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Veranstaltungsberichte

Internet und Kriminalität als Faktoren der extremistischen Radikalisierung im Islamismus

von Norman Siewert, Nikola Künder

Zum 4. Arbeitstreffen des Arbeitskreises „Terrorismus und Innere Sicherheit“

Anfang März trafen sich die Mitglieder des KAS-Arbeitskreises „Terrorismus und Innere Sicherheit“ erneut im beschaulichen Cadenabbia am Comer See. Dort suchten sie den intensiven Austausch untereinander und mit Experten auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung. Der Schwerpunkt des zweitägigen Arbeitstreffens lag dieses Mal auf den Themen Online-Radikalisierung und dem Nexus zwischen Kriminalität und Terrorismus.

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Das Programm des diesjährigen Arbeitstreffens des Arbeitskreises war wieder vielfältig und abwechslungsreich gehalten. Die geladenen Experten aus Wissenschaft und Praxis gaben einen detaillierten Überblick über extremistische Online-Strategien, die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen im Internet, die Bedeutung „Sozialer Netzwerke“ für islamistische Radikalisierung in Nordafrika und die Frage, wie Kriminalität und Radikalisierungsverläufe zusammenhängen. Darüber hinaus dienten die Tage des angeregten Austauschs. Bei angenehmen Wetter und freiem Blick auf den Comer See erarbeiteten die Mitglieder des Arbeitskreises Analysen zu aktuellen Problemlagen sowie geeignete Lösungsvorschläge.

Extremistische Radikalisierung im Internet

Der erste Tag des Arbeitstreffens war durch zwei intensive Diskussionsrunden mit externen Referenten geprägt, die eigens aus Großbritannien, den USA und sogar Finnland angereist waren. Das erste Panel stand unter der Fragestellung, wie das Internet und „Soziale Medien“ für extremistische Radikalisierung missbraucht werden: Den Anfang machte Nava Zarabian, Fachreferentin für Islamismus im Internet bei jugendschutz.net. Sie sprach darüber, auf welche Weise sich Extremisten online an Kinder und Jugendliche wenden. Veranschaulicht wurde dies mit einigen Beispielen aus den „Sozialen Medien“. Besonders stark werde ihr zufolge die bei Jugendlichen besonders beliebte Plattform Instagram genutzt. Dabei übernehmen Islamisten beliebte Hashtags, um ihre eigenen Inhalte zu verbreiten und für eine große Masse an Jugendlichen sichtbar zu machen. Ein weiteres gern genutztes Online-Werkzeug sind Memes, bei denen populäre Bilder – z.B. aus Filmen, Werbung usw. – mit islamistischen Botschaften versehen und verbreitet werden. Um bereits Kinder als Zielgruppe zu erreichen, wurden sogar Apps entwickelt, in denen spielerisch Gebete, Symbole und Narrative der Ideologie des „Islamischen Staates“ vermittelt werden. Besonders Verhängnisvoll ist, dass der extremistische Inhalt oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist.

Moonshot CVE liefert digitale Antworten und alternative Web-Angebote für radikalisierungsgefährdete Internetnutzer, die online gezielt nach extremistischen Inhalten suchen. Catriona Scholes ist Projektmanagerin und gab einen spannenden Einblick in die Arbeit von Moonshot CVE. Zum einen kartieren sie dort gefährdete Gruppen und Regionen, wie z.B. eine Heatmap der USA, wo dschihadistische Inhalte gesucht werden, oder führen in Kooperation mit Google eine Datenbank über Inhalte, welche von Extremisten gesucht werden. Zum anderen intervenieren sie online durch personalisierte Messaging-Programme oder die Schaltung von Werbeanzeigen bei Google, sodass Nutzer direkt auf andere Inhalte umgeleitet und hoffentlich nicht radikalisiert werden.

Über die spezifische Situation in Finnland referierte abschließend Jari Taponen, Polizei Helsinki. Sein Fokus lag dabei vor allem auf der Frage, wie Radikalisierung prinzipiell vorgebeugt und wie bereits radikalisierte Menschen wieder in die Gesellschaft zurückgeholt werden können. Zunächst berichtete er, dass in Finnland lange Zeit der Begriff „Terrorismus“ vorwiegend genutzt wurde, wenn ein internationaler Zusammenhang bestand. Das änderte sich erst in jüngster Vergangenheit. Der Blick auf Terrorismus und Radikalisierung hat sich auch dort angesichts der zurückliegenden Entwicklungen verändert. So wurde bspw. im Jahr 2017 das Safe Helsinki Network ins Leben gerufen, das sich aus 29 verschiedenen lokalen Behörden und NGO’s zusammensetzt. Es hat zum Ziel, den Zusammenhalt in Finnland zu verbessern und gesellschaftliche Polarisierung zu vermeiden. Hierbei fokussiert man sich insbesondere auf die Stärkung der staatsbürgerlichen Kompetenz, da diese als die effektivste Anti-Radikalisierungsmaßnahme angesehen wird. Indes wird der Dialog mit radikalisierten Menschen gezielt gesucht. Taponen betonte in diesem Zusammenhang, wie wichtig seriöse, unaufgeregte Polizeiarbeit sei und dass das gesellschaftliche Vertrauen in die Polizeibeamten ein elementarer Baustein für die Radikalisierungsprävention sowie auch für die Deradikalisierung sei.

Über den Zusammenhang von Kriminalität und Terrorismus

Dass selbst religiös-motivierte Terroristen klein- bis schwerkriminelle Biographien aufweisen, ist spätestens seit dem Fall „Anis Amri“ in Deutschland bekannt. Wie bedeutend der Zusammenhang zwischen Terrorismus und krimineller Vergangenheit ist, dazu forscht Kacper Rekawek, Leiter der Defense & Security-Abteilung bei GLOBSEC. Er gab im zweiten Panel einen bemerkenswerten Einblick in den sogenannten „Crime-Terror-Nexus“. Seine Forschung bezog sich auf verhaftete Terroristen sowie auf terroristische Verdächtige, die getötet oder ausgewiesen wurden. Mit Blick auf die Daten werde deutlich, dass ein Drittel der europäischen Dschihadisten zuvor kriminell war. Die meisten dieser Terroristen wurden für Diebstahl oder Drogendelikte verhaftet. Es folgen sexueller Missbrauch, Raub und Waffengebrauch. Finanziert werden terroristische Aktivitäten hingegen häufig durch legale Geldmittel wie dem eigenen Gehalt oder schlicht Erspartes. Eine kausale Verbindung zwischen Kriminalität und Terrorismus gibt es daher zwar nicht, jedoch lässt sich ein Crime-Terror-Nexus auch nicht leugnen. Kriminalität ist unzweifelhaft ein nicht zu unterschätzender Radikalisierungsfaktor.

Als einen sehr spezifischen – und durchaus umstrittenen – Aspekt von Kriminalität problematisierte der letzte Beitrag den Zusammenhang von illegaler Migration und Radikalisierung am Beispiel Marokkos. Amine Ghoulidi, Geschäftsleiter von Dispatch Diligence, erläuterte, welche Rolle hierbei „Soziale Medien“ spielen. Für den dschihadistischen Islamismus stellt Marokko eines der wichtigsten Rekrutierungsreservoirs dar, strategisch günstig liegt es außerdem an einer zentralen Flüchtlingsroute zwischen Afrika und Europa. Von hier aus starten nicht nur afrikanische Flüchtlinge, sondern auch zahlreiche Marokkaner den beschwerlichen Weg, illegal in die EU einzureisen. Diese Schnittstelle macht das Land zu einem besonderen Zielobjekt islamistischer Mobilisierungsstrategien. Hinzu kommt, dass die marokkanische Gesellschaft vergleichsweise Internet-affin ist. Vor allem das Thema Migration nach Europa nimmt unter jungen Marokkanern einen hohen Stellenwert in der Internetnutzung ein. Islamisten finden in dieser Gemengelage eine geeignete Basis vor, um über die „Sozialen Medien“ ihren Einfluss in dem besonders radikalisierungsgefährdeten Milieu (desillusionierter) illegaler Migranten auszubauen.

Was folgt daraus?

Den darauffolgenden Tag nutzte der Arbeitskreis dazu, die in den Expertenrunden vermittelten Impulse noch einmal intern zu diskutieren und auf Grundlage dessen eigene Analysen und Handlungsempfehlungen zu entwickeln bzw. weiterzuentwickeln. Mit dieser unvollendeten Aufgabenstellung im Gepäck und unter dem Eindruck frühlingshafter Vorboten reisten die Teilnehmer schließlich ab. Die Arbeitspapiere, die auf diesem arbeitsreichen Wochenende beruhen, werden demnächst veröffentlicht werden.

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Kontakt

Norman Siewert

norman.siewert@kas.de

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Über diese Reihe

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