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Veranstaltungsberichte

Gegenwärtige Entwicklungen und Trends des Terrorismus erkennen

von Norman Siewert, Nikola Künder
Das diesjährige Arbeitstreffen des KAS-Arbeitskreises „Terrorismus und Innere Sicherheit“ stand unter dem Titel „The Future of Terrorism“. Vom 30. Oktober bis 1. November trafen sich die Mitglieder im nahe Berlin gelegenen Zeuthen, um sich über die gegenwärtigen Veränderungen und Trends des nationalen und transnationalen Terrorismus zu verständigen.

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Dr. Ellinor Zeino, ehemalige Leiterin des KAS-Auslandbüros in Marokko

Der Schwerpunkt der Fachvorträge und intensiven Gesprächsrunden lag auf den Bedrohungen durch dschihadistische Organisationen. Ferner wurden aktuelle Herausforderungen durch die extreme Rechte in Deutschland und Europa diskutiert. Die fachliche Expertise der teilnehmenden Mitglieder des Arbeitskreises, der nun Teil des Teams Außen-, Sicherheits- und Europapolitik unter der Leitung von Nils Wörmer ist, wurde ergänzt durch herausragende Referenten, die über ihre Forschung oder aus ihrer praxisorientierten Arbeit berichteten.


Dr. Hans-Jakob Schindler, Senior Director des Counter Extremismus Project, New York

Die Zukunft des „Islamischen Staates“ und Al-Qaidas


Den Eröffnungsvortrag hielt der Senior Director des Counter Extremism Project in New York und ehemaligen Koordinator des ISIL, Al-Qaida and Taliban Monitoring Teams bei den Vereinten Nationen, Dr. Hans-Jakob Schindler. Er referierte zur aktuellen Verfasstheit des „Islamischen Staates“ (IS) und Al-Qaidas. Es ging dabei nicht nur um die Kern-Organisationen, sondern auch um deren weltweite Ableger. Die Bedrohung verändere sich, bleibe allerdings präsent, so Dr. Schindler. Im Kern entwickele sich der IS (bzw. ISIL) von einer proto-staatlichen Organisation zu einem “klassischen” Terrornetzwerk. Er sei zwar im Irak militärisch geschlagen, unterhalte jedoch weiterhin aktive Zellen, die auch Anschläge verübten. Dr. Schindler skizziert zwei Szenarien: Entweder IS und Al-Qaida grenzen sich weiterhin strikt voneinander ab oder sie verbinden sich perspektivisch zu einem terroristischen Netzwerk. Für letzteres Szenario spräche immerhin einiges.

In den Folgevorträgen standen die nordafrikanischen Staaten Algerien, Marokko und Libyen im Fokus. Welche Bedeutung besitzen sie für den transnationalen Dschihadismus heute? Dr. Ellinor Zeino, ehemalige Leiterin des KAS-Auslandbüros in Marokko, führte aus, dass Algerien, das Ursprungsland des Dschihadismus in Afrika, enorm an Bedeutung für die Bewegung verloren habe. Für Marokko hingegen stellten die zahlreichen potentiellen IS-Rückkehrer eine große Sicherheitsbedrohung dar. Das Land setze daher verstärkt auf Kontrolle und Überwachung durch die Sicherheitskräfte, insbesondere an den Grenzen. Das nach wie vor instabile Libyen stelle dagegen eine ungleich größere Herausforderung für die gesamte Region dar, machte AK-Mitglied und Research Fellow am International Centre for the Study of Radicalisation (ICSR) Inga Trauthig anschließend deutlich. Der IS sei dort nach einigen Jahren der Ruhe wieder aktiv geworden. Zusätzlich gebe es vor Ort eine neue, ideologisch flexible Strömung des Salafismus, die an Einfluss gewinne.

Nils Wörmer, ehemaliger Leiter des KAS-Auslandbüros Syrien/Irak, berichtete im Anschluss daran über seine Eindrücke aus einer gerade wenige Tage zurückliegenden Irak-Reise, bei der er die Gelegenheit hatte, die kriegsversehrte Millionenstadt Mosul zu besuchen. Der IS sei zwar überwiegend besiegt worden, besitze aber weiterhin einige „Hotspots“, insbesondere in der Provinz Anbar im Westen. Nach wie vor gebe es für ihn ein signifikantes Potential, sich dauerhaft zu halten oder sogar wieder stärker zu werden. Für die irakische Regierung habe der Kampf gegen den IS spürbar an Priorität verloren. Unglücklicherweise komme hinzu, dass die strukturellen Probleme, die einst zur Bildung und zum Aufstieg des IS führten, bislang keineswegs gelöst wurden.


Präventionsstrategien und polizeiliche Terrorismusbekämpfung

Wie wichtig die Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste auf EU-Ebene ist, legte Franca König, ebenfalls AK-Mitglied und Wissenschaftlerin am Jacques Delors Institut, in ihrem Beitrag dar – wie komplex die Strukturen sind ebenfalls. Trotz aller Bemühungen um einen verbesserten Datenaustausch, eine effektive Koordination und Unterstützung zwischen den EU-Mitgliedsländern u.a. im Rahmen von Europol, Frontex und Eurojust bestünden jedoch weiterhin erhebliche Herausforderungen aufgrund einer unzureichenden Datenzufuhr, einer begrenzten Bereitstellung von Ressourcen und Kapazitäten sowie lückenhaften Informationen und einer noch nicht ausreichenden Koordination.

Einen Überblick über das salafistische Milieu in Deutschland und aktuellen Präventionsansätzen gab Caspar Schliephack, AK-Mitglied und Bildungsreferent im Verein Demokratie und Integration Brandenburg (RAA Brandenburg). Es sei eine Fragmentierung der dschihadistischen Bewegung zu erkennen, die auf Verbote und das Zerschlagen von Strukturen und Gruppen zurückzuführen sei, so Schliephack. Dennoch habe diese Fragmentierung keinerlei Auswirkungen auf den Salafismus in Deutschland. Seit 2011 habe sich die Zahl hier verdreifacht. Vor allem in den ländlichen Gebieten breite sich die Szene aus, weil dort häufig qualifizierte Prediger in den Moscheegemeinden fehlten. Erschwert werde die Präventionsarbeit durch das polarisierte gesellschaftliche Klima und die zunehmende Emotionalisierung in der Bevölkerung sowie unter Flüchtlingen. Daher sei bei der Aufklärung eine erhöhte Sensibilität geboten.

Tim Segler, AK-Mitglied und Koordinator im Thüringer Innenministerium, gab anschließend einen detaillierten Überblick über die deutsche Sicherheitsarchitektur. Seine historische Gesamtschau zeigte, dass diese auf Bedrohungslagen meist im Nachhinein reagiere. Das sicherheitspolitische Trauma des 11. September 2001 und die Aufdeckung der NSU-Terrorzelle 2011 markierten wichtige Zäsuren im Umbau der Polizeibehörden und Nachrichtendienste, um der terroristischen Bedrohung adäquat begegnen zu können. Dabei habe es laut Segler wichtige und erfolgreiche Reformen gegeben wie die Einrichtung des Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrums (GTAZ). Mittlerweile laufe die deutsche Sicherheitsarchitektur jedoch Gefahr, durch zunehmende Nachbesserungen, die zumeist die Nachteile der föderalen Ordnung ausgleichen sollten, übersteuert zu werden. Wichtig sei darum vor allem die bundesweite Harmonisierung gesetzlicher und institutioneller Befugnisse und Handlungskompetenzen der Sicherheitsbehörden.



Inga Trauthig, Research Fellow am International Centre for the Study of Radicalisation (ICSR)

Islamismus und Rechtsextremismus – Kommunizierende Röhren?


Abschließend widmete sich Jakob Guhl vom Londoner Institute for Social Dialogue (ISD) den begünstigenden Faktoren, Trends und Szenarien im Phänomenbereich Rechtsextremismus. Sein Fokus lag hierbei auf den Sozialen Medien. Er konstatierte zunächst, dass sich eine Plattformwanderung feststellen lasse – von den großen und weitverbreiteten Plattformen wie Facebook würden rechtsextreme Inhalte verschwinden, weil sie häufig gelöscht werden. Vermehrt fänden sich derartige Inhalte auf alternative Plattformen. Zwischen Rechtsextremen verschiedener Länder lasse sich ferner eine Kooperation und taktische Zusammenarbeit feststellen, die jedoch nicht spannungsfrei verlaufe. Besonders das „Mainstreaming“ müsse indes große Sorgen bereiten. Das heißt, der öffentliche Diskurs öffne sich zunehmend für rechtsextreme Inhalte und Narrative. Hier sieht Guhl die Medien in der Verantwortung zur kritischen Hinterfragung und Bewertung.

Nicht zuletzt bei Guhls Beitrag wurde deutlich, dass rechtsextremistische Gruppierungen und Medien in einem starken wechselseitigen Verhältnis mit dschihadistischen Bewegungen stehen. Zweifellos beförderte die Terrorkampagne des IS seit 2014 das Erstarken des Rechtsextremismus und des rechtsradikalen Populismus in den westlichen Ländern. Das machte auch Dr. Schindler deutlich. Beide Phänomentypen radikalisieren sich gegenseitig, indem sie die jeweilige Gegenseite gezielt provozieren und mitunter sogar Methoden voneinander kopieren. Diese Eskalationsdynamik wird zukünftig eine enorme Herausforderung für die liberalen Demokratien darstellen und wird somit verstärkt auch die Aufmerksamkeit der Terrorismusbekämpfung auf sich ziehen. Das war ebenfalls eine wichtige Erkenntnis des diesjährigen Workshops, an der sich die Arbeit des Arbeitskreises zu orientieren haben wird.



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Kontakt

Norman Siewert

norman.siewert@kas.de

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Über diese Reihe

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