Asset-Herausgeber

Rechtsextreme Dresscodes

Asset-Herausgeber

Kleiden sich Rechtsextremisten mit Bomberjacke, schwarzen Stiefeln und dazu einem kahlrasierten Schädel? Oder mit Trachtenhemd, Scheitel und Schnauzer? Das war einmal. Moderne Rechtsextremisten kleiden sich heute nicht mehr martialisch wie Skinheads oder stolzieren in Uniformen zu Demonstrationen. Die Zeiten ändern sich. Rechtsextreme haben ihre eigenen Bekleidungsmarken. Sie sind oft dezent und unauffällig. Doch es gibt einige Merkmale, die dabei helfen, sie an ihren Dresscodes zu erkennen.

Die rechtsextreme Szene kann man anhand ihres äußeren Erscheinungsbildes idealtypisch in drei Gruppierungen einteilen:

„Die Scheitel“: Ihr Habitus orientiert sich am „Dritten Reich“. Vorbild für Frisur und Kleidung ist Adolf Hitler. Solche völkischen Neonazis verstehen sich als Elite und als letzte Kämpfer gegen alles Moderne. Den „Zeitgeist“ und Konzessionen anderer Rechtsextremisten an ihn lehnen sie ab.

„Die Glatzen“: Es handelt sich um Neonazis, die den Stil der britischen Skinhead-Subkultur pflegen. Ihr Outfit orientiert sich am Habitus der britischen Arbeiter der 1960er Jahre: Kurzhaarfrisur, Jeans mit Hosenträgern und Boots. Sie kleiden sich martialisch und kampfbereit. Damit fühlen sie sich als die letzten „richtigen Männer“. Maskulines Verhalten und hohe Gewaltbereitschaft prägen ihren Stil.

Die „Autonomen Nationalisten“: Sie tragen die Kleidung der Skater-, Hardcore- oder Hip-Hop-Szene. Optisch unterscheiden sie sich stark von den etablierten Rechtsextremisten und orientieren sich an eher linken Jugendkulturen. Sie treten bevorzugt in Großstädten auf. Manche von ihnen haben die Dresscodes der autonomen Linken übernommen: Palästinensertücher, Sonnenbrillen auch am Abend, Piercings, schwarze Kapuzenpullover und Baseballcaps mit Buttons; allerdings mit Aufdrucken wie „I LOVE NS“ = „Ich liebe Nationalen Sozialismus“ oder „KEIN BOCK AUF ANTIFA“). Dazu tragen sie Turnschuhe. Ihr Stil ist modisch und vor allem diskret: Bei „Demos“ oder „Sprühaktionen“ sind sie von anderen Gruppierungen kaum zu unterscheiden. Ihre Ideologie ist zwar der „Nationale Sozialismus“, doch ihr Lifestyle ist attraktiver und für viele Jugendliche salonfähig: Lehrer und Eltern stellen keine unangenehmen Fragen. Rechtsextreme Symboliken sind bei ihnen oft derart verschlüsselt, dass nur „Eingeweihte“ sie erkennen (siehe auch Rechtsextreme Codes).

Auch die von Rechtsextremisten bevorzugten Bekleidungsmarken lassen sich in unterschiedliche Kategorien einteilen.

 

Die Kleidung der Rechtsextremisten

Rechtsextreme Kleidung lässt sich in vier Kategorien einteilen:

  1. Kategorie: Bekleidungsmarken, die auch von Rechtsextremen getragen werden. Solche Marken haben keine direkten Bindungen an die rechtsextreme Szene. Etliche dieser Marken haben sich im Gegenteil bereits deutlich von Rassismus und Rechtsextremismus distanziert.

    „Lonsdale“ ist ein traditionelles britisches Boxsport-Label aus London. Es ist nach dem Earl of Lonsdale benannt und wurde 1960 in London gegründet. Viele weltberühmte Boxer wurden von Lonsdale ausgestattet, unter anderem Muhammad Ali und Mike Tyson. Schnell erlangte die Sportmarke Kultstatus über den Boxsport hinaus. Bei Jugendlichen aus der Ska und der Skinhead-Szene waren von Lonsdale mit dem Markennamen bedruckte Shirts begehrt. Später erlangte die Sportmarke auch in der rechtsextremen Szene große Beliebtheit. Denn wird der Schriftzug unter einer geöffneten Jacke getragen, so ist die Buchstabenreihe „NSDA“ zu erkennen. Rechtsextremisten fehlt bei „NSDA“ nur ein Buchstabe zur geschätzten Abkürzung NSDAP. Lonsdale startete 2003 eine Kampagne mit dem Titel „Lonsdale loves all colours“ und beliefert heute bewusst keine bekannten Geschäfte von Rechtsextremisten. Das Schriftdesign des Labels, die sich zur Mitte hin verkleinernden Buchstaben, wirkte nachhaltig stilbildend für neu entstehende rechtsextreme Marken.

    Auch das britische Label „Fred Perry“ widerfuhr Ähnliches wie Lonsdale: Die Sportmarke des Tennisspielers Fred Perry wurde zur beliebten Marke in der Skinhead-Szene und dann auch bei Rechtsextremisten. Die schätzten die Polohemden mit dem Siegerkranz als Emblem, besonders wenn die Farben des Polos in Schwarz, Weiß und Rot (= die Farben des deutschen Kaiserreiches und auch der Reichsflagge im Nationalsozialismus) gehalten waren.

    Auch „Ben Sherman“ war in zahlreichen britischen Jugendkulturen verbreitet, bevor das Label bei Rechtsextremen beliebt wurde.

    Der amerikanische Bekleidungshersteller „Alpha Industries“ machte die Rechtsextremen durch den Stil seiner Jacken (unter anderem der „Bomberjacke“, die Alpha Industries für das US-Militär produziert) auf sich aufmerksam. Weiterhin ähnelt das Logo von Alpha Industries dem Zivilabzeichen der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA).

    Die Outdoor-Marke „Helly Hansen“ wurde schlichtweg deshalb von Rechtsextremisten entdeckt, weil sie das HH im Logo hat. Sie unterlegen ihm die Bedeutung „Heil Hitler“.

    Beim Sportartikel-Hersteller „New Balance“ wurde das Interesse der Rechtsextremen durch das Logo, ein großes „N“, geweckt. In der rechtsextremen Szene werden mit diesem „N“ die Begriffe „Nationalsozialismus“ oder „Nationalist“ assoziiert.

    Die meisten dieser Kleidungsmarken haben aufgrund der Ausweitung des Angebotes an rechtsextremen Eigenmarken an Bedeutung für die Szene verloren.

  2. Kategorie: Bekleidungsmarken, die bewusst auch rechtsextreme Zielgruppen ansprechen.

    Die Marketingkonzepte dieser Firmen sind auf Käufer aus „gewaltorientierten“ Szenen (Hooligans, Skinheads, Rocker) spezialisiert. Sie spielen und kokettieren mit dem Image gewaltbereiter „Gesetzloser“. Deshalb werden diese Bekleidungsmarken auch gerne von Rechtsextremisten getragen. Diese gewinnorientiert arbeitenden Firmen haben zwar teilweise Verbindungen in die rechtsextreme Szene, gelten aber nicht als rechtsextreme Modemarken. Zu ihnen zählen beispielsweise „Troublemaker“ (= „Krawallmacher“) aus dem Raum Fürth, „Pit Bull“ aus Frankfurt am Main und „Dobermann“ aus dem Raum Kassel, beide benannt nach Kampfhunderassen, sowie „Hooligan Streetwear“ und „Pro Violence“ (=„Für Gewalt“) aus Hamburg.

  3. Kategorie: Bekleidungsmarken speziell für rechtsextreme Zielgruppen. Verfassungsschützer bezeichnen diese Marken als „szenetypische Bekleidung“ und Erkennungsmerkmal von Rechtsextremisten. Die Firmen sind gewinnorientiert. Sie bemühen sich, keinen Anlass für Verbote ihrer Kollektionen zu liefern. Denn das würde ihrem Geschäft schaden. Die nachstehend aufgeführten Modemarken werden jedoch auch von Personen getragen, die nicht der rechtsextremen Szene angehören.

    Die Marke „Consdaple“ aus Erding bei Landshut lehnt sich mit dem Design ihres Schriftzuges an das englische Label Lonsdale an. Als Lonsdale begann, Programme gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu unterstützen, wandte sich die rechtsextreme Szene ab. Consdaple entdeckte die entstehende Marktlücke. Das Wort ist nur scheinbar der englischen Sprache entlehnt. Wichtig ist nur, dass der Schriftzug „NSDAP“ vollständig zu erkennen ist. Über dem Schriftzug befindet sich oft ein Logo, welches dem im Nationalsozialismus verwendeten Reichsadler ähnlich sieht. Personen, die den Schriftzug der Marke unter einer offenen Jacke tragen, droht allerdings Strafverfolgung.1

    „Thor Steinar“ (Thor = altnordischer Donnergott) ist eine erfolgreiche und bekannte „Kultmarke“ in rechtsextremen Kreisen, aber auch darüber hinaus. „Mediatex“ in Königs Wusterhausen, die Thor Steinar vertreibt, existiert seit 2002 und wurde 2008 an einen Investor mit Sitz in Dubai verkauft. Qualitativ hochwertig und modisch auf dem Stand der Zeit, können Rechtsextreme durch das Tragen der Marke ihre Gesinnung zeigen. Die Marke Thor Steinar und ihre Ladengeschäfte standen schon oft im Fokus der Öffentlichkeit. Es gab verschiedene Versuche, Thor Steinar juristisch zu belangen.2 Typisch für die Marke sind heute das Logo mit der Gebo-Rune und die Verwendung der norwegischen Flagge. Die Motive für die Textilien sind oft der altnordischen Mythologie entlehnt; dabei spielt der „Thorshammer“ des Donnergottes eine herausgehobene Rolle.

    Die Marke „Erik & Sons“ versucht, an den Erfolg von Thor Steinar in der rechtsextremen Szene anzuknüpfen. Im rechtsextremen Versandhandel ist Erik & Sons auf die gleiche Zielgruppe ausgerichtet. Hier wird die Naudiz Rune als Logo genutzt. Beispielsweise werden Bilder bewaffneter Krieger unter der Überschrift „Viking Attack“ (= „Wikinger-Angriff“) auf hochwertige Kapuzenpullovern oder Jacken gedruckt.

    „Ansgar Aryan“ heißt eine weitere populäre Marke, die seit 2009 aus dem thüringischen Oberhof vertrieben wird. Ansgar Aryan spielt gerne mit Wikinger-Ästhetik. Aber auch Motive der Hardcore-Szene oder der deutschen Wehrmacht werden genutzt. Neben Symbolen wie der Triskele, einer Art dreiarmiges Hakenkreuz, prangen Sätze wie „Gott mit uns“, der Losung auf den Gürtelschnallen deutscher Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Auch an historische Ereignisse wird erinnert: „17. JUNI 1953 BESATZER RAUS"3, heißt es auf einem Kapuzensweatshirt.

    „Rizist“ ist eine Bekleidungsmarke, die durch ihre Logos und Schriftzüge im Graffito-Stil versucht, neue Zielgruppen zu erschließen. Der Name ergibt phonetisch das englische „resist“, also „widerstehen“, und knüpft damit eher an linksextreme Rhetorik an. Baseball Caps, Baggy Hosen und Windbreaker gehören zum Sortiment für das städtische Publikum. Rizist wendet sich auch an die „Autonomen Nationalisten“ (AN): Rechtsextreme, die die Kleidung der Skater- und Hip-Hopper-Szene schätzen. Rizist wird über Bekleidungsgeschäfte und den rechtsextremen Versandhandel vertrieben.

    Die Marken „Hatecrime“ („Hassverbrechen“), „H8-Society“ („Hassgesellschaft“) oder „H8wear“ („Hasskleidung“) sollen Fans von „Hatecore“/ „NSHC“ („National Socialist Hardcore“ = rechtsextreme Variante von Hardcore-Musik) ansprechen.4 Die Marken „Masterrace Europe“ („Herrenrasse Europa“) sowie „Werwolf“ haben einen relativ offensichtlichen Bezug zum Nationalsozialismus und sind auch nur in der rechtsextremen Szene verbreitet.

  4. Kategorie: Kleidung von Neonazis für Neonazis ohne eigenes Label. Solche Eigenprodukte werden über den Versandhandel sowie bei Konzerten vertrieben und kaum über Ladengeschäfte verkauft. Nach dem Inhalt kann man vier Motivgruppen unterteilen:
    • Verherrlichung des historischen Nationalsozialismus (Aufdruck nationalsozialistischer Symbole, zumeist in verfremdeter Form): Beispiele dafür sind zum Teil verbotene nationalsozialistische Symbole wie das „Keltenkreuz“, die „Wolfsangel“, die Odal-Rune, die „Triskele“, die „schwarze Sonne“, der Gauwinkel oder die Reichskriegsflagge.
    • Aufgreifen heidnischer oder esoterischer Symboliken; hierzu gehören letztlich alle nicht durch den Nationalsozialismus belasteten Runen, der Rückgriff auf germanische und nordische Mythen und Symboliken.
    • Bezüge zu rechtsextremer Musik und Lifestyle: Weit verbreitet sind Merchandise Artikel von rechtsextremen Bands, beispielsweise der verbotenen Gruppe „Landser“ oder ihrem Nachfolger „Lunikoff Verschwörung“. Dresscodes sind beispielsweise die Titel von CDs („Rock gegen ZOG“ = „Rock gegen zionistisch besetzte Regierungen“) oder einzelne Textpassagen von Landser wie „STELLT SE ALLE ANNE WAND UND FEUER!“
    • Logos rechtsextremistischer Organisationen: Sie wirken meist auch zur Einschüchterung des politischen Gegners. Dazu zählen die „White Power“-Faust sowie Hammer und Schwert als Erkennungszeichen von Rassisten. Die Kopie des Symbols der Antifaschistischen Aktion, eine schwarze und eine rote Fahne, werden von den „Autonomen Nationalisten" verwendet. Sie tragen Kleidung mit Schriftzügen wie „NATIONALE SOZIALISTEN“, „NATIONALER SCHWARZER BLOCK“, „Anti-Capitalist“ („Gegen Kapitalismus") in den typischen Coca-Cola-Schrifttypen oder „GOOD NIGHT LEFT SIDE“ (= „gute Nacht, linke Seite“).

 
Eine besondere Vorliebe haben Rechtsextremisten für geheime Codes und (versteckte) Drohungen, die sie in vielfältiger Weise auch auf bedruckten Textilien zur Schau stellen. Beispielsweise werden T-Shirts mit dem Schriftzug „DIVISION 88“ (= „Division Heil Hitler“) getragen. Wer sich besonders martialisch geben will, demonstriert Verbundenheit mit der Terrorgruppe „Combat 18" („C18“) (siehe auch Die „White Supremacy“-Nazis in Deutschland). Rechtsextreme Textilien sind beispielsweise mit dem Aufdruck „Combat 18 Actiongroup“, „TERRORMASCHINE COMBAT 18“ oder mit Motiv Bombe mit Zeitzünder versehen: „COMBAT 18 PARCEL SERVICE“ („Kampfgruppe Adolf Hitler Paket-Service“). Als Anspielung auf die Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) tragen T-Shirts den Aufdruck: „KILLER DÖNER NACH THÜRINGER ART“.

 

Jan Christoph Rödel

 


Nach einem Urteil durch das Landgericht Neuruppin vom 17. Februar 2010 (14 NS 146/09) kann man für das Tragen der Kleidungsmarke Consdaple wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) bestraft werden.

Das ursprüngliche Logo von Thor Steinar bestand aus der Kombination zweier germanischer Runen. Diese Runen wurden jeweils im Dritten Reich verwendet und sind heute verboten. Thor Steinar entwarf 2005 ein neues, unverfänglicheres Logo. Zuvor hatten deutsche Gerichte das alte Logo als strafbar eingestuft. Der norwegische Staat verklagte Thor Steinar wegen der intensiven Verwendung der norwegischen Flagge aufgrund „widerrechtlicher Verwendung staatlicher Hoheitszeichen“.

Am 17.06.1953 erhob sich die Bevölkerung der DDR gegen das sozialistische SED-Regime. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen. Rechtsextremisten versuchen, dieses Ereignis zu vereinnahmen.

„H8“ = Lautschrift in englischer Sprache für „hate“ („Hass“). Rechtsextremisten spielen auf das Konzept der „Hatecrimes“ (= „Hassverbrechen“) an. „Hatecrimes“ sind in den USA auf Betreiben der Bürgerrechtsbewegungen gesetzlich definiert und werden schwer bestraft. Dies soll gesellschaftlichen Minderheiten Schutz durch den Rechtsstaat garantieren. Rechtsextremisten haben somit die Bezeichnung eines Straftatbestandes zu einem in ihren Augen erwünschten Sozialverhalten umgedeutet.

Asset-Herausgeber

Asset-Herausgeber

Kontakt

Felix Neumann

Felix Neumann

Extremismus- und Terrorismusbekämpfung

felix.neumann@kas.de +49 30 26996-3879
Essay
snapshot/Future Image/Jean MW/Süddeutsche Zeitung Photo
11. Juli 2023
Jetzt lesen