Usbekistan, die über Pipelines u.a. nach China exportieren. In Südostasien sind vor allem die indonesischen und malaysischen LNG-Exporte betroffen. Australien als größter asiatischer LNG-Exporteur muss ebenfalls Einnahmerückgänge verkraften. Im Bereich Kohle trifft es insbesondere die Kohleexporteure Australien und Indonesien, deren Hauptabsatzmärkte in China, Indien und Südkorea liegen.2 Neben China ist Indien einer der größten Kohleimporteure in der Region. Der Gegenwärtige Lockdown führt dort vor allem zu logistischen Schwierigkeiten beim Kohleimport, da die entsprechenden Häfen teilweise geschlossen sind.
Indien, das sich vor dem Ausbruch der Pandemie auf dem Weg befand, China als weltgrößter Ölimporteur abzulösen, nutzte wie auch China den niedrigen Ölpreis, um seine Reserven aufzufüllen. Allerdings war es auch von unterbrochenen Lieferketten seitens Chinas betroffen. Vor allem Bauteile wie Solarpanels für Erneuerbare Energie-Anlagen führten zu Projektverzögerungen, sodass indische Behörden Force Majeure-Klauseln akzeptieren. Aber auch Kohlekraftwerke, die von chinesischen Firmen in Indien gebaut und betrieben werden, könnten davon betroffen sein. Mit weiteren Verzögerungen vor allem bei der Lieferung von Bauteilen für Erneuerbare Energien-Anlagen muss gerechnet werden, da immer mehr Länder wie Thailand, Malaysia, Vietnam und Indien selbst, die in diesem Bereich produzieren, in den Lockdown gegangen sind. Die Lockdowns verursachen damit Energieversorgungsrisiken, die den günstigen Energiepreisen entgegenstehen.
Nach dem Virus?
Die Auswirkungen der Pandemie auf den globalen Energiesektor sind verheerend. Viele Energieunternehmen werden in wirtschaftliche Schieflagen geraten bzw. sind es schon. Selbst negative Ölpreise sind denkbar geworden. Mittlerweile finden zwischen Russland und Saudi-Arabien wieder Verhandlungen statt, um den Ölpreiskrieg zu beenden. Dessen ungeachtet bleibt es aber offen wie lange der globale Energienachfrage-Schock aufgrund der weltweiten Lockdowns noch anhält. Eine schnelle Erholung ist wohl allein vor diesem Hintergrund nicht zu erwarten.
Es droht eine Verstaatlichungswelle der privaten und unabhängigen Energiewirtschaft weltweit. Viele Regierungen werden dabei entscheiden müssen, welche Bereiche der Energiewirtschaft sie als systemrelevant erachten und unterstützen. Wobei schon heute absehbar ist, dass die erneuerbaren Energien gerade in Asien noch nicht die entscheidende politische Rolle in der Energieversorgung einnehmen und deshalb vermutlich nicht an erster Stelle für staatliche Unterstützung stehen. Es ist denkbar, dass viele asiatische Länder, die über heimische fossile Ressourcen verfügen, gerade diese fördern, um schnell Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu sichern. Der CO2-Einsparungseffekt, den der globale Lockdown, ausgelöst hat, wird dadurch wohl allenfalls kurzfristig sein.
Die Pandemie könnte insgesamt für den Klimaschutz zur Gefahr werden, da er aufgrund der günstigen Ölpreise relativ teurer wird. Diese Kosten könnten sich noch einmal erhöhen, wenn in Folge der Pandemie hochverschuldete Staaten beginnen Einsparungen vorzunehmen. Subventionen und öffentliche Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien könnten dabei als erstes gekürzt werden. Dem privaten Finanzsektor kommt vor diesem Hintergrund eine besondere Bedeutung zu. Er könnte an dieser Stelle nämlich einspringen und den in den vergangenen Jahren in Asien massiv vorangeschrittene Ausbau der erneuerbaren Energien fortführen. Die Suche nach gewinnbringenden Geschäftsmodellen in der Energiebranche könnte dafür ein Treiber sein. Im Bereich der fossilen Energieträger lässt sich voraussichtlich nur wenig verdienen.
Ein anderer Klimaeffekt in Folge der Pandemie könnte von einer geringeren globalen Mobilität ausgehen. Es wird sich nämlich im Anschluss an die Krise erst noch zeigen, ob die Mobilität, wie wir sie kennen, überhaupt auf das Vorkrisenniveau zurückkehrt. Der Energieverbrauch der Mobilität sei es in der Luftfahrt- oder Autosektor könnte geringer ausfallen, je länger die Krise andauert – mit drastischen ökonomischen und strukturverändernden Folgewirkungen für die entsprechenden Industrien. Die Globalisierung ist damit aber nicht abgesagt. Im Gegenteil, sie geht vielleicht einfach nur in eine neue Phase über. Was die Krise nämlich bisher gezeigt hat ist, dass aus der eingeschränkten Mobilität eine höhere digitale Konnektivität hervorging. Dem Klima könnte das nutzen. Die Umbrüche in den Verkehrsbranchen könnten allerdings erheblich sein.
1 Vgl. Downs E., Half A., Sandalow D., and Blanton E. (25.03.2020): China and the Oil Price War: A Mixed Blessing, Columbia l SIPA, Centre for Global Energy, https://energypolicy.columbia.edu/research/commentary/china-and-oil-price-warmixed- blessing, Abs. 12 ff. [02.04.2020].
2 Russel C. (03.03): COLUMN-Seaborne coal's struggles in Asia are more than just China coronavirus: Russell, Reuters, https://www.reuters.com/article/column-russell-coalasia/ column-seaborne-coals-struggles-in-asia-are-more-than-just-china-coronavirusrussell- idUSL4N2AW19H [02.04.2020].
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