Dr. Mukwege[1] hatte am Vortag in der Debatte im Sicherheitsrat zu sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten unter deutschem Vorsitz ein Plädoyer für den Kampf gegen die Straflosigkeit und eine umfassende Unterstützung der Opfer gehalten. Deutschland, das sich prioritär dem Thema Frauen, Frieden, und Sicherheit im Rahmen der nicht-ständigen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat widmet, brachte in dieser Sitzung eine UN-Resolution zu sexueller Gewalt in Konflikten ein, die von 13 Mitgliedern angenommen wurde (Enthaltungen von Russland und China).
In der KAS-Diskussionsrunde nahm Dr. Mukwege Bezug auf die Dynamik der Sicherheitsratssitzung und globale politische Entwicklungen. Er sieht heute mehr denn je die Notwendigkeit, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen und für diese zu kämpfen. Für ihn, der zum zweiten Mal den Mitgliedern des Sicherheitsrats vortragen durfte, war es ernüchternd zu sehen, dass man zwar die Rhetorik angepasst hat, aber ständige Mitglieder des Sicherheitsrates noch immer darauf beharren, dass dieser sich in seinem Mandat bewegen müsse. Für Dr. Mukwege ist sexuelle Gewalt nicht nur ein Akt des Terrors der Individuen zerstört, sondern gleichermassen Familien zerrüttet und Gesellschaften untergräbt. Sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten ist für ihn ein Thema, das auf der Agenda des Sicherheitsrates gehört. Mitgliedstaaten wie auch die Zivilgesellschaft müssen wachsam bleiben und sich dafür engagieren, dass dies auch zukünftig geschieht. Zu häufig ist in jüngster Zeit zu beobachten, dass von etablierten Demokratien, Institutionen zur Stärkung von Demokratie und Menschenrechten geschwächt (z.B. Visa-Verweigerung der USA für ICC Chefanklägerin Fatou Bensouda) und Instrumente zum Kampf gegen die Straflosigkeit demontiert werden.
Als grösste Herausforderung im Kampf gegen die Straflosigkeit sieht Dr. Mukwege den Aspekt der Beweissicherung. Informationsvermittlung zu den Rechten der Opfer und deren Zugang zur Justiz sind wichtige Elemente im Kampf gegen die Straflosigkeit. Viel zu lange konnten die Täter mit dem Schweigen der Opfer rechnen. Allerdings stellt die Sicherstellung von Beweisen heute das schwierigste Problem dar, zumal auf diese der justizielle Prozess aufbaut. Häufig kann zwar der Beweis für die Anwendung sexueller Gewalt geführt, aber der Täter nicht eindeutig identifiziert werden. Hier bedarf es sowohl auf Seiten der Legislative als auch der Judikative neuer Überlegungen, wie man dieses Problem adressieren kann. In Fällen, in denen die Täter bekannt seien, fordert Dr. Mukwege, dass auch die Internationale Gemeinschaft dafür Sorge tragen müsse, dass ein Sanktionsregime etabliert werde.
Im Rahmen der Diskussionsrunde bat Dr. Mukwege die Teilnehmer, aktiv an der Ausgestaltung eines globalen Fonds für Reparationen an Opfer sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten mitzuwirken. Dabei sollten nicht nur individuelle Reparationszahlungen, sondern auch kollektive bzw. symbolische Entschädigungen in Erwägung gezogen werden. Gleichermassen gehe es darum, den Widerstand von Ländern zu minimieren, die aufgrund ihrer eigenen Vergangenheit befürchten, dass ein solcher Fonds Pandoras Box öffnen könnte.
Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen im Ost-Kongo plädierte Dr. Mukwege dafür, dass insbesondere bei Reformen des Sicherheitssektors und der Integration von Milizen im Rahmen von Friedensprozessen verstärkt darauf geachtet werde, dass Täter nicht zu den neuen „Beschützern“ der Opfer werden. Hier müssten weitreichende Überprüfungen stattfinden, welche gerade von zivilgesellschaftlicher Seite einzufordern seien.
Für den Friedensnobelpreisträger sind zivilgesellschaftliche Organisationen, insbesondere auch lokale Basisorganisationen, wichtige Partner im Kampf gegen die Straflosigkeit. Nur durch sie können Informationen der begangenen Menschenrechtsverletzungen gesammelt, Opfer zu ihren Rechten sensibilisiert und die internationale Staatengemeinschaft immer wieder daran erinnert werden, dass sexuelle Gewalt als Waffe in bewaffneten Konflikten eine Verletzung von Frieden und Sicherheit darstellen.
[1] Arzt und Gründer des auf die Behandlung von Opfern sexueller Gewalt in Konflikten spezialisierten Krankenhauses in Panzi, Ost-Kongo
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