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Gründung und frühe Geschichte der CDU der SBZ/DDR

Vom Berliner Gründungsaufruf zur Gleichschaltung als Blockpartei

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Auf Anweisung von Stalin gab die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) am 10. Juni 1945 die Erlaubnis zur Gründung „antifaschistischer“ Parteien. Nach KPD und SPD veröffentlichte am 26. Juni die „Christlich-Demokratische Union“ in Berlin als dritte Partei ihren Gründungsaufruf. Im Aufruf bekannte man sich zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Freiheit des Gewissens, freien Gewerkschaften und der Verantwortung für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Das Privateigentum wurde bejaht, aber gleichzeitig die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien gefordert. Erster Vorsitzender der Partei wurde der frühere Reichsminister Andreas Hermes, früher Mitglied des Zentrums, den Posten des zweiten Vorsitzenden übernahm der ehemalige preußische Handelsminister Walther Schreiber, der früher der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) angehörte.

Eine zentrale Voraussetzung für die Anerkennung der CDU durch die Besatzungsmacht war der Eintritt der Partei in die „Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien“, den sogenannten „Demokratischen Block“. In diesem auf allen Verwaltungsebenen bestehenden Gremium berieten Vertreter der vier zugelassenen Parteien über wichtige politische Vorhaben und Probleme. Kernelement war das Prinzip der Einstimmigkeit. Auf diese Weise stellten die Sowjets sicher, dass keine Entscheidung gegen die Interessen von KPD bzw. SED getroffen werden konnte.

Ende August und Anfang September 1945 forcierten SMAD und KPD die Durchführung einer Bodenreform, bei der sämtlicher Grundbesitz, der mehr als 100 Hektar umfasste, entschädigungslos enteignet werden sollte. Die CDU unter Hermes stand einer Bodenreform nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, bemängelte jedoch das Prinzip der Entschädigungslosigkeit und dass es nicht möglich sein sollte, rechtlich gegen die Enteignung vorzugehen. Da es nicht gelang, eine Übereinkunft zu erzielen, übten die Sowjets auf die CDU-Verbände Druck dahingehend aus, ihre Zustimmung zu den vorgelegten Bestimmungen zu erklären und sich von Hermes zu distanzieren. Eine Teilnahme von Hermes am „Reichstreffen“ der verschiedenen christlich-demokratischen Gruppierungen aus ganz Deutschland in Bad Godesberg vom 14. bis 16. Dezember 1945 wurde untersagt. Da er jedoch weiterhin die Bodenreform ablehnte, wurden Hermes und Schreiber am 19. Dezember 1945 durch die Besatzungsmacht als CDU-Vorsitzende abgesetzt.

Jakob Kaiser eröffnet mit einer Rede die zweite Jahrestagung der CDU der Ostzone am 6. September 1947 in der Berliner Staatsoper. Bundesarchiv, Bild 183-1992-0730-500 / CC-BY-SA
Jakob Kaiser eröffnet mit einer Rede die zweite Jahrestagung der CDU der Ostzone am 6. September 1947 in der Berliner Staatsoper.

Ihre Nachfolger wurden die aus der Gewerkschaftsbewegung stammenden Jakob Kaiser und Ernst Lemmer. Kaiser stand für einen „christlichen Sozialismus“. Er forderte ein Wirtschaftssystem, das die Elemente Planung und Lenkung beinhaltete. Gleichzeitig bekannte er sich jedoch zum Privateigentum und zu einer Verbindung von Sozialismus und Demokratie. Zudem sollte in seiner Vorstellung Deutschland eine Brücke zwischen Ost und West bilden und zwischen den unterschiedlichen Gesellschaftskonzeptionen eine vermittelnde Stellung einnehmen. Auf dem vom 15. bis 17. Juni 1946 in Berlin stattfindenden 1. Parteitag der CDU wurden Kaiser und Lemmer in ihren Ämtern bestätigt.

Im gleichen Monat fand in Sachsen ein von der SMAD im engen Zusammenwirken mit der SED angeordneter Volksentscheid statt, der eine großangelegte Enteignung von „Kriegs- und Naziverbrechern“ einleiten sollte. Faktisch war dies der Auftakt zur Verstaatlichung privater Betriebe in der gesamten SBZ, unabhängig von der individuellen Verantwortung der Inhaber. Ähnlich wie bei der Bodenreform wurde auch hier seitens der CDU-Führung die Forderung nach rechtsstaatlichen Prinzipien und Begrenzung auf die wirklich Schuldigen laut, diese ließen sich aber nicht durchsetzen.

Problematisch verliefen auch die Gemeindewahlen im September sowie die Kreis- und Landtagswahlen in der SBZ im Oktober 1946. Im Vorfeld der Wahl hatten die bürgerlichen Parteien unter massiven Benachteiligungen seitens der Sowjets zu leiden. Die SED profitierte von diesen Behinderungen sehr deutlich. Bei den Gemeinde- und Kreistagswahlen erlangte sie jeweils eine absolute Mehrheit, während die CDU sich mit Platz drei bzw. zwei begnügen musste. Auch bei den Landtagswahlen landete die CDU knapp hinter den Liberaldemokraten. Immerhin blieb, die SED hier unter 50 Prozent. Obwohl in den Ländern Allparteienregierungen gebildet wurden, nutzte die SED die ebenfalls angetretene Massenorganisation „Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe“ (VdgB), deren Abgeordnete fast alle SED-Mitglieder waren, im Konfliktfall als Mehrheitsbeschafferin.

1947 geriet die CDU immer mehr unter Druck. Der Hintergrund hierfür waren die deutschlandpolitischen Diskussionen auf nationaler und internationaler Ebene. Die SED sah die Gelegenheit gekommen, mittels einer verschärften Blockpolitik ihre Dominanz in der SBZ auszubauen. Kaiser reagierte deutlich auf diese Maßnahmen. Auf dem 2. Parteitag im September in Berlin, auf dem er mit überwältigender Mehrheit als Vorsitzender wiedergewählt wurde, bezeichnete er die CDU als „Wellenbrecher des dogmatischen Marxismus“. Als die SED im November zu einem „Deutschen Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden“ aufrief, der vordergründig über die Vereinigung der vier Besatzungszonen beraten sollte, aber in Wirklichkeit ein weiterer Baustein der SED war, um die volle Kontrolle über das politische Leben in der SBZ zu erlangen, verweigerte Kaiser die Mitwirkung der CDU. Dies stieß aber nicht auf die Zustimmung aller Führungspersönlichkeiten der CDU in der SBZ, vor allem in den Landesverbänden, die sich um den Fortbestand der CDU bei einer Verweigerung sorgten. Auf Druck der SMAD beschlossen die Landesvorsitzenden am 19. Dezember 1947, sich von der Zonenleitung zu trennten, bis das Verhältnis zu den Sowjets wieder normalisiert sei. Am folgenden Tag erklärte die SMAD, dass sie die sechs Landesvorsitzenden als oberste Vertretung der CDU betrachte, womit Kaiser und Lemmer faktisch abgesetzt wurden.

Die veränderten Rahmenbedingungen für die CDU äußerten sich auch an anderen Stellen. Mit zwei neuen Parteien, der Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) und der National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD), die in Wirklichkeit von SED und SMAD gesteuert wurden, sollte den bürgerlichen Parteien Anhänger streitig gemacht und die Machtbasis der SED vergrößert werden. Auf dem Parteitag im September 1948 in Erfurt wurde Otto Nuschke unter Druck der Besatzungsmacht zum neuen Vorsitzenden gewählt. Mit Nuschke war ein Mann an die Spitze der Partei getreten, der bereit war, den Sowjets weit entgegenzukommen, um so das Weiterbestehen der CDU in der SBZ zu sichern.

Otto Nuschke bei der 5. Jahrestagung der CDU in Berlin vom 15. bis 17. September 1950. Bundesarchiv, Bild 183-T00847 / Rudolph / CC-BY-SA 3.0
Otto Nuschke bei der 5. Jahrestagung der CDU in Berlin vom 15. bis 17. September 1950.

Wenige Tage nach dem Parteitag beendete die Arbeitsgemeinschaft der CDU/CSU die Zusammenarbeit mit dem SBZ-Vorstand und erkannte weiterhin Kaiser und Lemmer als legitime Vorsitzende an. Nuschke stimmte trotz zum Teil heftigen Widerstands aus der Partei der Staatsgründung der DDR am 7. Oktober 1949 und der Verschiebung der Wahlen zur Volkskammer um ein Jahr auf dem Oktober 1950 zu. Die CDU stellte mit Nuschke den stellvertretenden Ministerpräsidenten der DDR und drei Minister, darunter Georg Dertinger als Außenminister. Anfang 1951 wurde beschlossen, dass die CDU zukünftig nach dem Vorbild kommunistischer Parteien auf der Grundlage von ernannten Sekretären organisiert sein sollte, die in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich die eigentliche Macht innehatten. Bereits im Mai 1950 hatte Nuschke seinen anfänglichen Widerstand gegen die von der SED geforderte Einheitslistenwahl zur Volkskammer aufgegeben. Nach und nach übernahmen „fortschrittliche“ Mitglieder, die eine Zusammenarbeit mit der SED befürworteten, das Ruder in den Landes- und Kreisverbänden. Kritiker flohen in die Bundesrepublik oder wurden mit  Parteiausschlüssen, Verhaftungen und Schauprozessen zum Schweigen gebracht. Die reale Macht in der Partei lag nun bei den SED-abhängigen prokommunistischen Funktionären um Gerald Götting.

1952 wurden auch die Landesverbände der CDU im Rahmen der Verwaltungsreform in der DDR aufgelöst und insgesamt 16 Bezirksverbände gebildet. Im selben Jahr fand in Berlin der 6. Parteitag statt, auf dem der Führungsanspruch der SED anerkannt wurde. Formell war damit der Prozess der Eingliederung der CDU in das System der SED-Diktatur abgeschlossen. Dennoch blieb der Druck von außen wie von innen hoch, um Mitglieder und Funktionäre dazu zu bringen, die erfolgte Transformation anzuerkennen und weiterhin zu unterstützen. In diesen Zusammenhang fiel auch die Verhaftung von Außenminister Dertinger im Januar 1953. Dennoch nahmen am Volksaufstand des 17. Juni 1953 auch CDU-Mitglieder teil. Die dadurch ausgelöste Schwächephase der SED nutzten Teile der CDU-Führung, um eine etwas eigenständigere Politik zu betreiben. Die erneute Festigung der SED-Herrschaft im Laufe der zweiten Jahreshälfte sorgte jedoch dafür, dass dies nur eine Episode blieb.

Oliver Salten

Literatur:

  • Baus, Ralf Thomas: Die Christlich-Demokratische Union in der sowjetisch besetzten Zone 1945 bis 1948. Gründung – Programm – Politik (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 36), Düsseldorf 2001.
  • Richter, Michael: Die Ost-CDU 1948-1952. Zwischen Widerstand und Gleichschaltung (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 19), 2. Aufl., Düsseldorf 1991.
  • Salten, Oliver: Der Arbeitskreis „Sozialismus aus christlicher Verantwortung“ und der Wissenschaftliche Arbeitskreis der CDU in der DDR (1948-1954), in: Historisch-Politische Mitteilungen 23 (2016), S. 77-114.
  • Salten, Oliver: Hugo Hickmann – ein Riese unter den Zwergen? Der CDU-Landesverband Sachsen und sein Vorsitzender 1945-1950, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 92 (2021), S. 163-212.
  • Wilde, Manfred: Die SBZ-CDU 1945-1947. Zwischen Kriegsende und Kaltem Krieg, München 1998.

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